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Volume Nr. 75, 19. Mai 1988

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1988, 10. Wahlperiode, Band V, 68.-81. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
75. Sitzung vom 19. Mai 1988 
Wingefeid 
Dem ist aber, Herr Buwitt, entgegenzuhalten, daß mit der 
Änderung der Rechtsform die KPM die politisch entscheiden 
de Voraussetzung geschaffen wird, um — ohne daß das 
Abgeordnetenhaus noch jemals Einfluß nehmen kann — den 
Übergang von einer immateriellen Privatisierung, also der 
nackten Rechtsformänderung, zu einer materiellen Privatisie 
rung vorzubereiten. Die F.D.P. hat nie einen Hehl daraus 
gemacht, daß dies ihr angestrebtes Ziel ist und bleibt. Senator 
Wronski weiß auf die Frage, welche Sicherheit denn der Senat 
zu geben bereit sei, daß die KPM im lOOprozentigen Eigentum 
des Landes Berlin bleibt bzw. ihren Manufakturcharakter 
behält und nur so dauerhaft einem kulturpolitischen Auftrag 
nachkommen kann, nur zu antworten, er ginge davon aus, daß 
die CDU auch in der nächsten Legislaturperiode stärkste 
Fraktion im Abgeordnetenhaus sein werde. — Nun, abgese 
hen davon, daß die Berliner Wähler am 29. Januar 1989 das 
entscheidende Wort sprechen werden, aber selbst wenn sich 
Senator Wronski Wunschträume erfüllen sollten, zeigt die 
Erfahrung seit 1981 - und dieses gerade in seinem Verant 
wortungsbereich -, daß der kleine Koalitionspartner F.D.P. 
sich nicht zu schade ist, jede sich bietende Gelegenheit 
auszunutzen, um die stärkste Fraktion zu erpressen um ihre 
wirtschaftsliberalen Ideen und Ideologien zum Tragen zu 
bringen. 
Mithin bleibt festzustellen: Es wird nicht sichergestellt sein, 
daß die KPM das bleibt, was sie 225 Jahre war, nämlich eine 
Manufaktur von hohem künstlerischem Rang, die einer Tradi 
tion und einem kulturpolitischen Auftrag verpflichtet ist. 
[Beifall bei der SPD] 
Darüber hinaus wiederhole ich, daß die Entscheidung, die 
KPM in eine private Rechtsform umzuwandeln, nicht plausibel 
begründet ist. Gerade die KPM hat in den letzten Jahren unter 
Beweis gestellt, daß, wenn die elementarsten Voraussetzun 
gen für dieses Unternehmen geschaffen werden, nämlich eine 
qualifizierte Führung, eine vernünftige Marketing-Strategie, 
die Bereitstellung ausreichender Investitionsmittel und die 
Modernisierung der entsprechenden Produktionsmittel, die 
ses Unternehmen auch unter Beibehaltung der gegenwärti 
gen Rechtsform erfolgreich wirtschaften kann. 
Auch einer weiteren Mär — und ich freue mich, daß gerade 
Herr Landowsky gekommen ist - muß ich hier widerspre 
chen, nämlich, daß es das alleinige Verdienst des CDU-Senats 
sei, daß eine entscheidende Verbesserung der betrieblichen 
Situation in der KPM eingetreten ist. Hier will ich gerade Herrn 
Landowsky daran erinnern, daß sich die CDU unendlich 
schwer getan hat, 1984 einen schon lange fälligen und 
notwendigen Wechsel in der Geschäftsführung der KPM 
herbeizuführen. Es waren die Arbeitnehmervertreter im Ver 
waltungsrat und die IG Chemie, die für einen Wechsel und eine 
effizientere Geschäftsführungsstruktur eingetreten sind. Und 
wenn Herr Senator Wronski nicht aufgrund einer besonderen 
Vertragskonstellation des kaufmännischen Geschäftsleiters 
die Zustimmung von mindestens einem Arbeitnehmervertre 
ter gebraucht hätte, dann hätten wir möglicherweise schon 
heute die in der I. Lesung des Änderungsgesetzes erwähnte 
Mickymaus-Kultur auf dem KPM-Porzellan, und die KPM wäre 
bereits eine GmbH. 
[Landowsky (CDU): Sie gehen nicht sehr freundlich 
mit Ihrem Parteigenossen Grimming um, Herr 
Wingefeid!] 
- Den Namen haben Sie erwähnt, nicht ich. 
[Weiterer Zuruf des Abg. Landowsky (CDU)] 
- Nein, Herr Landowsky, ich bleibe dabei; Die KPM soll der 
Koalitionsräson geopfert werden. Dafür spricht auch der 
Zeitpunkt. Bis zum 16. Juni sollen nach Senatsautfassung alle 
Punkte der Koalitionsvereinbarung abgearbeitet werden, und (C) 
das, was in der Kürze der Zeit nicht mehr zu schaffen ist — 
siehe Privatisierung des Verkehrsamts —, soll auf die neue 
Legislaturperiode vorgetragen werden. 
Für die KPM bedeutet diese wahltaktische Planung, daß sie 
zu einem Zeitpunkt ungeschützt in den Wettbewerb entlassen 
wird, wo ihr andererseits noch wichtige und entscheidende 
betriebliche Voraussetzungen fehlen. Im Produktionsbereich 
des Betriebes stellt sich die Situation sowohl in technischer,' 
baulicher wie aber auch hinsichtlich des Führungspersonals 
noch immer völlig unbefriedigend dar. Wenn der Geschäftlei 
ter der KPM, Herr Karsten, in der Fachausschußsitzung 
feststellt, daß die KPM ausverkauft sei, dann doch nicht 
deshalb, weil sich der Umsatz vervielfacht hat, sondern weil 
; die Fertigung nicht genügend oder nicht in genügender oder 
ausreichender Qualität Waren produzieren kann, ln der tech 
nischen Keramik — auch das ist unter allen Kennern der KPM 
unbestritten — hat sie einen Technologierückstand von mehr 
als zehn Jahren aufzuholen. Das sind alles Faktoren, die 
verständlicherweise von den Beschäftigten gesehen werden 
und zu einer großen Verunsicherung bei den Arbeitnehmern 
führen. Aber einen Verlust von qualifizierten Arbeitnehmern 
kann sich die KPM am allerwenigsten leisten. 
Unter all diesen Gesichtspunkten und in Anbetracht auch 
der Argumente, die schon in der I. Lesung vorgetragen 
wurden, kann einer Änderung des Eigenbetriebsgesetzes, die 
eine Änderung der Rechtsform der KPM mit sich bringt, nicht 
zugestimmt werden und wird daher von uns abgelehnt. — 
Herzlichen Dank! 
[Beifall bei der SPD] 
Alterspräsident Poritz: Für die CDU-Fraktion hat nun der 
Abgeordnete Kittner das Wort. 
Kittner (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich 
hatte schon Sorge, daß der Herr Vorredner gar nicht auf das 
heutige Thema kommen würde, 
[Wingefeid (SPD): Unbegründet!] 
nämlich die Rechtsformänderung bei der KPM. Er hat am 
Anfang Ausflüchte gemacht, er hat 
[Wingefeid (SPD): Den Zusammenhang 
hergestellt!] 
[Dr. Staffelt (SPD): Das war wohl zu hoch für Sie!] 
Er hat hier dann wieder die Mär von der Privatisierung 
verbreitet. Es ist nicht Privatisierung, wie Sie wissen, sondern 
eine Rechtsformänderung! 
Das Schreckensszenario, Herr Kollege Wingefeid, das sie 
hier ausgebreitet haben, was der KPM in der Zukunft bevor 
stünde, wird nicht eintreffen. Sie wissen, daß die Geschäfts 
zahlen sehr positiv sind, daß es Mitte der 80er Jahre einen 
Umschwung gegeben hat. Die neue Geschäftsleitung und die 
Mitarbeiter — das letztere betone ich ganz besonders - 
haben es geschafft, die KPM auf den richtigen Weg zu bringen. 
Und jetzt ist der Zeitpunkt für eine Rechtsformänderung da. 
Wir haben sowohl in der Debatte im Plenum als auch in der 
Diskussion im Ausschuß die Argumente hin und her gewälzt, 
so daß heute weder mein Vorredner noch ich noch meine 
Nachrednerinnen und Nachredner etwas Neues zu dieser 
Frage bringen werden. Aus dieser Sicht bitte ich, mir nachzu 
sehen, daß ich lieber etwas zur Arbeitszeitverkürzung beitra 
ge. Wenn 150 Leute, die hier insgesamt beschäftigt sind, 5 
auf die Bundesebene abgestellt und hat theoretisiert. 
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