Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
80. Sitzung vom 8. September 1988
StS Dr. Dittberner
(A) Jugendliche geeignet ist, bringen die obersten Landesjugend-
behörden in die Beratungen der Gremien der Freiwilligen
Selbstkontrolle der Filmwirtschaft — FSK — ein. Die dort
anwesenden Jugendsachverständigen bringen ihre Positio
nen in diese Beratungen ebenfalls ein. Die Beschlüsse dieses
aus Vertretern der Filmwirtschaft, verschiedener weltan
schaulicher Verbände und der obersten Landesjugendbehör
den zusammengesetzten Gremiums übernehmen dann die
oberste Landesjugendbehörden für ihre Verwaltungsakte
nach § 6 Jugendschutzgesetz.
Im Fall von „Rambo III“ vertraten die drei Jugendschutz
sachverständigen des Landes Berlin in der FSK nach Besichti
gung des Films einhellig die Auffassung, daß der Film nicht für
Minderjährige geeignet ist. Vor der daraufhin erfolgten Berli
ner Appellation gegen die Freigabe des Films ab 16 Jahren
hatte bereits Bayern gegen die Entscheidung des Arbeitsaus
schusses der FSK, das ist die erste Instanz, appelliert. Die
Appellation hat das Ziel, den Film als „nicht freigegeben unter
18 Jahren“ zu kennzeichnen. Der Termin zur Beratung über
die Appellation der Bundesländer Bayern, Berlin und Bremen
ist am 9. September, also morgen. Die Freigabe und Kenn
zeichnungsentscheidung der FSK - und damit der obersten
Landesjugendbehörden — ist im engeren Sinne keine Ent
scheidung über die Qualität eines Filmwerkes und kann auch
nicht als Zensurmaßnahme mißverstanden werden. Nach den
Richtlinien der FSK ist bei der Prüfung für Kinder und
Jugendliche lediglich die Geeignetheit festzustellen. Die Kri
terien, die für diese Entscheidung herangezogen werden, sind
in den Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle der
Filmwirtschaft enthalten. Sie sind entsprechend dem gesell
schaftlichen Wandel ständig fortentwickelt worden, In ihrer
aktuellen Fassung, wie sie bei der Beurteilung von „Rambo
III“ Berücksichtigung fanden, lauten diese Kriterien zusam
menfassend wie folgt:
(B)
Ein Film darf, um für Jugendliche geeignet zu sein, nicht
brutale Vorgänge in übersteigerter, anreißerischer oder
aufdringlich-selbstzweckhafter Form schildern, und er
darf nicht Kriegsgeschehen verherrlichen oder verharm
losen.
Die Jugendsachverständigen des Landes Berlin befanden
einvernehmlich in verschiedenen Sitzungen und unabhängig
voneinander, daß der Film „Rambo III“ diese Ausschlußkrite
rien der FSK für die Ablehnung der Freigabe „unter 18 Jahren“
erfüllt.
Der Senator für Jugend und Familie als oberste Landesju
gendbehörde hat daher gegen die Freigabe von „Rambo III“
ab 16 Jahren appelliert, weil er diesen Film als für Minderjäh
rige ungeeignet bewertet.
Die Prädikatsentscheidung der Filmbewertungsstelle ist ein
Vorgang, der mit der Prüfung, ob ein Film als jugendgefähr
dend eingestuft werden muß oder nicht, nichts zu tun hat. sie
erfolgt auch institutionell völlig unabhängig davon: Diese
Prädikatsentscheidung trifft die Filmbewertungsstelle. In dem
Fall „Rambo III“ ist es in der Tat so, wie Sie wissen, daß ein
Prädikat vergeben worden ist. Das schließt aber in keiner
Weise aus, daß ein als „wertvoll“ anerkannter Film zugleich
von der FSK als jugendgefährdend eingestuft werden kann.
Sie werden verstehen, daß ich mich nicht anheischig machen
werde, jetzt einen Film unter künstlerischen, cineastischen
oder sonstigen Gesichtspunkten zu bewerten. Ich kann das
hier nur unter den Gesichtspunkten des Jugendschutzes tun.
Dazu habe ich Ihnen gesagt, daß wir der Auffassung sind, daß
der Film für Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet ist.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - Herr Wieland!
Wieland (AL): Ich frage den Senat, ob er es als im Interesse
von Entspannung und Verständigung liegend ansieht, wenn
der CDU-Landesschatzmeister und Abgeordnetenhauspräsi
dent in spe — so sieht er das selber wohl — einmal den
Hauptdarsteller Sylvester Stallone an den Checkpoint Charlie
marschieren läßt und wenn der zum anderen sich auch nicht
vom Polizeipräsidenten davon abbringen läßt, Polizeibeam
ten des Landes Berlin Freikarten zur angeblich geschlosse
nen Uraufführung zur Verfügung zu stellen. Zusammengefaßt:
Weiß der Senat nicht, daß die Berliner Polizeibeamten gerade
in Westdeutschland bereits einem „Rambo“-lmage unterlie
gen?
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung — Herr Innensenator!
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Präsident! Herr
Wieland! Ich kann nur für den Senat feststellen: Es ist nicht
unsere Art, sich darum zu kümmern, ob ein Abgeordneter
oder wer auch immer mit irgend jemand an den Checkpoint
Charlie geht oder nicht, und es ist auch nicht unsere Aufgabe
und wir beabsichtigen auch nicht, über die Kinogewohnheilen
von Polizeibeamten oder anderen Beamten in irgendeiner
Weise uns hier zu verlautbaren. Jeder geht da hin, wohin er
will. Gott sei Dank ist es bei uns so.
[Beifall bei der CDU]
Präsident Rebsch: Herr Kuhn, Sie haben die nächste
Zusatzfrage!
Präsident Rebsch; Herr Tiedt, Sie haben die erste Zusatzfra
ge!
Tiedt (F.D.P.); Herr Staatssekretär! Ohne hier auf die
völkerhetzenden und menschenverachtenden Tendenzen die
ses Films oder auf die sinnlosen Tötungs- und brutalen
Folterszenen im einzelnen eingehen zu wollen, frage ich Sie,
ob der Senat meine Auffassung teilt, daß eine Beurteilung
durch die Kennzeichnung „wertvoll“ in einem solchen Fall und
möglicherweise auch in anderen Fällen irreführend und
gefährlich ist. — Gibt es Möglichkeiten für den Senat, darauf
Einfluß zu nehmen, daß hier künftig andere Kriterien bemüht
werden, die weniger irreführend sind, sondern den Charakter
eines Films deutlicher kennzeichnen könnten?
Präsident Rebsch; Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Dr. Dittberner, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für
Jugend und Familie: Herr Präsident! Herr Abgeordneter Tiedt!
Kuhn (AL): Herr Dittberner! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie mir mitteilen könnten, welche Senatsmitglieder oder
Staatssekretäre sich in der Vorbereitung auf Ihre Antwort den
Film „Rambo III“ angesehen haben.
Präsident Rebsch: Herr Staatssekretär!
Dr. Dittberner, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für
Jugend und Familie; Herr Präsident! Herr Abgeordneter Kuhn!
Ich kann unmittelbar an das anknüpfen, was Herr Innensena
tor soeben gesagt hat: Das ist jedermanns eigene Angelegen
heit. Aber, wenn es Sie interessiert: Ich habe den Film zweimal
gesehen
[Heiterkeit]
und bin der Auffassung, daß unsere Sachverständigen, betref
fend den Jugendschutz — auf diesen Punkt konzentriere ich
mich hier —, richtig entschieden haben.
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