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Volume Nr. 80, 8. September 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988, 10. Wahlperiode, Band V, 68.-81. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 8. September 1988 
Pätzold 
(A) nachdem das Gericht ein informationelles Selbstbestim 
mungsrechtgrundrechtsgleich anerkannt hatte, in allen dafür 
in Betracht kommenden bundes- und landesgesetzlichen 
Regelungen bereichsspezifische Datenschutzregelungen vor 
zusehen. Das steht praktisch bis heute aus, von ganz wenigen 
und geringfügigen Ausnahmen abgesehen. Und so schön 
auch ein Föderalismus ist, wie ihn die Bundesrepublik 
Deutschland verkörpert, so muß ich doch sagen, daß es 
unerträglich ist, wie der Bund, der natürlich auch im Verhältnis 
zu den Ländern eine gewisse Vorreiterrolle hat, ihr bis heute 
nicht gerecht geworden ist und wie sich ein Teil der Länder, 
nachdem nun schon fünf Jahre verstrichen sind — eine an 
dem Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungs 
gerichts gemessen viel zu lange Zeit — nun auch in diesem 
Windschatten versteckt hat, anstatt, wie dies einige Länder — 
nicht allein von der SPD regierte Länder - getan haben, 
etwas selbst auf den Weg zu bringen. Das betrifft nicht nur den 
so wichtigen Bereich der Sicherheits- und Ordnungsgesetze, 
sondern auch andere wichtige Bereiche. 
Wir finden dies nicht mehr erträglich und sagen auch 
spätestens seit Beginn dieser Wahlperiode, daß das Land 
Berlin und insbesondere der für die meisten Gesetze zustän 
dige Innensenator nicht einen einzigen Gesetzentwurf wäh 
rend der letzten vier Jahre auf den Tisch des Hauses gebracht 
hat. 
Zu den wichtigen Gesetzen gehört ganz bestimmt auch der 
Verfassungsschutzbereich und im Bereich des Innensenators 
auch das allgemeine Berliner Datenschutzgesetz. Nachdem 
nun in vier Jahren von Senatsseite nichts geschehen ist, ist es 
verdienstvoll — ich sage das ausdrücklich -, daß die F.D.P. 
einen eigenen Gesetzentwurf unterbreitet. Ich verspreche 
Ihnen, daß wir zur nächsten Sitzung einen entsprechenden 
umfassenden Gesetzentwurf für das Berliner Datenschutzge- 
setz vorlegen werden, damit auf diese Art und Weise einmal 
1 ' symbolisiert wird, daß das Parlament notgedrungen mit 
seinen bescheidenen Zuarbeitsmitteln das ersetzen und 
nachholen muß, was die riesige Administration offensichtlich 
nicht schafft. Da stört mich auch nach Ihrer Gesetzesvorlage, 
Herr Kammholz, die Sie offensichtlich sehr persönlich geprägt 
haben, daß der Kollege Oxfort, als wir vor einigen Monaten ein 
anderes wichtiges Feld anpackten — Angleichung der Grund 
rechte in Berlin an das Grundgesetz - sagte, daß dies vor der 
Wahl nicht zu verwirklichen sei, es also nur ein Wahlschlager 
sein könne. Ich könnte das jetzt zurückgeben. 
[Wieland (AL): Tun Sie es doch!] 
— Nein, Herr Kammholz ist mir ein zu ernsthafter Kollege, um 
dies zurückzugeben. Auch wenn der Gesetzentwurf in dieser 
Wahlperiode, wie unser Datenschutzgesetzentwurf, nicht ver 
abschiedet werden kann, so ist es doch wichtig, zu verdeutli 
chen, daß nun endlich etwas geschehen muß und Parlamenta 
rier die Geduld verlieren und die Administration lehren, was 
eigentlich Sache ist. Ich finde das gut. 
Jetzt zu dem Parlamentsformellen. Das ist schon ein starkes 
Stück, und auch der Kollege Oxfort hat bei anderen Gelegen 
heiten, wenn die Administration Beschlüsse des Parlaments, 
auch Gesetzesaufträge, nicht befolgt hat, das dann, so sehr er 
auch dem Schutz der Administration zuneigt, gerügt. Es ist ein 
starkes Stück, daß seit Beginn der Wahlperiode nichts gesche 
hen ist, obwohl wir alle gesagt haben, da muß etwas kommen. 
Und da läuft auch nichts, nachdem alle Fraktionen aufgrund 
des F.D.P.-Antrages beschlossen haben, jetzt sei der Senat in 
der Pflicht, beim Verfassungsschutz und beim Polizeirecht bis 
zum Frühjahr 1988 endlich eine beschlußfähige Gesetzesvor 
lage zu unterbreiten. Der Senat kommt daraufhin nur mit 
einem Zwischenbescheid und teilt mit, er sei erst in der Lage, 
eine Vorlage zu unterbreiten, wenn die Wahlperiode dieses 
Abgeordnetenhauses abgelaufen ist — zwar nicht formell, 
aber mit Sicherheit erst dann, wenn die letzte Sitzung stattge 
funden hat. Das ist wirklich ein starkes Stück, und zur Länge 
des Verfahrens sagt man besser gar nichts. 
Das werden wir so nicht hinnehmen. Auch insofern ist es 
verdienstvoll, daß Sie diesen Antrag eingebracht haben. Es 
kommt hinzu, daß alles vier Fraktionen des Parlaments mit 
dem einhelligen Beschluß auch inhaltlich präzise Vorgaben 
gemacht haben. Wir stimmten zwar nicht mit allem überein, 
aber uns ging es um das Prinzip, wie diese Entwürfe für den 
Verfassungsschutz und für das Polizeirecht auszusehen ha 
ben. 
Da konnte man dann noch etwas hören und in den Zeitungen 
etwas lesen, daß sich CDU und F.D.P. nicht einig geworden 
seien und die F.D.P.-Fraktion ausnahmsweise einen eigenen 
Gesetzesentwurf einbringen werde, daß dies aber nicht eilig 
sei und auch in dieser Wahlperiode nichts mehr werde. Ich 
sage Ihnen, wenn Sie sich mit der CDU nicht einig sind — 
hören Sie bitte keine falschen Koalitionsangebote heraus —, 
wir sind uns mit Ihnen nicht in allen, aber in vielen Ihrer 
Vorschläge einig; über das andere wird man reden müssen. 
Zu einem Punkt möchte ich noch etwas Grundsätzliches und 
Fachliches sagen. Sie werden das auch in unserem angekün 
digten Datenschutzgesetzentwurf sehen. Wir vertreten das 
Prinzip, daß die Datenschutzregelungen möglichst in einem 
allgemeinen Datenschutzgesetz verankert sein sollten und 
nicht in Einzelgesetzen. Nur noch die darüber hinaus erforder 
lichen Regelungen gehören in Einzelgesetze; das ist ein 
gesetzgeberisches Prinzip, das man auch wegen der Lesbar 
keit für den einfachen Bürger durchdenken sollte. Darüber 
würden wir gern mit Ihnen in einen hoffentlich fruchtbaren 
Dialog eintreten. 
Aber seien Sie mir nun nicht böse, wenn ich noch zu diesem 
späten Zeitpunkt, ohne mir die erwähnte Argumentation des 
Kollegen Oxfort zu eigen zu machen, in die Frage eintrete, was 
denn der Zweck der F.D.P.-Vorlage sein könnte. Ich tue das 
mehr, um Ansporn zu vermitteln. Es gibt — ich kenne das aus 
früheren Koalitionen — die schöne Koalitionsabsprache, daß 
nicht mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt wird. Was Sie 
Vorschlägen, dazu können Sie höchstens die CDU noch 
gewinnen, oder es wird nicht gelingen bzw. Sie müssen 
entscheidende Abstriche machen, wenn es bei den Koalitions 
abreden bleiben soll. 
[Dr. Lange (F.D.P.): Sie machen sich Sorgen!] 
— Hören sie doch zu, jetzt kommt der Hintergrund der Sorge. 
Es bleibt die Frage — ich nehme das Bild des wackelnden 
Hundes auf —, was macht nun der Hund Koalition mit dem 
liberalen Schwanz, soll das Werbung vor der Wahl sein? Oder 
will der liberale Schwanz den konservativen Hund wirklich 
seinerseits bewegen? Wir werden das in den nächsten Wo 
chen merken. Entweder stellen wir alle mit der uns eigenen 
pragmatischen Einsicht fest, daß darüber in der laufenden 
Wahlperiode nicht mehr verhandelt wird. Dann sage ich. es 
war doch nur ein werbewirksamer Versuch. Oder wir machen 
uns in der nächsten Zeit im Innenausschußß an die harte 
Arbeit und sprechen das in Sondersitzungen durch, dann 
haben wir gemeinsam ein schönes Berliner Polizeigesetz 
geschaffen, das modernen Anforderungen in dem Sinne, wie 
Sie das charakterisiert haben, Herr Kollege Kammholz, ge 
nügt. 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Das Wort hat nunmehr Frau 
Kollegin Saß-Viehweger. 
Frau Saß-Viehweger (CDU); Frau Präsidentin! Meine Damen 
und Herren! Auch wenn Herr Pätzold das eben geleugnet hat, 
habe ich doch das Gefühl, daß es eben den Versuch gegeben 
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