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Volume Nr. 66, 11. Dezember 1987

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1987, 10. Wahlperiode, Band IV, 50.-67. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
66. Sitzung vom 11. Dezember 1987 
Frau Wiechatzek 
ten werden, um sich vor häuslichen Aufgaben drücken zu kön 
nen. 
[Beifall der Abgn. Frau Korthaase (SPD) 
und Frau Kampfhenkel (SPD)] 
- Bezeichnend ist, daß jetzt nur die Frauen klatschen. - 
[Zurufe] 
Es helfen also keine pauschalen Schuldzuweisungen, wie sie die 
SPD vornimmt, sondern es helfen nur Beharrlichkeit und Durch 
setzungsvermögen auf allen Ebenen. 
[Beifall bei der CDU] 
Noch ist Wahlfreiheit, das müssen wir feststellen, leider, für zu 
wenige Frauen Wirklichkeit. Was wir brauchen, ist Zeit für die 
Familie und Anerkennung der dort geleisteten Arbeit, 
[Beifall bei der CDU und der Frau Abg. Korthaase (SPD)] 
Arbeitszeiten, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und 
Beruf ermöglichen, und schließlich auch planbare Rückkehrmög- 
lichkeiven für Mütter und Väter nach der Familienphase. Deshalb 
begrüßen wir die bundesweit beispielhaften Wiedereingliede 
rungsprogramme des Senats nachdrücklich. Genauso aber muß 
konsequent auch darüber nachgedacht werden, wie während 
der Familienphase die berufliche Qualifikation aufrechtzuerhalten 
ist, wie durch Fortbildungsmaßnahmen, durch Urlaubs- und 
Krankheitsvertretungen die Verbindung zum Beruf nicht abreißt. 
Daher weist die Initiative derCDU-Fraktion über verbilligte Volks 
hochschulkurse für Hausfrauen und Hausmänner bei gleichzeiti 
ger Kinderbetreuung in die richtige Richtung. 
Frauenförderpläne - aber auch die von der CDU forcierte Teil 
zeitoffensive - sind hier sehr hilfreich. Ich freue mich, daß nun 
auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, nach längeren 
Irritationen hier endlich einen deutlichen Schwenk vollzogen 
haben und künftig gemeinsam mit uns - und da wären wir uns 
wieder einig - für mehr qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze streiten 
wollen. 
[Beifall bei der CDU - Frau Korthaase (SPD); 
Mit Rahmenbedingungen, Frau Kollegin!] 
- Frau Kollegin, Sie sehen, wir haben mehr Gemeinsamkeiten, 
als Sie gestern dargestellt haben. 
Viele Frauen arbeiten immer noch in sozialversicherungsrecht 
lich ungeschützten Arbeitsverhältnissen, zu wenige Frauen in 
Berufen mit Aufstiegschancen oder in Leitungspositionen. Nur 
eine kleine hartnäckige Minderheit schafft den Sprung an die 
Spitze. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen stieg müh 
sam in den letzten Jahren auf magere vier Prozent. Der Arbeitsall 
tag in einer von Männern dominierten Wirtschaft ist allerdings 
auch wenig dazu angetan, das nötige Karriereselbstvertrauen bei 
Frauen zu fördern. Männer, so hieß es kürzlich auf einem Frauen- 
Management-Kongreß, empfinden Beförderung als einen ge 
rechten Lohn, Frauen fragen sich erst einmal: Kann ich das über 
haupt? - Frauen - so eine führende Top-Managerin - machen 
so selten Karriere, weil sie eben keine Frau zu Hause haben, die 
ihnen bei der Hausarbeit hilft. 
[Beifall] 
Deshalb stammt auch aus Amerika der erfolgversprechende Kar 
rieretip „Der beste Weg an die Spitze ist, dort anzufangen.“ Dies 
ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es ist schon erstaun 
lich, daß in Berlin jedes dritte Unternehmen von Frauen gegrün 
det wird - und sie machen, wie man mir gesagt hat, auch selte 
ner Pleite, weil sie gelernt haben, mit ihrem Haushaltsgeld gut 
umzugehen. 
[Vereinzelter Beifall] 
Über die bezirklichen Frauenbeauftragten wurde bereits vor 
einer Woche ausführlich diskutiert. Die CDU-Fraktion wertet es 
als Erfolg, daß im Haushalt erstmals fünf Planstellen für bezirk 
liche Frauenbeauftragte eingesetzt wurden und weitere Stellen 
folgen werden. 
[Beifall bei der CDU] 
Ich sage an dieser Stelle: Das soll uns erst einmal ein anderes (C) 
Bundesland nachmachen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.) 
Ein Stück in die Zukunft weisen, trotz aller Kritik von der SPD, 
das Erziehungsgeld und der Erziehungsurlaub. Denn Sie müssen 
zur Kenntnis nehmen, daß bundesweit 97 Prozent der Eltern das 
Erziehungsgeld in Anspruch nehmen - ein großartiger Erfolg, der 
trotz aller Unkenrufe die Richtigkeit der CDU-Politik beweist. 
[Beifall bei der CDU] 
- Natürlich auch die Richtigkeit der Koalitionspolitik - ich merke 
schon, daß auf der rechten Seite jetzt verdächtige Ruhe 
herrscht. 
[Beifall bei der F.D.P.] 
Eine Passage Ihrer Rede, Frau Kollegin Korthaase, geht aber 
nun völlig an der Realität vorbei, nämlich die Aussage zur Ren 
tenpolitik und den angeblichen Versäumnissen der CDU in der 
Familienpolitik. Denn es war die CDU, die die allgemeine Anwart 
schaftszeit für den Bezug einer Rente auf fünf Jahre herabgesetzt 
hat, 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
das ist eine frauenfreundliche Maßnahme. Die gleichzeitige Aner 
kennung eines Erziehungsjahres in der Rentenversicherung pro 
Kind ist doch endlich der Einstieg in die eigene soziale Altersver 
sicherung für Frauen. Bei aller Bescheidenheit, das ist eine histo 
rische Leistung. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß wir Frauen mit einigen 
unserer Überlegungen Neuland betreten, aber wenn bei den letz 
ten Bundestagswahlen jede vierte jüngere Frau nicht gewählt 
hat, wenn bei den letzten Landtagswahlen die Wahlverweigerer 
nach den CDU- und SPD-Wählern die drittstärkste Gruppe 
unter den Wahlberechtigten bilden, müssen wir uns als Politiker 
fragen, was wir falsch machen. Eine Antwort lautet sicher: Was 
wir versprechen, ist mit dem, was wir in der Politik umsefzen, 
nicht immer deckungsgleich, 
[Wieland (AL): Allerdings!] 
- Ja, das gilt aber für alle, Herr Kollege Wieland. 
[Wieland (AL): Wie viele Frauen sind denn in Ihrer 
Fraktion, Frau Kollegin?] 
Denn wenn wir beispielsweise vehement und lautstark für die 
Gleichberechtigung von Frau und Mann streifen, uns aber dann, 
wenn es um die Vergabe von Mandaten und Funktionen an 
Frauen geht, vorsichtig gesagt, sehr schwer tun, dann wirkt das 
auf kritisch gewordene Wählerinnen wenig überzeugend, dann 
kostet das Glaubwürdigkeit. 
[Beifall] 
Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen gerade am 
Ende eines Jahres, das die Glaubwürdigkeit der politischen Par 
teien insgesamt erschüttert hat, auch etwas an unsere eigene 
Adresse sagen. Gerade wir als Politiker sind aufgefordert, 
unsere Positionen immer wieder kritisch zu überdenken. Wir 
müssen uns immer wieder bewußt werden, daß politische Macht 
nur leihweise, also auf Zeit übertragen ist. Wer also Macht in jeg 
licher Form ausübf, muß stets wissen, daß Macht gepaart ist mit 
der menschlichen Ohnmacht. Nur wenn wir uns dieser Unvoll 
kommenheit immer bewußt sind, werden wir unsere eigenen 
Grenzen auch nicht überschreiten. Nur so werden wir unserer 
Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen gerecht; nur so 
können wir vor den Bürgern dieser Stadt, die wir vertreten, be 
stehen. Denn - wenn ich diese persönliche Bemerkung anfügen 
darf - wir können doch alle nicht wollen, daß es unseren Kindern 
eines Tages peinlich ist, daß ihre Eltern Politiker sind. Wir müs 
sen, so fordert daher der — 
[Frau Qelebi-Gottschlich (AL): Selbst schuld!] 
- Ja, dann tun Sie etwas, damit es sich ändert, Frau Kollegin. 
[Beifall und Unruhe bei der CDU] 
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