Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
58. Sitzung vom 10. September 1987
Kammholz
(A) kann man dann auch dort ansiedeln. Wir sind aber bereit, inso
weit Geduld aufzubringen, werden aber auf diesen Punkt zumin
dest dann zurückkommen, wenn neue Stellenanforderungen
gestellt werden.
[Beifall bei der F.D.P.]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat der Abge
ordnete Wieland.
Wieland (AL): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Der SFB hat leider versäumt, bei dieser Großen Anfrage einen
Lehrfilm zu drehen: „Lebendiger Parlamentarismus“. Das bis
herige Geschehen hätte sich phantastisch dazu geeignet: Die
einen lesen die „Bild“-Zeitung, gehen zum „Anwaltsblatt“ über;
der Kollege Dr. Staffelt verteilt Fotos, die sich alle ansehen. Ich
spekuliere nicht, ob es Bilder von seiner Hochzeit sind; das steht
mir nicht an.
[Dr. Staffelt (SPD): Das waren Fotos von Walter Momperl]
Senator Wronski kämpft mit dem Einschlafen, und man fragt sich
tatsächlich, was das Ganze, was diese Große Anfrage zu dieser
Zeit eigentlich soll.
[Frau Bm Dr. Laurien; Er ist hellwach!]
- Gut! Ich freue mich, daß er jetzt wach geworden ist. Ich freue
mich auch, daß der Kollege Rösler jetzt das „Anwaltsblatt“ aus
der Hand gelegt hat; aber man fragt sich schon, was eine solche
Anfrage um diese Zeit mit einer derartigen Beteiligung eigentlich
soll.
[Buwitt (CDU): Was soll denn dieser Quatsch?
Sie halten uns damit nur auf! -
Zuruf von der FDP,: Was wollen Sie da vorn?]
- Endlich kommt einmal eine gewisse Konzentration auf!
B) Ich muß feststellen, daß diese Große Anfrage mehr ver
schleiert als sie aufzudecken vorgibt, daß diese Große Anfrage
das Wesentliche gerade nicht sagt, nämlich daß die seinerzeit im
Rahmen der „großen Lösung“ vorgenommene Trennung von
Meldebehörde und Vollzugspolizei von der Polizei durch techni
sche Maßnahmen seitdem unterlaufen wird, daß wir durch die
Maßnahmen, die schon im Meldegesetz so angelegt waren, näm
lich durch den Datenfluß, heute eine Situation haben,
(Palm (CDU): Der Kollege da liest den „Stern“!]
bei der zwar die Räume getrennt sind, bei der sich die Beamten
sozusagen räumlich auseinandergesetzt haben, bei der aber ver
mittels des Datenflusses genau das gleiche geschieht, was vor
her geschah.
[Palm (CDU): Da wird sogar gestrickt!]
Die §§ 25 und 26 des Meldegesetzes haben diese Übermittlun
gen für zulässig erklärt; was aber übermittelt wird, steht lediglich
in der Anlage 4 zur Durchführungsverordnung zum Meldegesetz.
Da gibt es zum Beispiel unter Ziffer 8 so interessante Dinge wie
die „beobachtende Fahndung“, die mit Hilfe des Datenbestands
aus dem Einwohnerwesensystem gemacht wird. Ferner gibt es
solche Dinge wie den wöchentlichen Fahndungsabgleich des
gesamten Datenbestands des Landeseinwohneramtes bei
spielsweise mit dem Informationssystem Verbrechensbekämp
fung. Dazu hat im Innenausschuß Herr Fleck von der Senatsver
waltung für Inneres am 9. März dieses Jahres folgendes gesagt:
Einmal in der Woche lasse die Meldebehörde aus dem
Melderegister, das im Auftrag des Landeseinwohneramtes
beim Landesamt für Elektronische Datenverarbeitung
geführt werde, ein Magnetband erstellen, das jeweils den
Namen, Geburtstag, Geburtsort, ggf. auch Sterbetag und
Sterbeort der Personen enthalte, die nach Berlin zugezo
gen, hier umgezogen oder verstorben seien. Dieses werde
zur Fortschreibung und Berichtigung der Fahndungsunter
lagen der Polizei mit dem ebenfalls beim Landesamt für
Elektronische Datenverarbeitung geführten Datenbestand
des Polizeipräsidenten im Rahmen des 1SVB abgeglichen.
Das heißt: Sämtliche 1,4 Millionen Daten, die in diesem Informa
tionssystem Verbrechensbekämpfung enthalten sind, werden
mit dem Datenbestand regelmäßig wöchentlich abgeglichen.
Aber die Rechtsgrundlage, die nach dem Volkszählungsurteil für
so etwas alles vorhanden sein sollte, nämlich für die Frage, wer
von wem zu welchem Zweck Daten erhält, gibt es überhaupt
nicht, sondern es gibt in dieser Anlage zu der Durchführungs
verordnung lediglich einen Hinweis darauf, daß dies geschieht.
Im übrigen stellen die Daten, die dort übermittelt werden, genau
als Ordnungsmerkmal das PKZ, das Personenkennzeichen, dar,
das nach allgemeiner Ansicht - auch nach der Ansicht, die Herr
Benda in seinem Gutachten erwähnt hat - verfassungswidrig ist,
das vom Bundestag deshalb auch nicht eingeführt wurde. In der
Form, wie die Daten hier übermittelt werden, liegt genau ein
solches Personenkennzeichen.
Die weiterhin gestellte Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen
denn getroffen würden, daß die Vollzugspolizei außerhalb der
Dienstzeiten und so weiter nicht an diese Daten herankommt,
wurde völlig unzulänglich beantwortet; denn es ist bekannt -
jeder weiß es -, daß die Vollzugspolizei im sogenannten Online-
Verfahren Zugriff auf die Daten des Landeseinwohneramtes neh
men kann. Staatssekretär Müllenbrock hat in der Sitzung des
Innenausschusses bereits im letzten Jahr am 10. März gesagt,
daß man ab Juli 1986 so verfahren wolle - und so wird auch ver
fahren. Nach einer Presseinformation des Polizeipräsidenten ist
ein Terminal-Netz eingeführt worden; und dieses Netz besagt
folgendes - ich zitiere -:
Von einem Bildschirmarbeitsplatz können Daten aus allen
jeweils für den polizeilichen Zugriff zugelassenen Informa
tionssystemen abgerufen werden, zum Beispiel Einwohner
daten, Kfz-Daten, Daten aus den Karteien des Bundeskrimi
nalamtes und des Informationssystems für Verbrechens
bekämpfung in Berlin.
So läuft diese Anforderung der Daten im Online-Verfahren, und
es ist völlig aberwitzig, danach zu fragen - wie Sie es in Ihrer
Frage 4 getan haben -, welche Vorkehrungen denn außerhalb
der Dienstzeit getroffen wurden. Natürlich gar keine! Es kann ein
direkter Datenzugriff vorgenommen werden von der Vollzugspoli
zei. Das geht dann so - das will ich abschließend erläutern
das ist die sogenannte Monopolabfrage bei Personalienüberprü
fung ; da fragen Beamte die Personalien über Funk in der Einsatz
leitzentrale in der Friesenstraße ab, der Beamte dort hat den
Online-Anschluß an das EWW; früher hat er einen extra Terminal
gehabt, jetzt kann er dieses TRANSDATA-System benutzen, und
dann bekommt er über den formatierten Bildschirmauszug, so
heißt das, sowohl die Hinweisdatenfelder, zum Beispiel die
Angabe, ob sie besetzt sind, ob da in Ziffer 1 steht, daß jemand
zum Selbstmord neigt, und so weiter; er hat vollen Zugriff auf die
Daten, die da sind.
Von da her verschleiert sowohl das, was Sie hier gefragt
haben, als auch die Beantwortung das eigentliche Ausmaß des
Datenflusses, der dort stattfindet.
Abschließend ist festzustellen, daß die sogenannte große
Lösung, die Trennung von Meldebehörde und Polizei, eigentlich
eine Entpolizeilichung der Ordnungsverwaltung bringen sollte,
daß sie deutlich machen sollte, daß das Verhältnis von Sicher
heitsbelangen und Persönlichkeitsschutz ausgewogen, in zwei
Händen sozusagen, sein sollte. Die Intention war, wegzukommen
vom Meldewesen als sicherheitspolizeilichem Element hin zu
einem Informationssytem für kommunale Dienststellen. Bei den
von mir geschilderten Zugriffsmöglichkeiten der Vollzugspolizei
kommt nun durch die Hintertür, präziser über den Online-
Anschluß, das Meldewesen genau wieder in den direkten polizei
lichen Zugriff. Dann hätte man sich die ganze Operation auch
sparen können. Wir fordern nach wie vor, daß die Meldestellen in
die Bezirksämter kommen, weg von den Polizeiabschnitten, und
wir fordern nach wie vor, daß eine strenge abschließende Auf
listung, in welchen Fällen die Polizei Personenüberprüfungen
und Datenüberprüfungen durchführen darf, in dem zu novellie
renden ASOG vorgenommen wird.
[Beifall bei der AL]
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