Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
63. Sitzung vom 26. November 1987
(A) Präsident Rebsch: Nunmehr hat die Kollegin Vonnekold das
Wort.
Frau Vonnekold (AL): Meine Damen und Herren! Für die AL
möchte ich erklären, daß wir in der Beratung der Vorlage dem
grundsätzlichen Anliegen positiv gegenüberstehen. Es ist ver
nünftig, die beiden mit Wasser - in welcher Qualität auch immer
- befaßten Betriebsteile zusammenzufassen. Wir versprechen
uns davon unter anderem wenn auch - wenn sowohl die
Beschaffung von Trinkwasser wie auch die Entsorgung zusam
mengefaßt werden -, daß sich in dem Betrieb ein stärkeres
Bewußtsein von Wasserqualität durchsetzen läßt. Daher stehen
wir dieser Vorlage zunächst grundsätzlich positiv gegenüber.
Wir sehen allerdings einige Probleme, die wir vermutlich im
Ausschuß diskutieren können, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Einmal haben wir noch gewisse Sorgen, wie garantiert werden
kann, daß die Fusion nicht zu Lasten von Arbeits- und Ausbil
dungsplätzen geht, daß nicht im Zuge dieser Fusion Arbeitneh
merrechte gleich „miterledigt“ werden.
Nach den Erfahrungen der letzten Diskussion über Eigen
betriebe - das werden Sie uns zugestehen -, haben wir natürlich
auch den dumpfen Verdacht, daß immer, wenn aus bestimmten
Ecken Änderungen in den Eigenbetrieben dieser Stadt angeregt
| werden, es mal wieder darum geht, festzustellen, daß nicht
wieder in irgendeinem Eigenbetrieb eine gewinnträchtige Ecke
zu finden ist, die man dann dem berühmten „freien und gleich
berechtigten Wettbewerb“ übergeben könnte. Deshalb haben
wir zu dieser Gesetzesvorlage noch einige Fragen, aber ich habe
nicht die Absicht, jetzt sämtliche Grundsatzprobleme der Eigen
betriebe, die wir heute vermutlich noch in kritischer Breite - wir
haben dafür noch Zeit - diskutieren können, jetzt daran anzu
schließen.
[Dr. Staffelt (SPD); Nur los!]
- Ach, ich mache das auch gern abends um elf Uhr; deshalb
(B) habe ich überhaupt keine Probleme.
Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr Herr Abgeord
neter Kammholz.
Kammholz (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Die Vorlage als solche ist zwischen allen Fraktionen unstrit
tig; dazu braucht man sich gar nicht mehr zu äußern.
[Wieland (AL): Dann lassen Sie es doch!]
Herrn Staffelt habe ich so verstanden, daß er es als zweck
mäßig ansähe, die BSR-Tarifvorlage um eine Änderung des
Eigenbetriebsgesetzes zu ergänzen, damit klargestellt ist, daß
auch die BSR in einem bestimmten Bereich - dem sogenannten
Wettbewerbsbereich - nicht an die Tarife gebunden ist und hier
gewinnorientiert zu arbeiten hat. Herr Staffelt, da sind wir gar
nicht weit auseinander. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich
vor der Sommerpause im Ausschuß dies angeregt. Der Senator
war der Meinung, daß die derzeitige Fassung des Gesetzes das
Operieren der BSR im Wettbewerbsbereich außerhalb der be
schlossenen Tarife ermöglicht. Deshalb ist es zu dieser Ände
rung des Eigenbetriebsgesetzes nicht gekommen. - Weil Sie
der große Fürsprecher; ich will einmal den Ausdruck benutzen,
den Sie so gerne verwenden: der große Lobbyist der BSR in
diesem Hause sind - verstehe ich nicht, weshalb Sie der BSR
diesen Tort antun wollen.
[Dr. Staffelt (SPD); Sie haben wieder einmal überhaupt
nichts verstanden. Das merkt man!]
Denn die Rechtsauffassung des Senators ist auch darin begrün
det, daß alles andere bedeuten würde, daß die BSR sich an die
im Abgeordnetenhaus beschlossenen Tarife zu halten hat, und
das würde sie im Wettbewerbsbereich natürlich von Stund an
nicht wettbewerbsfähig -, daß das derzeitige Eigenbetriebs
gesetz das Operieren mit freien Preisen nicht hergibt, dann ge
ben Sie natürlich, wie das immer von der BSR befürchtet wurde,
das Unternehmen BSR in diesem Bereich in eine Situation, in
der es erhebliche Wettbewerbsnachteile hat. Das haben Sie (C)
sicherlich nicht bedacht in Ihrer rechtlichen Äußerung,
[Abg. Dr. Staffelt (SPD) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
Die Konsequenz für die BSR wäre wohl, solange diese Eigen
betriebsgesetzänderung nicht durchgeführt ist, eine ziemlich
schreckliche.
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie eine Nachfrage,
Herr Kollege?
Dr. Staffelt (SPD): Schönen Dank, Herr Präsident! Minde
stens für das Protokoll: Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kennt
nis zu nehmen, daß ich nicht der Auffassung bin, daß eine
Gewinnorientierung bei der BSR erforderlich ist, und daß ich nur
für eine konsequente Einhaltung von Rechtsnormen bin und daß
ich der Auffassung bin, daß das, was Sie uns hier vorlegen, in
diesem Zusammenhang nicht hinreichend und nicht zulässig ist?
Kammholz (F.D.P.): Da Sie uns nicht von der Richtigkeit
unserer Politik abbringen werden, Herr Staffelt, müßten Sie uns
dann lediglich unterstützen - falls wir zu Ihrer Rechtsauffassung
kommen -, entsprechende Konsequenzen ziehen, die zumindest
zwischenzeitlich einen Nachteil für die BSR bedeuteten.
Stellv. Präsident Longolius: Weitere Wortmeldungen lie
gen nicht vor. Wir können deswegen über die Überweisung ab
stimmen. Der Ältestenrat empfiehlt, den Gesetzentwurf an den
Ausschuß für Verkehr und Betriebe zu überweisen. Bei Zustim
mung bitte ich um Ihr Handzeichen. - Danke; das ist beschlos
sen.
[Wieland (AL); Sind wir überhaupt beschlußfähig?]
Dann kommen wir zur
Lfd. Nr. 4:
a) Drucksache 10/1849:
I. Lesung des Antrages der Fraktion der SPD
Uber Erstes Gesetz zur Änderung alliierter
Vorschriften
b) Drucksache 10/1850:
I. Lesung des Antrages der Fraktion der SPD
über Zweites Gesetz zur Änderung alliierter
Vorschriften
c) Drucksache 10/1851:
I. Lesung des Antrages der Fraktion der SPD
über Drittes Gesetz zur Änderung alliierter
Vorschriften
d) Drucksache 10/1852:
Antrag der Fraktion der SPD über Überarbeitung
des Besatzungsrechts
Das Wort in der Beratung hat der Kollege Löffler.
Löffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren! Die Anträge, insbesondere die drei Gesetzes
anträge der SPD-Fraktion beruhen - erstens - statusrechtlich
auf der Erklärung der drei westlichen Schutzmächte vom 5. Mai
1955. In dieser Erklärung - im Abschnitt 6 - haben die drei
Schutzmächte den Berliner Gesetzgeber ermächtigt, auch alli
ierte Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern, allerdings
mit der Maßgabe, daß vor Inkrafttreten solcher Gesetze des Ber
liner Gesetzgebers die Alliierten ihre Zustimmung erteilen
müssen.
Im Jahr 1958 hat das Abgeordnetenhaus erstmals von dieser
Ermächtigung Gebrauch gemacht und in zwei Aufhebungs
gesetzen, wodurch insgesamt 179 alliierte Vorschriften - Geset-
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