Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
74. Sitzung vom 5. Mai 1988
Frau Schmid-Petry
men, den Sie leider beim sozialen Wohnungsbau nicht er
wähnt haben. Ich glaube, es lohnt sich aus unterschiedlichen
Motiven, über diese Eigentumsmaßnahmen aus sozialen
Gründen ein Wort zu verlieren. Ich würde in Frage stellen, ob
wir es wirklich verantworten können, Bürger, die ein relativ
geringes Einkommen haben, in ein Abenteuer zu stürzen, das
„Bau eines Einfamilienhauses“ heißt. Ich bin vielmehr mit
meiner Fraktion der Meinung, daß zahlreiche Familien gerade
mit zuviel öffentlicher Förderung dazu verführt werden, sich
für ein Leben hoch zu verschulden und ein immenses finan
zielles Risiko einzugehen, dessen Ende sie nicht überblicken
können. Sie wissen wie ich, daß nicht selten am Ende eines
solchen Abenteuers die Zwangsversteigerung steht.
Nun haben wir uns die Mühe gemacht, herauszufiltern, wie
teuer das für den Staat wird, wenn man diese Förderungspro
gramme, die man zum Teil nicht mehr überblicken kann,
zusammenzählt. Wir stellen fest, daß im sozialen Wohnungs
bau, 1. Förderungsweg, Mietwohnungsbau, bezogen auf die
Wohnfläche von 100 qm und einer Förderungsdauer von 30
Jahren, öffentlich ein Aufwand zu verkraften ist, der
514000 DM beträgt, was keine Kleinigkeit ist.
Wie sieht das bei den Eigentumsprogrammen aus? Ich
bleibe bei den 100 qm und nehme das Eigentumsprogramm
mit einem Einkommen von 100%. Da sieht man, die Förderung
ist knapp 100000 DM höher. Bei dem Einkommensprogramm
B mit 120% Einkommen sind es immerhin noch 44000 DM
mehr, die gegenüber dem Mietwohnungsbau von der öffentli
chen Hand bezahlt werden müssen.
Nun komme ich zu einem Programm, das wir Liberale mit
großer Skepsis und Sorge sehen — das kosten- und flächen
sparende Bauen, das vom Thema her gut klingt. Wenn Sie sich
da den Förderungsaufwand ansehen, dann liegt dieser um
120000 DM höher, nämlich bei 633000 DM bezogen auf
100 qm und 100% Einkommen. Ich glaube, wir müssen einmal
ernsthaft darüber nachdenken, ob wir dort nicht unseren
Rotstift ansetzen sollten bzw. ob dies auf Dauer finanzierbar
ist. Tun wir damit den Bürgern, den wir helfen wollen, auf
Dauer wirklich einen Gefallen? - Ich bezweifele das.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, die Anzahl der
Mietwohnungen. Ich darf für die F.D.P.-Fraktion sagen, daß
dann, wenn der Zuzug nach Berlin so wie in den letzten drei
Jahren anhält, ich meine Zweifel habe, ob 5000 Mietwohnun
gen pro Jahr im Neubau ausreichend sind. Es ist die Frage, ob
es sozialer Wohnungsbau sein muß. Sie wissen, daß meine
Fraktion dies nicht ausschließlich bejaht, sondern sich eher
für eine Stärkung des 3. Förderungsweges ausspricht.
Ich glaube kritisch anmerken zu müssen, daß das Heil nicht
in der Verhinderung von Abriß zu suchen ist. Der Abriß sollte
nur da verhindert werden, wo wir dies von der Wirtschaftlich
keitvertreten können. Wir müssen auch beim Abriß prüfen, ob
es wirklich wirtschaftlich ist, abrißreife Häuser zu modernisie
ren und zu sanieren, wenn sie nur noch eine kurze Lebensdau
er haben und möglicherweise die Kosten über den Neubauko
sten liegen. So können wir meines Erachtens nicht mit
öffentlichen Geldern umgehen. Wir müssen dort abreißen, wo
wirtschaftlich nichts mehr zu holen ist.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Da muß abgerissen werden, egal ob es uns paßt oder nicht.
Dies ist die Maxime, wie wir sorgfältig und sparsam mit
Steuergeldern umgehen müssen.
Nun lassen Sie mich noch zu Ihren Fragen 10 und 11
kommen. Das ist der alte sozialdemokratische Traum, daß
städtische und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften
bauen sollen. Herr Edel, dagegen habe ich überhaupt nichts.
Wir sind nur der Meinung, daß sich die städtischen und
gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, wenn es um
landeseigene Grundstücke geht, im Wettbewerb behaupten
müssen. Sie dürfen nicht schlechter und nicht besser gestellt (C)
werden. Ich bin aber mit Ihnen der Meinung, daß auch über
Strukturen bezüglich der Bauherren nachgedacht werden soll.
Ich halte es im Prinzip für falsch, daß der Bauherr am Bau des
Hauses so viel verdient und sich möglicherweise keine
Gedanken macht, ob er so sorgfältig gebaut hat, daß er diesen
Wohnungsbau über die nächsten zehn oder zwanzig Jahre
ordentlich vermieten kann. Ich glaube, wir sind nicht gut
beraten, Strukturen zuzulassen, wonach ein Bauherr einen
Mietwohnungsbau erstellt, sich dann zurückzieht und betet,
daß die Gawährleistungsfrist ablaufen möge, ohne daß es für
ihn teuer wird. Wenn dann Schäden eintreten und andere
Personen Probleme mit der Vermietung haben, weil es sich
um Neubauten handelt und es keine finanziellen Mittel für eine
angemessene Sanierung gibt, dann müssen wir neu nachden
ken. Da ist etwas faul, das war früher anders. Da gab es
natürlich mehr private Bauherren, die gebaut haben, um dann
möglicherweise ein Leben lang von den Mieten zu existieren.
Das war in vielen Fällen die Altersvorsorge. Wir brauchen zu
diesem Prinzip nicht so strikt zurückkehren, wir müssen nur
die Verantwortung eines Bauherren für den Bau nicht auf fünf
Jahre begrenzen, sondern diesen Zeitraum verlängern. Und
den haben wir sofort verlängert, wenn der Bauherr mit
demjenigen identisch ist, der nachher für die langfristige
Vermietung sorgen muß. Ich sage Ihnen ganz offen, dazu
wissen wir auch noch keine Patentrezepte, aber lassen Sie
uns gemeinsam über die Strukturen reden.
Meine Damen und Herren von derSPD-Fraktion! Ich glaube,
Sie können mit der Antwort des Senats zufrieden sein.
[Edel (SPD): Da irren Sie sich!]
Der Senator hat Ihre Anfrage umfassend beantwortet. Ich
glaube auch, daß der Senat sich wegen der Baupolitik mit
gutem Gewissen bei den Bürgern sehen lassen kann. Herr (□)
Edel, ich sage Ihnen, Sie haben es völlig richtig formuliert.
„Sicherheit für Sozialmieter“. Und die Koalition garantiert
dafür! - Ich danke Ihnen.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Die Große
Anfrage ist damit erledigt.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 7, Drucksache 10/2161:
Große Anfrage der Fraktion der AL über Pressefreiheit
in Berlin
Zur Begründung hat Frau Enkemann das Wort.
Frau Enkemann (AL); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die AL stellt die Große Anfrage über Pressefreiheit in
Berlin in höchster Beunruhigung. Es häufen sich die Indizien
dafür, daß der Senat in Abstimmung mit der Bundesregierung
einen konzentrierten Angriff auf die Presse- und Informations
freiheit in Berlin eingeleitet hat. Die verbalen Entgleisungen
einzelner Politiker müssen als Indizien und als Teile einer
alarmierenden Strategie gesehen werden.
[Beifall bei der AL]
Es war der Regierende Bürgermeister dieser Stadt, der die
letzte Möglichkeit unabhängiger Kontrolle von öffentlichem
Handeln, wie das die Presse nun einmal darstellt, vor der
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