Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
75. Sitzung vom 19. Mai 1988
Dr. Lange
asylsuchender politisch verfolgter Frauen gibt. — Ich gehe
davon aus — und wir sind uns darüber einig —. daß wir eine
Einschränkung des Grundrechts auf Asyl in diesem Parlament
in toto nicht wollen. Ich gehe auch davon aus, daß Sie keine
gesetzgeberischen Initiativen vom Senat verlangen, die in
irgendeiner Form der Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgeset
zes tangieren. Von da her nehmen wir die gleiche Position ein,
die wir versucht haben, Ihnen im Ausländerausschuß zu
verdeutlichen.
[Zuruf des Abg. Wieland (AL)]
— Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Wieland, sind wir
immer etwas bescheidener. Wir haben versucht, auch Ihnen
zu vermitteln, daß es einer Prüfung bedarf, ob und in welchem
Umfang eine derartige Bundesratsinitiative überhaupt sinn
voll sein kann. Ich habe mit der zuständigen Senatorin
gesprochen und mit allen, die dort Politik machen. Sie wissen
selber, daß diese Verwaltung sowohl im Frauenausschuß als
auch zu früherer Zeit im Ausländerausschuß eine sehr
differenzierte Position vorgetragen hat. Es geht darum, daß
dieses Problem gemeinsam gelöst wird.
[Frau Korthaase (SPD); Reden Sie doch mal mit
Ihrer Frauenbeauftragten!]
— Es hilft nichts, Frau Korthaase, wenn Sie mit wüsten
Beschimpfungen an der Sache vorbeireden und auf die
Koalition losgehen. Ich gehe davon aus, daß auch Sie beim
näheren Nachdenken dieser Beschlußempfehlung zustimmen
können.
[Beifall bei der F.D.P. und bei der CDU]
Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete
Hentschel.
Frau Hentschel (AL): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Es tut mir unheimlich leid. Die Ausführungen von
Herrn Vogt spiegeln die Notwendigkeit des Frauenausschus
ses wider. Es gibt offensichtlich nur im Frauenausschuß ein
Problembewußtsein für die besondere Situation der Frauen.
Es wird auf irgendein Gutachten des Wissenschaftlichen
Parlamentsdienstes rekurriert. Dieses Gutachten soll es ir
gendwann einmal gegeben haben. Es wird aber an keinem
Punkt gesagt, was in diesem Gutachten steht. Auch wird
dieses Gutachten nicht bezeichnet. Zu einem Punkt hat es ein
Gutachten aus dem Jahre 1982 gegeben. Ich zitiere aus
diesem Gutachten:
Es entspricht herrschender Auffassung, daß die Landes
parlamente nicht zu einem Hineinwirken in die Entschei
dungen des Bundesrates befugt sind. Insbesondere kann
und darf danach ein Landesparlament der Landesregie
rung hinsichtlich ihres Verhaltens im Bundesrat keine -
und darauf kommt es an — rechtsverbindlichen Weisun
gen oder Instruktionen erteilen.
Ich würde gern einmal das andere Gutachten haben, weil in
diesem kein Wort darüber steht, daß das Parlament nicht das
Recht hat, an den Senat zu appellieren. - Und nichts anderes
ist eine Aufforderung. Man könnte auch schreiben: Wir bitten
den Senat, das zu tun. Und das alles ist keine rechtsverbindli
che Weisung an den Senat. Das kann man in dieser Weise
ändern. Wie das jetzt geschehen ist, bezieht es sich auf gar
keinen Fall auf ein existierendes Gutachten des Wissenschaft
lichen Parlamentsdienstes. Sollte es mir entgangen sein,
dann bitte ich, mir das Gutachten vorzulegen. Ich kann mir
nicht vorstellen, daß eine Aufforderung als rechtsverbindliche
Weisung interpretiert wird. Das ist einfach absurd.
Weiterhin steht im Änderungsantrag, daß der Senat prüfen (C)
möge, ob er initiativ werden kann. Wenn der Senat jetzt nicht
einmal mehr weiß, daß er im Bundesrat initiativ werden kann,
dann frage ich mich, was ist das dann überhaupt für ein Senat.
[Beifall bei der AL und der SPD]
Im Frauenausschuß haben wir sehr intensiv über den
Antrag diskutiert und uns für die Belange der Frauen einge
setzt. Ich finde aber dafür keine Worte mehr, wie dieses
Problem hier im Plenum behandelt wird. An der Anhörung
haben zwar die Mitglieder des Frauenausschusses teilgenom
men, aber sehr wenige Mitglieder des Ausländerausschus
ses. Der Innensenator hat nicht daran teilgenommen. Die
Stellungnahme des Senats, die Herr Müllenbrock im Aus
schuß vorgetragen hatte, ist genau die, auf die Herr Schicks
mit einem Zwischenruf bezug genommen hat. Nach der
Stellungnahme des Ausländerausschusses bedarf es keiner
weiteren Regelungen. Dieser ist in seiner Mehrheit nicht der
Anhörung gefolgt. Er hat nicht kapiert, worum es geht. Dann
kann man natürlich derartige Meinungen hier vertreten. Und
das ist unglaublich.
[Zuruf des Abg. Dr. Lange (F.D.P.)]
- Sie haben teilgenommen, aber nicht die Mehrheit des
Ausländerausschusses. Ich stelle hier die Frage, wie ist es
denn damals zur Abschiebung der Iranerin im Jeans-Anzug
nach Teheran gekommen? Diese konnte gerade in allerletzter
Sekunde verhindert werden.
[Beifall bei der AL und bei der SPD]
Und wie ist es zu der Abschiebung der Pakistanerin nach
Pakistan gekommen? — Wir wurden aufgefordert, dem Innen-
Senator Informationen über die aktuelle Situation in Pakistan
zu liefern, die er dann prüfen wollte, obwohl längst entschie
den war, daß diese Frau abgeschoben werden soll. Und das,
Herr Vogt, ist das Vertrauen, das Sie in diesen Senat haben.
Das verstehe ich überhaupt nicht.
Um zu klären, was dieses wissenschaftliche Gutachten
aussagt, hätte ich ganz gerne, daß wir den Antrag und den
Änderungsantrag in den Frauenausschuß zurücküberweisen.
Wir könnten und dann noch einmal darüber unterhalten, ob es
bei dieser Fassung bleibt.
[Beifall bei der AL und der SPD]
Präsident Rebsch; Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete
Neumann.
Neumann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich teile die Auffassung der Kollegin Korthaase, die sich
empört geäußert hat. Ich will versuchen, denjenigen, die die
lehrreichen Diskussionen des Frauenausschusses nicht ver
folgen können, dies noch mehr zu verdeutlichen; Wir haben im
Frauenausschuß in der Sache und in der Form erheblich
miteinander gerungen und haben uns zu einer einstimmigen
Auffassung durchringen können und einstimmig beschlossen.
Ich appelliere jetzt an die Mitglieder der CDU und der F.D.P.
im Frauenausschuß, ihr parlamentarisches Verständnis zu
überprüfen, sich zu fragen, welche Arbeit sie eigentlich mit
welchen Inhalten und welcher Verbindlichkeit im Frauenaus
schuß leisten, ob es möglich ist, einerseits im Frauenaus
schuß gemeinsam auf dem Kompromißweg Lösungen zu
erarbeiten und andererseits im Plenum wieder etwas ganz
anderes zu machen.
Und. Herr Kollege Vogt, dies ist keine redaktionelle Verän
derung. Ich hätte von Ihnen nicht erwartet, daß Sie zu solch
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