Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
50. Sitzung vom 29. April 1987
Frau Bm Dr. Laurien
(A) oder wenn er in einer Situation, in der glatter Rechtsbruch voll
zogen wird, diesen toleriert oder wenn er - um es einmal etwas
plastischer zu sagen -, wenn Schüler einen sogenannten Schul
streik machen, nur Begleitung vollzieht. Für uns bedeutet es
nicht mehr Aufsicht, wenn man nichts dagegen tut, wenn Schü
ler unter Selbstgefährdung auf Dächer steigen und dort Särge
installieren. Darunter kann man keineswegs mehr das Wahr
nehmen der Aufsichtspflicht verstehen.
Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, jemand, der sich bewirbt,
zu nehmen; und in diesem Fall ist der einzige Bewerber nicht
genommen worden. Die Stelle wurde erneut ausgeschrieben -
und genau hier setzt nun die Problematik ein. Ob man die
Leistung eines Stellvertreters, dem es innerhalb von zwei Jahren
nicht gelungen ist, zu einem Konzept der Schule zu kommen, das
den KMK-Vorschriften, dem Parlamentsbeschluß, dem hohen
Entgegenkommen von uns entspricht, als qualifiziert oder un
qualifiziert bezeichnet, will ich einmal dahingestellt sein lassen,
aber nun kommt das ganz Entscheidende: Nachdem der Dienst
herr von seinem Recht, einen Bewerber nicht zu nehmen, aus
Gründen, die mir nach Kenntnis der Lage absolut akzeptabel, ja
sogar pflichtgemäß erscheinen, Gebrauch gemacht hat, setzte
eine wahre Streik- und Terrorszene ein, setzte das Stürmen, das
Beschmieren von Gebäuden ein, das Besetzen - zum Beispiel -
eines Hotels bei einem Empfang für den Landesschulbeirat. Ich
habe selbst bei diesem Empfang auf das Hausrecht hinge
wiesen, und man wich erst, als ich sagte, daß wir die Polizei um
Räumung bitten werden. Wenn man auf diese Weise Terror
setzt, wenn man andere Schüler auffordert, mit den Streikmaß
nahmen zu sein, wenn man die Senatsschulverwaltung stürmt,
Sachbeschädigungen vollzieht, „Laurien verrecke“ an die
Wände sprüht, dann ist damit eine Szene bezeichnet, die sich
durch Rechtsbruch und auch durch agitative, aggressive Hal
tung selbst richtet. Und wenn man dann auch noch - übrigens
ohne Urlaubsantrag - die Schule verläßt, wenn man das Rathaus
stürmt und wenn derjenige, um den es hier geht, dann auf Be-
fragung durch einen zuständigen Beamten - das wird der ein-
' zige, die Person kennzeichnende Satz sein; hierbei nehme ich
Bezug auf die Frage des Herrn Abgeordneten Kuhn, in der es
heißt, wie denn wieder Ruhe einkehren könnte wörtlich - nach
Protokoll - geantwortet hat: „durch die Rücknahme der Perso
nalentscheidung und die sofortige Genehmigung des Antrages
der Schule“, so ist damit die Lage beschrieben.
- Verzeihen Sie, ich bin gern bereit, auch kürzer zu antworten. (C)
Aber hier geht es, lieber Herr Nagel, um ein Thema —
[Staffelt (SPD): Nein, nicht schon wieder!]
- Schon wieder! Jetzt mache ich es nie wieder. Sie wissen, ich
habe dies jetzt aber absichtlich gemacht, das muß ich zugeben,
denn Sie wissen, daß wir darüber ja einmal furchtbar gelacht
haben und ich mich entschuldigt habe. Und ich habe dies jetzt
sehr bewußt mit einem Stückchen Humor auch in ernster Situa
tion gemacht.
Jetzt komme ich aber zurück auf das Thema, Jetzt kommen die
Vertreter der Schule, bauen falsche Alternativen auf, und Herr
Raschert schildert dann, wer soziales Lernen für wichtig hält,
darf nicht das Fachlehrerprinzip ablehnen und so fort. Und er
sagt: Die Entwicklungen hier geben Anlaß zur Besorgnis.
Gesamtschule würde sonst zum Sammelbegriff für Ungeprüftes,
Undurchsichtiges und Unverantwortbares. - Und weil nun nach
der Nichtakzeptanz der Bewerbung ein wirklich überraschendes
Verhalten des amtierenden Schulleiters gegeben war, ist ihm
dies von der Schulaufsicht eröffnet worden und ist er von der
Wahrnehmung der kommissarischen Schulleitung dispensiert
worden.
[Kuhn (AL): Auch als Lehrer rausgeschmissen
und mit Hausverbot belegt!]
- Verzeihen Sie: Erstens ist danach nicht gefragt.
[Kuhn (AL): Natürlich!]
Dann können Sie die Ereignisse, die sich dann abgespielt haben,
auch erfahren, daß zum Beispiel der Schulleiter ohne Antrag,
also der Lehrer, ohne Antrag die Schule verlassen hat, eine Kon
ferenz wahrgenommen hat, daß er seinen Aufsichtspflichten
nicht nachgekommen ist, daß er eine Art Streik organisiert hat.
Daraufhin hat er Hausverbot an der Schule bekommen. Das sind
aber nacheinander sehr verschiedene Schritte. Und ich möchte
mit allem Nachdruck betonen, daß das Verhallen, wie es hier zu
bemerken ist, den Ruf der Berliner Schule schlechthin gefährdet,
und das darf nicht der Fall sein!
(D)
[Beifall bei der CDU - vereinzelter Beifall
bei der F.D.P.]
Und da muß ich zum Antrag der Schule noch ein paar Bemer
kungen verschwenden. Die Schule hatte beantragt, außerhalb
des KMK-Modells arbeiten zu können. Ihr ist bereits 1986 mit
geteilt worden, daß dies nicht geht. Meine Anträge - - Das habe
ich im Parlament alles schon einmal dargestellt, und es hat eine
erfreulich sachliche Diskussion im Schulausschuß mit der Be
jahung unseres Konzepts durch die Stimmen von SPD, F.D.P.
und CDU gegeben. Diese Aussage also, daß das KMK-Modell
zu erfüllen ist, haben wir damit beantwortet, daß wir bis zum
absolut Möglichen Ausnahmeregelungen zugelassen haben, die
sich als besonderes Organisationsmodell darstellen in der Diffe
renzierung, in der Beurteilung und so fort, ich will das nicht alles
darstellen, das ist ja auch bekannt genug. Auf einmal bricht im
Dezember die Schule wieder aus dem Konsens aus und beginnt
dann 1987 in sämtlichen Gremien mit allen Mitteln wieder ihr
Modell, das die autonome Schule will, das keine Benotung Vor
sicht, das die verbale Beurteilung will, das ganz klar die Nicht
anerkennung dieser Zeugnisse zur Konsequenz hat - ich sage
nicht: zum Ziel hat, sondern: zur Konsequenz hat will dieses
Modell wieder durchsetzen. Dieses Modell fordern zu wollen
heißt, die Schüler nicht anerkannten Zeugnissen auszuliefern.
Sie wissen, daß ich in der Vergangenheit manche sachliche
Schlacht mit Herrn Professor Raschert in Schulfragen geführt
habe. Für seine - ich muß schon sagen - bewegende Sachlich
keit spricht, daß er mir mit Datum vom 22. 4„ wahrhaftig durch
mich unaufgefordert, einen Brief geschickt hat, aus dem ich nur
einiges vorlesen möchte.
[Staffelt (SPD): Nicht mir Fragen, auch Antworten
sollen kurz sein!]
Präsident Rebsch: Zur ersten Zusatzfrage der Fragesteller.
Bitte sehr, Herr Kuhn!
Kuhn (AL); Ich finde schon traurig, daß Herr Raschert in
zwischen als Kronzeuge für CDU-Bildungspolitik herhalten muß.
Ich finde es schon erstaunlich bei der Liste von Tatbeständen,
die Sie aufführen.
Präsident Rebsch; Herr Kuhn, bitte die Frage!
Kuhn (AL); Ja, ich komme auch dabei gleich zu der Frage,
denn im ersten Teil ist meine vorige Frage nicht ganz beantwortet
worden. Die Ersetzung des Schulleiters - wobei man darüber
uneinig sein kann, wie sein Verhalten zu bewerten ist - durch
zwei Kollegen, die haben Sie noch nicht beantwortet. Ich würde
gern wissen wollen, ob es zutrifft, daß die beiden abgeordneten
Kollegen, nachdem sie erfahren haben, in welchen Gesamt
zusammenhang sie dort gestellt werden, von ihrer Abordnung
entbunden werden wollen, die Schulverwaltung sich jedoch
weigert, dies zu vollziehen, weil das ja ein Eingeständnis wäre,
daß der Versuch gescheitert ist, ein engagiertes Kollegium durch
die Suspendierung des kommissarischen Schulleiters zu be
strafen für ihr geschlossenes Auftreten, damit sie sich wider
standslos damit abfinden, daß wesentliche Teile ihres pädagogi
schen Konzeptes gestrichen werden sollen.
3049