Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
74. Sitzung vom 5. Mai 1988
Edel
(A) das Vergleichsmietensystem? Was halten Sie von der Rech
nung, die er seinen Mitgliedern vorgelegt hat, nämlich bei
einem Staffelmietvertrag vom 1. April 1988 von einer Miete
beispielsweise von 517 DM in der Zeit bis 1. April 1991 auf
900 DM zu gelangen? Halten Sie das wie ich für moderne
Wegelagerei?
Präsident Rebsch: Herr Senator!
Wittwer, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Abge
ordneter! Staffel ml etverträge sind dem Gesetz nach möglich;
das wissen Sie, Herr Edel!
[Edel (SPD): Nach Ihrem Gesetz, ja!]
- Nein, dem Gesetz nach möglich, das in der gesamten
Bundesrepublik Deutschland gilt.
[Edel (SPD): Das ist ja das Schlimme!]
Nehmen Sie das zur Kenntnis! Aber meine persönliche
Einschätzung über Staffelmietverträge hat nicht direkt damit
etwas zu tun. Wenn solche Fälle, wie Sie sie nennen,
vorgeschlagen werden, dann halte ich das ganz einfach für
nicht besonders sinnvoll und sittlich.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - Abgeordneter
Ingo Schmitt!
Schmitt, Ingo (CDU): Herr Senator Wittwer, Ihnen ist doch
bestimmt noch die Kampagne der SPD in Erinnerung. Wie
(B) können Sie sich das heutige Verhalten der Sozialdemokrati
schen Fraktion in diesem Haus erklären, die offensichtlich
diesem Thema nur noch Desinteresse entgegenbringt?
[Beifall bei der CDU]
Wittwer, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Mich über
rascht die Fragestellung. Sie weisen nach, daß offensichtlich
heute erkennbar geworden ist, daß die Kampagne, bei der
sehr viele Mieter aus Sorge um die Zukunft ihrer Mieten
unterzeichnet haben, eigentlich eine Übertölperung unserer
Mitbürger war.
[Beifall bei der CDU]
Präsident Rebsch; Letzte Zusatzfrage - Abgeordneter Vogt!
Vogt (CDU): Herr Senator Wittwer! Beurteilen Sie nach
diesem von Ihnen vorgetragenen positiven Ergebnis des
Mietspiegels die Angstkampagne der SPD wegen der nun
nicht eingetretenen Mietensprünge als ein in sich selbst - da
bürgerfeindlich - entlarvtes, zusammengebrochenes Ma
növer?
Präsident Rebsch: Herr Senator!
Wittwer, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Ich möchte
ungern in fremdem Kaffeesatz lesen, Herr Abgeordneter Vogt!
Präsident Rebsch; Die Mündliche Fragestunde ist damit
erledigt. Alle Fragen, die nicht mündlich beantwortet werden
konnten, werden schriftlich beantwortet.
Wie vorhin beschlossen, kommen wir jetzt zur (C)
lfd. Nr. 1A:
Erklärung des Regierenden Bürgermeisters über Er
gebnisse und Entwicklungen der Deutschland- und
Berlinpolitik
Das Wort hat der Regierende Bürgermeister.
Diepgen, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! Mei
ne sehr verehrten Damen und Herren! Nach meinem Berliner
Gespräch mit Generalsekretär Honecker am 11. Februar 1988
hatte ich für einen geeigneten Zeitpunkt eine deutschland- und
berlinpolitische Erklärung vor dem Abgeordnetenhaus ange
kündigt. Dieser Zeitpunkt ist jetzt nach einem weiteren Ge
spräch mit Herrn Honecker in Leipzig, nach dem Abschluß
weiterer Vereinbarungen und auch nach meiner Reise in die
Vereinigten Staaten von Amerika gekommen.
Die Deutschland- und Berlinpolitik des Senats will die
Einheit der Nation wahren und entwickeln. Die Politik verfolgt
konsequent die folgenden Ziele:
1. Die Deutschland- und Berlinpolitik soll nach Westen die
Bindungen und Verbindungen Berlins stärken und ausbauen,
also „entwickeln“, wie es im Vier-Mächte-Abkommen heißt.
Das stärkt die Lebenskraft unserer Stadt, das baut Standort
nachteile ab, die sich aus der geographischen und politischen
Lage der Stadt ergeben, und das ist unerläßliche Vorausset
zung für Gewicht und Berechenbarkeit jeder Politik nach
Osten.
2. Die Deutschland- und Berlinpolitik soll die Kommunikatio
nen - ich benutze da wieder einen Begriff aus dem Vier-
Mächte-Abkommen - des Westteils Berlins mit dem Umfeld
vertiefen und den Handlungsspielraum Berlins im Einverneh
men mit der Bundesregierung und den Alliierten erweitern. (D)
Das Vier-Mächte-Abkommen soll in jeder Beziehung strikt
eingehalten, voll angewendet und ausgeschöpft werden. Das
hilft, Probleme im Ballungsgebiet Groß-Berlin zu lösen, die
nur gemeinsam zu lösen sind, das dient der Einheit der Stadt
und den Interessen der Menschen, und das ist ein konstrukti
ver Beitrag Berlins zur Verbesserung der deutsch-deutschen
Beziehungen im besonderen und der West-Ost-Beziehungen
im allgemeinen.
Unbeirrt von Kritik, von Problemen und auch von dem Auf
und Ab jeder Deutschland- und Berlinpolitik hat der Senat an
der Verfolgung dieser Ziele behutsam, aber beharrlich festge
halten.
Nunmehr konnte auch auf der Grundlage dieser Politik
allein in den letzten Monaten eine große Zahl konkreter
Ergebnisse und Fortschritte in der Deutschland- und Berlinpo
litik erzielt werden, wie dies in vielen Jahren zuvor in dieser
Bündelung nicht möglich, ja nicht einmal absehbar war. Ich
beschränke mich hier auf die unmittelbar Berlin betreffenden
Ergebnisse und will 10 Punkte nennen:
1. Das erste und vielleicht für die Berliner wichtigste und
sichtbarste Ergebnis ist die - neben einigen anderen Verbes
serungen beim Reise- und Besucherverkehr - seit dem
1. März 1988 bestehende Übernachtungsmöglichkeit bei Ta
gesbesuchen in Ost-Berlin. Hier hatte es jahrelange Bemü
hungen gegeben, die jetzt zum Erfolg geführt haben. Dabei
geht um mehr als nur um eine Nachbesserung oder den
Vergleich Berlins mit dem sogenannten Kleinen Grenzver
kehr, so wichtig dies auch ist. Die Ubernachtungsregelung ist
ein qualitativer Fortschritt, die Einheit der Stadt und ihrer
Menschen erlebbar zu machen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
2. Am 31. März 1988 konnte die dritte Vereinbarung zum
Gebietsaustausch unterzeichnet werden. Auch hier gab es
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