Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
51. Sitzung vom 7. Mai 1987
Frau Kampfhenkel
i) - Na ja, der bekommt ja das Wortprotokoll!
Heute ist vier- oder fünfmal gesagt worden, welche Wohltaten
dieser Senat über Kreuzberg ausgeschüttet hat:
[Vetter (CDU): Sehr richtig!]
Behutsame Stadterneuerung - gut! Da ist viel geschehen. Wo
ist aber das Grün geblieben? Wo sind die Spielplätze geblie
ben? Wo sind beispielsweise in der Südlichen Friedrichstadt,
die ebenfalls zu Kreuzberg gehört, Grün, Schulen und Kitas ge
blieben? - 1 500 Kitaplätze fehlen in Kreuzberg! Der Senat tut
völlig neu. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, daß es innerhalb
der letzten vier Jahre eine Veränderung der Kreuzberger Be
völkerung gegeben hat, daß nämlich aus dem Bezirk mit dem
höchsten Anteil der älteren Bevölkerung der Bezirk mit der jüng
sten Bevölkerung geworden ist? - 25 % der in Kreuzberg leben
den Menschen sind jetzt unter 25 Jahre. Es gibt dort also mehr
Kinder, folglich braucht man dort auch mehr Kitaplätze!
[Schicks (CDU): Es sind genauso viele Kitaplätze
geschaffen worden!]
- Kollege Schicks! Seien Sie doch mal öfter in Kreuzberg, dann
wissen Sie auch, wie es dort aussieht! - Senator Fink hat
gesagt, er habe ein Programm aufgelegt, das 1 000 Sozialhilfe
empfängern Arbeitsplätze gibt. Warum haben Sie das erst jetzt
gemacht? Warum haben Sie unseren Antrag abgelehnt, den wir
1985 gestellt haben, in dem wir eine Beschäftigungs-GmbH
gefordert haben?
[Beifall bei der SPD - Zuruf des Abg. Vetter (CDU)]
Ich frage Herrn Senator Pieroth: Was ist aus dem Brief des
DPWV geworden, in dem er für 500 Jugendliche Arbeitsplätze
angeboten hat? - Ich fände es überhaupt nötig, daß sich Herr
Senator Pieroth ein bißchen mehr um die Kreuzberger Situation
kümmerte und nicht alles dem Sozialsenator überließe.
[ Beifall bei der SPD - vereinzelter Beifall bei der AL]
B) Kollege Momper hat deutlich gemacht: Eine gute Wirtschafts
politik ist die beste Sozialpolitik Deshalb wäre es sinnvoll, wenn
diese beiden Verwaltungen ein bißchen zusammenarbeiteten.
Sie haben im Jahr 1981 den Fehler gemacht, Arbeit und Soziales
zu trennen. Während unserer Regierungszeit hatte es einen
Sinn, diese Verwaltungen so zu schneiden.
[Beifall bei der SPD]
Geben Sie doch einmal zu, daß sich die Arbeitsverwaltung nicht
mehr für Arbeitslose zuständig fühlt und die Sozialverwaltung
noch nicht. Das heißt, 90 000 Berliner fallen bei Ihnen total durch
die Roste.
[Beifall bei der SPD]
Wir meinen, da die Sozialverwaltung eine Mangelverwaltung ist,
daß die Verwaltung für Wirtschaft und Arbeit in Zukunft beson
ders dann, wenn es um Kreuzberg geht, stärker zur Verantwor
tung gezogen werden muß.
Ich möchte hier auch die Projekte ansprechen, die in
Kreuzberg arbeiten und bei der Senatsverwaltung für Soziales
angesiedelt sind. Ich bin Herrn Fink für seine Darstellung dank
bar. Er hat klargemacht, daß die Selbsthilfegruppen als stabilisie
rendes Element in diesen Auseinandersetzungen gewirkt haben. (C)
Vielleicht kann er dies auch seinem Kollegen Landowsky klar
machen, damit es hier nicht immer wieder zu so widersprüchli
chen Aussagen kommt.
[Wieland (AL): Er will das nicht hören!]
Ich möchte jetzt eingehen auf die Projektarbeit und die Frage,
wie die Projekte in der gegenwärtigen Situation arbeiten müs
sen. Eigentlich haben wir erwartet, daß der Senat erkennt, daß
diese Jahr-auf-Jahr-Antragstellung, diese Finanzgebersuche auf
Finanzgebersuche und die Unsicherheit auf Unsicherheit einmal
beendet werden.
[Beifall bei der SPD]
Die Arbeit der Projekte ist keine Selbstbefriedung für die Leute,
die dort tätig sind, sondern das ist Arbeit. Es kann doch auf
Dauer nicht sein, daß immer neue Anträge auf Zuschüsse ge
stellt werden müssen, wenn Projekte Arbeit erledigen, die
eigentlich Aufgabe des Staates sind, die Sie aber auf diese Pro
jekte delegiert haben. Niemand, insbesondere Herr Fink nicht,
hält die Arbeit, die in diesen Projekten geleistet wird, für überflüs
sig. Er erkennt an, daß eine Nowendigkeit für diese Arbeit ge
geben ist. Und genau hier setzt unsere Kritik an. Herr Fink hat
eine Studie machen lassen, aus der hervorgeht, daß er stolz dar
auf ist, daß die Berliner Selbsthilfegruppen 20 Millionen DM För
derung erhalten, aber Leistungen in Höhe von 60 Millionen DM
erbringen. Er ist stolz darauf, daß diese Arbeit mit 2 000 ehren
amtlichen Helferinnen und Helfern geleistet wird. Ehrenamtlich-
keit - genau das ist der Punkt, worauf Sie abzielen. Jeder, der
weiß, wie Projekte arbeiten, weiß auch, daß die Arbeitskräfte, die
dort Geld erhalten, zum großen Teil aus ABM-Programmen be
zahlt werden; das heißt, daß das Personal nur eine begrenzte
Zeit finanziert wird. Dann wird auf Ehrenamtlichkeit gesetzt. Das
ist ein falscher Ansatz, denn was von den Menschen geleistet
wird, ist Arbeit. Sie müssen diese Leistung als Arbeit benennen
und als solche entlohnen und dürfen nicht nur loben und honorie
ren, sondern müssen endlich sagen, daß die Aufgaben des Staa-
tes von diesen Projekten geleistet werden.
[Beifall bei der SPD]
Meine Redezeit ist zu Ende. Ich hoffe, daß der Senat aus den
Vorfällen, die sich hoffentlich nicht wiederholen werden, dazuge
lernt hat und die entsprechenden Konsequenzen ziehen wird, in
dem er die Menschen dieser Stadt, die Berliner, alle Berliner an
den Feierlichkeiten zur 750-Jahr-Feier teilhaben läßt und daß er
allen Berlinern Lebensperspektiven gibt.
[Beifall bei der SPD]
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Ich schließe
die Besprechung,
Wir sind damit am Schluß der heutigen Sitzung. Die nächste
Sitzung findet am Donnerstag, dem 14. Mai 1987, um 13 Uhr
statt. Die Einladung und die Drucksachen sind Ihnen bereits
heute auf den Plätzen zugestellt worden. Die Sitzung ist
geschlossen.
[Schluß der Sitzung: 16.36 Uhr]
Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin, Kohlfurter Straße 41-43, 1000 Berlin 36
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