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Volume Nr. 53, 21. Mai 1987

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1987, 10. Wahlperiode, Band IV, 50.-67. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
53. Sitzung vom 21. Mai 1987 
Wagner, Jürgen (SPD): Herr Senator Turner, wie bewerten 
Sie die herbe Kritik des Wissenschaftsrates - im Gegensatz zu 
der Euphorie Ihres Kollegen Fink die er an der Forschungs 
arbeit im Klinikum Steglitz vorgenommen hat - ganz im Gegen 
satz zu dem Klinikum Westend, das Sie jetzt zerstören wollen -, 
und der mangelnden Einwerbung von Drittmitteln am Klinikum 
Steglitz? 
Stellv. Präsident Longolius; Herr Senator! 
Dr. Turner, Senator für Wissenschaft und Forschung: Herr 
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wissenschaftsrat hat 
in den bisher vorliegenden Entwürfen und Empfehlungen die 
wissenschaftliche Leistung der beiden Klinika gewürdigt; er hat, 
um den hohen Standard in Charlottenburg erhalten zu können, 
die Verlagerung empfohlen, und zwar deswegen, weil am Platz 
Charlottenburg der Erhalt dieses Standards nicht gewährleistet 
ist. Das ist eine Aussage, die dieser Entwurf enthält. 
Die Kritik am Klinikum Steglitz ist eine Feststellung: es 
wird da nicht nach Ursachen gefragt. Ich wäre in der Lage, Ihnen 
ein paar Ursachen zu nennen, weil ich das für manche 
zweifelhafte Vergnügen hatte, im Jahre 1971/72 einer Kommis 
sion anzugehören, die von dem damals Regierenden Bürgermei 
ster Schütz eingerichtet worden ist, die sich über den Zustand 
an den Berliner Universitäten unterrichten und ein Gutachten ab 
geben sollte, was sie auch getan hat. Aus meiner damaligen 
Arbeit ist mir bekannt, daß insbesondere die Atomisierung der 
Abteilungen, eine völlig überzogene Gremienstruktur und ein 
Hineinreden von nicht kompetenten Leuten in medizinische 
Angelegenheiten eine Beeinträchtigung der Forschungsleistun 
gen begründet und dazu beigetragen hat, daß heute trotz vieler 
Anstrengungen in diesem Bereich von renommierten Wissen 
schaftlern noch nicht der Level erreicht worden ist, den wir uns 
wünschen. 
Stellv. Präsident Longolius: Jetzt hat der Kollege Seiler 
das Wort zu einer Mündlichen Anfrage über 
Mißtrauen gegenüber der Volkszählung 
Seiler (AL): Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: 
1. Welche Gründe haben nach Auffassung des Senats die 
Alliierten veranlaßt, mißtrauisch gegenüber dem Datenschutz bei 
der Volkszählung zu sein und ihre Zivilangestellten anzuweisen, 
den Volkszählungsbogen nicht vollständig auszufüllen? 
2. Worauf führt der Senat das Mißtrauen vieler Zählerinnen 
und Zähler gegenüber Sinn und Zweck der Volkszählung zurück, 
das sich z. B. darin ausdrückt, daß viele ihre Zähltätigkeit 
unfreiwillig durchführen, und glaubt der Senat, mit Zwangsmaß 
nahmen, wie beispielsweise die Zwangsverpflichtungen in 
Kreuzberg, eine Volkszählungspleite verhindern zu können? 
Stellv. Präsident Longolius: Zur Beantwortung - Herr 
Innensenator! 
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Präsident! Herr 
Abgeordneter Seiler! Zu Ihrer ersten Frage: Der Senat weist 
die in der Anfrage enthaltene Unterstellung zurück, die Alliierten 
seien mißtrauisch gegenüber dem Datenschutz bei der Volks 
zählung. Das Gegenteil ist der Fall. Die Fragen 12 und 
16 des Personenbogens werden einheitlich von allen Zivilbe- 
diensteten der Alliierten nur mit „Alliierte Streitkräfte“ beantwor 
tet werden. Wie die Schutzmächte in ihrer Presseerklärung 
vom 15. Mai erklärt haben, ist dies die einzige plausible Antwort 
auf die Fragen nach Arbeitsstätte und Wirtschaftszweig. 
Zu den Fragen 15 und 17 haben die Schutzmächfe in ihrer 
Presseerklärung festgestellt, daß diese Fragen von dem einzel 
nen Gezählten durchaus auch ausführlicher beantwortet werden 
können. 
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Behauptung, viele Zählerinnen (C) 
und Zähler stünden der Volkszählung mit Mißtrauen gegenüber, 
beruht ebenfalls auf einer Unterstellung, die durch die Erfahrun 
gen der letzten Zeit hinreichend widerlegt worden ist. Trotz 
der haltlosen und teilweise eindeutig rechtswidrigen Propa 
ganda der gegen die Volkszählung agierenden Gruppen, wozu 
auch Ihre Gruppe, nämlich die AL, gehört, ist es dem Senat weit 
gehend gelungen, die Zählerinnen und Zähler für ihre nicht im 
mer leichte Aufgabe zu motivieren. Das große Engagement der 
vielen Zählerinnen und Zähler in den letzten Tagen bestärkt den 
Senat in dieser seiner Auffassung. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Stellv. Präsident Longolius: Herr Seiler! 
Seiler (AL): Herr Senator! Nachdem Sie uns nun dankens 
werterweise mitgeteilt haben, daß wir aufgrund einer Erklärung 
der Alliierten unsere Bögen nach dem Plausibilitätsprinzip ausfül 
len dürfen, frage ich Sie, ob Sie der Auffassung sind, daß 
das Mißtrauen gegenüber der Volkszählung auch dadurch 
zustande kommt, daß Sie offenbar den § 9 Abs. 1 Satz 2 des 
Volkszählungsgesetzes, der lautet, daß sicherzustellen ist, daß 
die Angaben in den Erhebungsvordrucken nicht für andere Auf 
gaben verwendet werden dürfen, aufgrund der Alliierten Erklä- | 
rung zu Berlin hier nicht einhalten können? - In dieser Erklärung 
heißt es nämlich, daß die Alliierten Auskünfte und Statistiken an 
fordern können, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben dies für 
notwendig erachten. Wie wollen Sie das Mißtrauen, das gegen 
über der Volkszählung besteht, aufgrund dieses Sachverhalts 
ausräumen? 
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator! 
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Kollege Seiler! (D) 
Ich kann dazu nur sagen, ich brauche das Mißtrauen nicht auszu 
räumen, denn das Mißtrauen besteht bei dem ganz überwiegen 
den Teil der Bevölkerung überhaupt nicht. 
[Buwitt (CDU): Richtig! - Beifall bei der CDU und 
der F.D.P.] 
[Kapek (AL): Optimist! - Weitere Zurufe von der AL] 
Stellv. Präsident Longolius: Herr Seiler! 
Seiler (AL): Herr Senator! Ich möchte Sie fragen, wie | 
Sie gedenken, das Mißtrauen der F.D.P.-Fraktion dieses Hauses 
auszuräumen. Die F.D.P.-Fraktion hat nämlich am 29. April in 
einer Presseerklärung verlauten lassen, daß der Datenschutz für 
Selbständige bei der Volkszählung offensichtlich nicht gewähr 
leistet ist, weil nämlich in der Frage 12 auf dem Erhe 
bungsbogen, wo es um Namen und Anschrift der Arbeitsstätte 
geht, bei Selbständigen sehr häufig der Familienname eingetra 
gen wird bzw. der Name des Firmeninhabers, der mit dem, 
der den Bogen ausfüllt, identisch ist. 
[Buwitt (CDU): Frage! Was ist denn das?] 
Deshalb können die übrigen Fragen auf dem Fragebogen in 
diesen Fällen auch nicht mehr der Anonymität unterliegen. Wenn 
Sie also schon meinen, daß der Großteil der Bevölkerung nicht 
mißtrauisch ist, wie wollen Sie dann wenigstens das Mißtrauen 
Ihres Koalitionspartners ausräumen? 
[Beifall bei der AL] 
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator! 
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Herr Präsident! Herr 
Seiler! Das Verhältnis des Senats zu dem Koalitionspartner 
F.D.P. ist ebenso wie sein Verhältnis zu den Alliierten so 
Und es besteht auch nicht bei den Alliierten!
	        
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