Abgeordnetenhaus von Berlin - 10, Wahlperiode
66. Sitzung vom 11. Dezember 1987
Frau Apel
i) Immigranten haben im Gegensatz zu den Hausbesitzern nicht
damit zu rechnen, daß dieser Senat ihre Interessen vertritt.
[Beifall bei der AL - Dr. Krähe (CDU): So ein
Stuß! - Weitere Zurufe von der CDU]
Aber nicht nur sie fallen raus; es gibt da noch viele, wie wir
wissen. Auch in diesem Winter werden, wenn es nach dem
Wunsch der Stadtregierung geht, viele Menschen entscheiden
müssen, ob sie essen oder heizen sollen.
[Zurufe von der CDU]
Beides ist nicht zu haben, wenn sie auf die Sozialhilfe angewie
sen sind. Die Erfahrungen der letzten kalten Winter haben das ja
gezeigt und bewiesen. Was ist gefolgt? - Nichts! Nichts, was
ausreicht, die Situation der Ärmsten auch nur annähernd zu ver
bessern.
In dieser Stadt krank zu werden, ist auch nicht unbedingt
empfehlenswert.
(Landowsky (CDU): Woanders doch auch nicht! Wer will
denn schon krank werden? - Weitere Zurufe von der
CDU und der F.D.P. - Starke Unruhe - Glocke des
Präsidenten]
Es wird auch im Gesundheitswesen gespart bis zum Geht-nicht-
mehr. Gesundheitspolitik wird hier nach Kostengesichtspunkten
gemacht und nicht nach dem, was die Menschen brauchen. Nur
wenn man eine Show abziehen kann wie mit dem Herzzenfrum,
dann sind auch die Mittel vorhanden. Das ist die Disneyland-
Politik, von der meine Kollegen so oft gesprochen haben.
[Beifall bei der AL - Zurufe von der CDU: Was
ist denn das?]
- Das ist eine Politik der Selbstdarstellung, wie sie in der 750-
Jahr-Feier ihren Höhepunkt gefunden hat. Die „Berlin ist wieder
da“-Politik, die die Bedürfnisse so außer acht läßt, die Minder
heiten ausgrenzt; ist die politische Selbstbefriedigung der
jenigen, die an der Macht sind. Damit das auch so bleibt, damit
nicht irgendwelche „Anti-Berliner“ Ihnen in die Quere kommen,
wird hier auch ein hochgerüsleter Polizeiapparat unterhalten,
durch Einsätze in Berlin und Wackersdorf bestens ausgebildet
und erprobt im Umgang mit Menschen, die sich dieser Politik
nicht mehr unterwerfen, die sich das nicht mehr gefallen lassen
wollen, die ihren Protest öffentlich machen, die auf die Straße
gehen und demonstrieren. Gegen diesen Protest wird die Politik
der Rigorosität und Härte gesetzt. Da wird abgesperrt, da wird
eingekesselt und niedergeknüppelt.
[Protest bei der CDU und der F.D.P.]
Menschen werden vom Verfassungsschutz überwacht und aus
spioniert, wenn sie auch nur im Verdacht stehen, mit irgend
etwas zu tun zu haben, was hier nicht genehm ist. Das müssen
noch nicht einmal Linke sein, wie die Bespitzelung der SPD
zeigt,
[Beifall bei der AL - Heiterkeit bei der SPD]
Für solche Machenschaften, da ist genug Geld da, da wird nicht
gespart, da wird nur an den Kontrollmöglichkeiten gespart, damit
das in Zukunft so weitergehen kann. Diese Politik ist nicht zum
Wohle der Mehrheit der Menschen in dieser Stadt. Die Politik
des Senats ist gegen die Menschen gerichtet, und deshalb
können nur die gut leben, die ohnehin schon genug haben. Was
hier wieder betrieben wird, was hier mit der Mehrheit des Abge
ordnetenhauses beschlossen wird, das ist die Beutepolitik der
Herrschenden und ihrer parlamentarischen Vertretung.
[Beifall bei der AL - Protest bei der CDU und der F.D.P. -
Schicks (CDU): Das ist Kadersprache!]
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der Kol-
iege Rasch.
Rasch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es
fällt einem insbesondere nach den Worten der Frau Kollegin
schwer, ein relativ versöhnliches Schlußwort zu sprechen. Es ist
ja ein bißchen unsere gemeinsame Aufgabe, Bilanz zu ziehen. Es
fing gestern eigentlich ganz ernsthaft und interessant an, ins- (C)
besondere auch durch die Ausführungen des Kollegen Momper,
die davon getragen waren, daß insbesondere auch im Bereich
der Außenpolitik und der Beziehungen des Washingtoner
Gipfels in Bezug auf Berlin doch interessante Gemeinsamkeiten
zwischen dem Regierenden Bürgermeister, der CDU- und der
F.D.P.-Fraktion vorhanden waren. Das ließ eigentlich für die
Debatte hoffen. Aber als der Kollege Momper in den Mittelpunkt
seiner Argumentation stellte, daß sich die Regierungsfraktionen
nicht mit den Argumenten und Vorschlägen der SPD beschäftigt
haben sollen, da mußte ich doch feststellen oder die Frage an
Sie stellen, wo waren Sie denn eigentlich bei der ganzen
Debatte?
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Sie waren gar nicht da! Die Opposition hat versucht anzugreifen.
Ich mußte ja hin und wieder aufstehen und der Opposition
zurufen: Mehr Attacke! Da war nichts, da war gar nichts.
[Zuruf des Abg. Wieland (AL)]
- Herr Wieland, da war gar nichts! Ich stelle fest und fordere Sie
auf nach dem Motto: Herr Momper, bleiben Sie Oppositions
führer, Sie tun der Stadt damit einen Gefallen!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Denn selbst - mal theoretisch -, wir würden Ihr Angebot nicht
ausschlagen, mit Ihnen gemeinsame Politik zu machen: Wir
wären ja irre. Der Wähler will das gar nicht, der Wähler will nach
wie vor mit großen Mehrheiten uns. Das können wir uns also gar
nicht leisten, das müssen wir ausschlagen!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU -
Heiterkeit und Gelächter]
Ich fand, der zweite Tag fing gut an. Frau Kollegin Schmalz-
Jacobsen hat eine sehr interessante Rede gehalten, die es sich
lohnt nachzulesen.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] (D)
Das fing gut an! Und als die Opposition ein bißchen frech
werden wollte, da haben wir Fink losgelassen.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU - Heiterkeit]
Das war beachtlich, Herr Kollege Fink. Sehr überzeugend, sehr
seriös hat er vorgetragen. Das ging schon fast so weit, daß es in
Berlin ein Glück ist, arm zu sein. Wir sind schon ganz schön weit
mit ihm gekommen. Kreuzberg ist Mittelpunkt, und das Armsein
ist ein Glück in der Stadt. Das war schon überzeugend! - Ich
habe einen Vorschlag: Wir werden uns innerhalb der Koalition
einmal überlegen, ob wir nicht im nächsten Jahr zeitweilig den
Kollegen Fink ausleihen als Kampagnero für die Opposition,
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU - Heiterkeit]
Er kann es besser, überzeugender. - Der Kollege Wagner hat
als einer der wenigen - darf ich einmal bilanzziehend sagen -
versucht, einen sehr konstruktiven Beitrag zu leisten und wirklich
zu Gemeinsamkeit eingeladen, gerade bei der Wirtschafts
debatte. Die AL ist übrigens bei der Wirtschaftsdebatte und den
Arbeitsplätzen mehr oder weniger ausgestiegen, kam zurück mit
Frau Vonnekold - das fand ich auch sehr gut -, ist aber faktisch
ausgestiegen. Und wir haben uns sehr intensiv seit dem Beitrag
des Kollegen Wieland mit der Sockenstrickphobie der AL aus
einandersetzen müssen. Danach haben wir uns sehr intensiv dar
auf vorbereitet, daß der Herr Nagel uns eine neue Kampagne im
Rahmen der baupolitischen Abrechnung vorstellen würde. Das
war nun zu unserem Bedauern nicht der Fall - im Gegenteil! In
der heutigen „Abendschau“ konnten wir festsfellen, daß Ihre
Aktion, Herr Kollege Momper, „der Weihnachtsmann ist eine
Frau“, nicht überall ankam. Eine Frau hat gesagt: Jetzt reicht es,
Herr Momper! -
[Heiterkeit]
Aber ich vermute, Sie haben etwas in petto, nämlich die nächste
Kampagne: Der Osterhase ist eine Frau und ein Sozi.
[Starke Heiterkeit bei der F.D.P.
und der CDU - Zurufe von der SPD]
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