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Volume Nr. 48, 12. März 1987

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
48. Sitzung vom 12. März 1987 
Dr. Kremendahl 
(A) wir hier in der II. Lesung die Hand heben sollen - ein klärendes 
Wort angebracht. 
Ich stelle fest: Unsere damals genannten Kriterien sind 
nicht erfüllt worden. Seit der Bericht des Gründungsausschus 
ses vorlag, den auch der Kollege Kittner hier während der I. 
Lesung als einen sehr dürftigen Bericht charakterisiert hat, ist 
nichts, aber auch überhaupt nichts geschehen, um von seiten 
derjenigen, die uns diesen Vorschlag gemacht haben, nämlich 
des Senats von Berlin und der ihn tragenden Koalition, dieses 
Akademieprojekt ein Stück weiter voranzubringen, ein Stück 
deutlicher zu machen, wofür wir uns da entscheiden sollen, 
wenn wir diese Akademie auf den Weg bringen. 
Ich stelle fest, daß auch von der I. bis zur II. Lesung des 
Gesetzentwurfs den Anhörungen im Ausschuß für Wissen 
schaft und Forschung in keiner Weise Rechnung getragen 
worden ist. Denn diese Anhörungen haben doch unzweifelbar 
eines ergeben, nämlich, daß es eine ganze Reihe von 
Experten gegeben hat, die durchaus der Meinung sind, eine 
Akademie der Wissenschaften könnte für Berlin etwas Sinn 
volles und Produktives bedeuten, daß aber jeder dieser 
Experten eigentlich eine andere Vorstellung von Akademie 
hatte. Es ist uns von einem Vertreter der bundesdeutschen 
Akademie der Vorschlag unterbreitet worden, doch stärker 
eine Akademie klassischen Zuschnitts, die z. B. Literaturedi 
tionen macht, ins Auge zu fassen; es ist uns von Professor 
Lepenies, dem Rektor des Wissenschaftskollegs, der interes 
sante Vorschlag gemacht worden, eine wirkliche Arbeitsaka 
demie zu schaffen, nämlich eine Akademie mit hier präsenten 
Forschungsgruppen, mit in der Stadt präsenten, fest angesie 
delten Mitgliedern, die selbst unmittelbar Projekte bearbeiten. 
Professor Dierkes hat andere Vorschläge unterbreitet. 
Ich stelle fest, nichts davon findet sich wieder in Gestalt 
einer Veränderung des Gesetzentwurfes. Die Veränderungen 
j) beziehen sich auf ganz wenige, eher marginale Punkte; es 
lohnt sich gar nicht, den Ursprungsentwurf mit dem, was jetzt 
hier zur Beschlußfassung vorliegt, zu vergleichen. Es herrscht 
nach wie vor über die Struktur und über die Zielrichtung dieser 
Akademie völlige Unklarheit. 
Meine Fraktion hat im Ausschuß aus dieser Diskussionsla 
ge die, wie mir scheint, einzig mögliche und einzig lohnende 
Konsequenz gezogen: Nämlich Ihnen den Vorschlag unter 
breitet. das Konzept noch einmal durch eine sachkundige 
Kommission überprüfen zu lassen, die ihre Sachkunde vor 
allem dadurch ausweist, daß es sich um Fachleute, Wissen 
schaftler handelt, die auch in der Verantwortung für die 
Wissenschaftsstadt Berlin stehen, unter anderem die Hoch 
schulpräsidenten, unter anderem die Präsidenten und Rekto 
ren von Wissenschaftszentrum und Wissenschafts-Kolleg. Sie 
haben dies abgelehnt, weil es Ihnen um die Eile geht, 
[Kittner (CDU): Quatsch!] 
weil es Ihnen darum geht, im Jahre der 750-Jahr-Feier eine 
Akademie der Wissenschaften, was immer das dann auch 
sein soll, auf den Weg zu bringen. Sie haben sich damit der 
Chance begeben, daß wir noch einmal gemeinsam kritisch 
überprüft hätten, ob Berlin eine solche Institution braucht und, 
wenn ja, was sie leisten kann. 
[Lehmann-Brauns (CDU): Na, brauchen 
wir nun eine oder nicht?] 
- Na, die jedenfalls nicht, Herr Lehmann-Brauns, die Sie uns 
hier vorschlagen! 
[Lehmann-Brauns (CDU): Welche denn? 
Sagen Sie das mal!] 
Es gibt eine ganze Reihe wichtiger Aufgaben in der Berliner 
Wissenschaftspolitik zu lösen. Da geht es um die Unterstüt 
zung der Berliner Hochschulen bei dem, was an vorhandener (C) 
Forschung und Lehre dort betrieben wird, und da geht es um 
eine zureichende Ausstattung der Berliner Hochschulen, um 
ihre Aufgaben erfüllen zu können. Es geht auch darum, neue 
Projekte anzupacken, und zwar im Bereich des Umweltschut 
zes, im Bereich des Zusammenhangs von Umweltschutz und 
Schaffung neuer Arbeitsplätze, im Bereich der sozialen Fol 
gen neuer Fertigungstechniken, Fertigungsmethoden, im Be 
reich der Friedensforschung und der Deutschlandforschung, 
Wir leben am Standort Berlin, aber in Ihrem Akademie-Projekt 
kommt nicht vor, daß dies eine Akademie auf dem Boden 
Berlins ist und sich derartige Fragestellungen schon aus der 
Lage unserer Stadt ergeben. Und es bedarf vor allen Dingen 
der Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, es 
bedarf der Antwort auf die Frage, was wir mit Hunderten, ja 
Tausenden qualifiziert an den Hochschulen ausgebildeten 
Menschen tun, die Mühe haben, auf dem Arbeitsmarkt einen 
Fuß in die Tür zu bringen. 
Dies sind die Fragen, die zu beantworten wären. Ich stelle 
aberfesf: Da ist absolute Fehlanzeige bei Ihrem Akademiepro 
jekt. Für die Beantwortung dieser Fragen leistet die von Ihnen 
vorgesehene Akademie der Wissenschaften nichts, aber auch 
überhaupt nichts. 
Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Fazit: Dies ist 
eine Akademie ohne klare Aufgabenstellung. Es ist nach wie 
vor so: Wer dem zustimmt, kauft „die Katze im Sack“, Dies ist 
eine Akademie mit einer veralteten, einer vordemokratischen 
Rekrutierungsstruktur für die Mitglieder; dies fällt weit hinter 
das zurück, was an den Hochschulen, aber auch an anderen 
Forschungseinrichtungen an Mitwirkung der wissenschaftlich 
dort Tätigen längst erreicht ist. Dies wird eine Akademie sein 
ohne innere Mitbestimmung, eine Akademie, die sich in einem 
elitären Zirkel einiger weniger bewegt; dies wird eine Akade 
mie sein, deren Mitglieder Reiseprofessoren sind, die nur 
gelegentlich in Berlin sein werden und deren interessanteste (D) 
Tätigkeit, nämlich die Durchführung der Forschungsprojekte, 
sich überdies außerhalb unserer Stadt abspielen wird; das ist 
schon dadurch sichergestellt, daß die Berliner Hochschulen 
überhaupt keine institutionelle Verzahnung zu dieser Akade 
mie haben. Dies wird eine Akademie sein, die viel Geld kostet; 
die 49 Millionen DM für den Umbau der ehemaligen Italieni 
schen Botschaft sind eine gewaltige Summe, und ich behaup 
te, daß das, was bisher an Mitteln im Landeshaushalt ange 
setzt ist, unfertrieben ist, steigen wird, daß wir also auch 
finanziell nicht wissen, in welche Richtung diese Akademie 
gehen wird, was sie uns kosten wird und vor allen Dingen, wo 
das Geld herkommen soll. Im Zweifelsfall dann wohl doch 
wieder aus den Mitteln, die ansonsten den Universitäten 
zufließen würden. Dies wird eine Akademie sein, die Berlin so, 
wie Sie sie vorschlagen, weder verdient hat noch braucht, 
eine Akademie, die ein reines, inhaltsleeres Renommierpro 
jekt ist, und deshalb lehnt die SPD-Frakfion dieses Gesetz hier 
heute ab. 
[Beifall bei der SPD] 
Professor Künkel, der Vizepräsident der Technischen Uni 
versität, hat einen künftigen Senat, ein künftiges Abgeordne 
tenhaus in veränderter Zusammensetzung aufgefordert, die 
ses Akademieprojekt rückgängig zu machen; wir werden 
sehen und in jedem Fall dafür sorgen, daß es eine andere 
Struktur der Akademie gibt, wenn sie denn besteht, als das, 
was Sie hier vorsehen. Das, was Sie vorsehen, nützt unserer 
Stadt nicht, sondern schadet ihr. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Das Wort hat der Abgeord 
nete Kittner. 
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