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Volume Nr. 63, 26. November 1987

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1987, 10. Wahlperiode, Band IV, 50.-67. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
63. Sitzung vom 26. November 1987 
Frau Bm Dr. Laurien 
(A) CDU, liebe Freunde, die mit Nachdruck gesagt hat, daß die 
abgelegte Gesellenprüfung oder Gehilfenprüfung mindestens 
soviel Wert ist wie ein erfolgreich bestandenes Abitur. 
[Beifall des Abg. Dr. Lehmann-Brauns (CDU)] 
Daher begrüße ich Ihren Sinneswandel. 
Sie haben in Ihrer ersten Frage eine seltsame Differenzierung 
vorgenommen, die in einem Punkt sachfremd ist und eine Kon 
kurrenz oder Spannung zwischen vollzeitschulischen und dualen 
Ausbildungsangeboten vermuten läßt, die so wirklich nicht 
besteht. Schulen der beruflichen Grundbildung - das ist also 
jetzt die kritische Bemerkung - gibt es nicht. Es gibt ein schu 
lisches Berufsgrundbildungsjahr. Das wird in Berlin gegenwärtig 
nur in der Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft im Post 
betrieb und im Berufsfeld Drucktechnik sowie in den Bemfsfach- 
schulen für technische Assistenten, Wirtschafterin) und Beklei- 
dungsfertiger(in)/-schneider(in) durchgeführt. Gern berichte ich 
und erinnere auch hier an frühere Auseinandersetzungen, daß es 
die Gewerkschaften waren, die nach einer ersten Zeit der Prü 
fung sehr kritisch zum schulischen Berufsgrundbildungsjahr 
Stellung nahmen und das Kooperative - wie ich übrigens auch - 
stärker bejahten, aber immer wieder - und das ist ein Stück Ge 
meinsamkeit - die berufliche Grundbildung, das Berufsgrund 
bildungsjahr als Teil des dualen Systems sahen. Die neuen Aus 
bildungsordnungen, sei es im Einzelhandel, sei es in Metall, sei 
es in Elektro, sei es in Chemie, enthalten diesen Gedanken inner 
halb des dualen Systems und nicht als ein ausgegliedertes schu 
lisches Angebot. Lassen Sie es mich einmal vom jungen Men 
schen her sagen: Er erfährt sich im Betrieb als Kollege, in der 
Schule als Mitglied seiner Generation und hat in der Gleich 
zeitigkeit Erfahrungen, die ihn manchem Studenten überlegen 
sein lassen. 
Berlin bietet - um Ihre Frage nach der vollzeitschulischen Aus 
bildung aufzunehmen - ein differenziertes Angebot vollzeitschu 
lischer Berufsausbildung in gewerblich-technischen, kaufmänni- 
g, sehen, hauswirtschaftlichen und sozialpädagogischen Berufs 
fachschulen. Dies wird aber von uns nicht als Ersatz, sondern als 
Ergänzung des dualen Systems verstanden. Die Ausbildungs 
gänge der Berufsfachschule für Bauhandwerker und die Berufs 
fachschule für Bekleidungsfertiger(in)/-schneider(in) schließen 
mit der Kammerprüfung nach dem Berufsbildungsgesetz - 
BBiG - ab, sind also in das System hingenommen. Ausschließ 
lich schulische Berufsqualifikation außerhalb des BBiG, wonach 
Sie auch fragen, gibt es in den Assistentenausbildungen, in der 
Berufsfachschule für Hauswirtschaft oder Kinderpflege. Die 
Zahlen in diesen Ausbildungsgängen sind leicht zurückgegan 
gen; es sind jetzt rund 3 500 Schüler. Das heißt, die Vielfalt 
dieser Wege vermeidet jede Ausschließlichkeit und betont die 
grundsätzliche Priorität des dualen Systems. 
Ihre zweite Frage zeigt eine gewisse Überschneidung mit der 
Großen Anfrage der AL Ich bitte um Verständnis, daß ich die 
Antwort nicht noch einmal wiederhole, sondern nur feststelle, 
daß sowohl im öffentlichen Dienst wie im Berufsamt selbstver 
ständlich schon jetzt die Kapazitäten auch für die neugeordneten 
Berufe genutzt werden. Was unter der Überschrift Qualifikation 
zu beantworten war, habe ich bereits in der Antwort auf die 
vorige Große Anfrage aufgenommen. Ich will deshalb hiermit 
Ihre Frage 5 verbinden, wo Sie nach der Nutzung der Kapazi 
täten fragen. 
Dies ist in der Tat ein bedenkenswerter Punkt. Lassen Sie 
mich aber mit allem Nachdruck sagen: Noch - und das betonen 
Sie sonst auch immer - ist nicht die Zeit gekommen, daß man die 
Ausrüstung in den Oberstufenzentren für Fort- und Weiter 
bildungsangebote anderer Träger nutzen könnte. Noch gibt es in 
diesen Einrichtungen Spitzenbelastung. Aber ich will Ihnen gern 
pauschal und in einer gewissen Oberflächlichkeit sagen: So, wie 
wir Sporthallen nicht nur schulisch nutzen, sondern auch 
anderen Trägern im öffentlichen Interesse Möglichkeiten eröff 
nen, wird dieser Senat in seine Überlegungen, wenn die Spitzen 
nachfragen überstanden sind, durchaus dem Gedanken nahe 
treten, anderen Trägem beruflicher Weiterbildung, Kammern 
oder was immer es sei, die Nutzungsmöglichkeit zu erschließen. 
Allerdings lassen Sie mich realistisch hinzufügen: Das müssen 
dann aber auch Nutzer sein, die die Benutzbarkeit für die Berufs 
schule nicht in Frage stellen, sondern es muß der Erhalt der 
Werkstattausrüstung gesichert sein. In diesem Punkt haben wir 
immer die Meinung: Was mit Steuergeldern finanziert ist, kann 
nicht allein für schulische Nutzung zur Verfügung stehen, son 
dern kann auch anderen geöffnet werden. 
Ihre dritte Frage - Benachteiligung der Berufsschulen - könn 
te ich, wenn ich die Zeit außer acht ließe, mit bundesweiten Ver 
gleichen beantworten. Sie würden erkennen, daß die Lehrer- 
Schüler-Relation in Teilzeitberufsschulen Berlin in bester Posi 
tion zeigt, und der Abstand der anderen Länder ist gravierend. 
Die Lehrer-Schüler-Relation in der Vollzeitberufsschule zeigt 
Berlin wieder in bester Position, aber der Abstand zu den 
anderen Ländern ist kleiner. Ob ich 11,3 oder 11,8 habe, ist ja 
nicht so aufregend; in dem anderen Bereich, wo wir 25 oder 28 
haben, haben andere Länder 51. Das ist schon erheblich. 
Lassen Sie mich auf Berlin bezogen sagen: Hier ist keine 
Benachteiligung vorhanden, weder in Klassenfrequenzen und 
Teilungsstunden noch etwa in Lehrerzahlen. Ich nenne Ihnen ein 
mal die Klassengröße: Oberstufenzentren 22 bis 25 Schüler; in 
den Klassen 7 bis 10 von Realschule, Gymnasium und Gesamt 
schule 26 bis 27. Fachpraktischer Unterricht an berufsbildenden 
Schulen wird grundsätzlich geteilt, um nur diese wenigen Bei 
spiele zu nennen. Was die Anrechnungsstunden für die Lehrer 
angeht, so stehen insbesondere den Oberstufenzentren hohe 
Ansätze zur Verfügung. 
Sie haben in Ihrer Frage kritisch angemerkt, wenn auch zwi 
schen den Zeilen, daß doch wohl der Schwerpunkt der pädago 
gischen Verbesserungen die Berufsschulen noch nicht erreicht 
hätte. Der Schülerzahlentwicklung und damit den Lehrerüber 
hängen folgend haben wir in der Tat zuerst auf die Grundschule 
gesetzt mit über 600 Stellen. Ich stelle fest: Wir sind offenbar die 
bessere SPD, weil wir die Bedeutung des frühen Lernens, den 
Beginn der Schullaufbahn dadurch betont haben. Wollen Sie 
das kritisieren? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. 
Innerhalb der Berufsschule nun - und da kommt ja jetzt erst 
langsam der Überhang an, während in den Grundschulen schon 
wieder eine gestiegene Nachfrage ist - ging es um schülerbezo 
gene Verbesserungen. Ich kann Ihnen allein aus diesem, jetzt lau 
fenden Schuljahr sagen: 29 zusätzliche Stellen sind besetzt wor 
den für vermehrten Berufsschulunterricht und die Einrichtung 
neuer Ausbildungsgänge, für die Erhöhung von acht auf zwölf 
Stunden. 
Der Stellenbedarf der Neuordnungen, den Sie angesprochen 
haben, ist Bestandteil unserer Finanzplanung und selbstver 
ständlich drin. 
Auch Fortbildungsmaßnahmen und Informationspraktika sind 
allein in diesem Schuljahr mit vielen Stellen drin; darauf komme 
ich bei Frage 9, um das nicht zu zersplittern. 
21 Stellen hat dieser Senat eingesetzt, um die Lehrer zu ent 
lasten, die in hohem Umfang an Kammerprüfungen teilnehmen. 
Die heute so kritisch fragende Opposition hat das, als sie Regie 
rungsverantwortung trug, nicht beachtet! Jedes neue Oberstu 
fenzentrum erhält neben dem Lehrerpersonal, wie Sie ja wissen, 
auch zusätzlich weiteres Personal. Allein für den Haushalt 1988/ 
89 sind 27 Stellen dafür vorgesehen. Ich weiß also nicht, wo Sie 
hier von Benachteiligung sprechen wollen. 
Auf Ihre Frage 4 könnte ich mit zwei Wörtern antworten, näm 
lich: „sehr gutl“ Ich will das aber doch noch ein wenig verdeut 
lichen und mit einer Zahl belegen: Wenn wir nämlich die Qualität 
der Oberstufenzentren ansehen, dann ist sie vortrefflich. Die ein 
zigen Ausnahmen noch, Farbtechnik, Kraftfahrzeugtechnik, die 
werden jetzt erst fertig. Aber wenn Sie nun sagen, wie denn die 
zuständigen Bezirke das hätten schaffen können, dann nenne ich 
die Zahl: Allein zur Einführung neuer Technologien im Rahmen 
der neugeordneten industriellen Metall- und Elektroberufe haben 
wir - 1987 beginnend und bis 1991 eingeplant - 14,3 Millionen 
DM im Plan. Ich gestehe: Ohne die Frage der Opposition hätte 
ich das als ein Brüsten mit Erfolgen gewertet, deshalb bedanke 
ich mich, daß Sie mir die Gelegenheit geben, das zu nennen. 
Das ist eine gute Zusammenarbeit!
	        
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