Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
48. Sitzung vom 12. März 1987
Löffler
(A) Aktuelle Stunden verlieren an parlamentarischem Wert, wenn
eine Mehrheit die Aktualität leugnet, die unbezweifelbar für
das Thema, ob der Regierende Bürgermeister nach Ost-Berlin
fährt oder nicht, vorhanden ist. Ich werbe für einen Maßstab,
der uns selbst bindet, damit wir nicht Aktuelle Stunden in dem
machtpolitischen Streit des Tages einbeziehen.
Ein einziger Grund wäre vorhanden, die Aktuelle Stunde,
die den Regierenden Bürgermeister und die Einladung des
Staatsratsvorsitzenden betrifft, abzulehnen: daß der Regie
rende Bürgermeister heute nicht anwesend ist.
[Rasch (F.D.P.): Richtig!]
Aber lassen Sie mich dazu klar sagen: Diesen Grund erkennen
wir nicht an.
[Rasch (F.D.P.); Falsch!]
Wir erkennen in deshalb nicht an, weil das Thema, das der
Herr Regierende Bürgermeister in der Ministerpräsidenten
konferenz heute beraten will, auch in den Abendstunden
beraten werden kann; denn wir sehen zu einer Aktuellen
Stunde mit unserem Thema die Anwesenheit des Regieren
den Bürgermeisters als absolut notwendig an.
Die Tatsache, daß der Regierende Bürgermeister diesen
Termin in diesem Haus nicht wahrnimmt, bedeutet eine
Schwächung seiner berlin- und deutschlandpolitischen Posi
tion,
[Beifall bei der SPD]
wenn Sie das als Argument bringen zur Nichtbehandlung
dieses Themas. Meine Behauptung ist: Wir können dann auch
in Abwesenheit des Regierenden Bürgermeisters dieses
Thame diskutieren, weil wir Sozialdemokraten wissen, daß
wir uns in dieser Frage mit dem Regierenden Bürgermeister
in einer Meinung befinden - anders als bestimmte Teile Ihrer
Fraktion.
[Beifall bei der SPD]
Leidwesen sagen muß. Aber ob wir das nun gerade am
heutigen Tage noch einmal gefördert hätten, daß der Regie
rende endlich die Einladung annimmt, das glaube ich nicht!
Zum Thema der Koalitionsfraktionen: Sicherlich ist es auch
interessant zu bemerken, daß die sich seit einiger Zeit
mehrenden Zeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung
und damit eines Verfalls der von der CDU immer als Erfolg
propagierten Wirtschaftspolitik zu verzeichnen sind, dies
lohnt sicherlich die Aussprache. Aber die CDU wird auch ihren
nach unserer Meinung verfehlten wirtschaftspolitischen Kurs
beibehalten. Und die Probleme, die da angesprochen sind,
sind weitgreifender, als daß sie in einer Aktuellen Stunde
behandelt werden können.
Wir sind dagegen der Meinung, daß die aktuelle Frage der
Volkszählung doch sehr viele Bürger in dieser Stadt berührt,
und zwar einerseits zur Frage, daß sie demnächst als Erhe
bungseinheiten zur Verfügung stehen sollen, andererseits
aber auch sehr aktuell in der Frage der Zählerwerbung. Wir
sehen mit großer Beunruhigung, daß die Regierung es nicht
geschafft hat, die Zähler und die Beschäftigten des öffentli
chen Dienstes vom Sinn, der Notwendigkeit und dem Zweck
der Volkszählung zu überzeugen. Nein, der größte Teil des
öffentlichen Dienstes ist sogar vielmehr davon überzeugt, daß
die Volkszählung nichts nützt, daß sie hinausgeworfenes Geld
bedeutet und daß sie möglicherweise sogar schädlich sein
könnte. In dieser Situation ist natürlich eine Auseinanderset
zung darüber, wie man weiter verfährt, sehr notwendig, auch
hier im Parlament. Die Frage, wie weit der Demokratie, dem
Sinn der Planung und der Volkszählung gedient ist, wenn jetzt
zusehends versucht wird, zu Zwangsmaßnahmen gegenüber
den Zählern im öffentlichen Dienst zu schreiten, müßte hier
ausführlich debattiert werden. Wir sind der Meinung, wenn ein
Zählung über Zwangsmaßnahmen durchgeführt wird, kann
sie zu keinen vernünftigen Ergebnissen führen. Wir sind der
Meinung, außer dem Prinzip der Freiwilligkeit dürfte in dieser
ganzen Angelegenheit überhaupt nichts passieren. Und wenn
es der Regierung nicht gelingt, die Bevölkerung vom Sinn und
der Notwendigkeit der Volkszählung zu überzeugen, dann
sollte man solche Zählungen in einem demokratischen Staats
wesen unterlassen.
Präsident Rebsch: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete
Lohauß zur Aktualität des AL-Antrags.
Lohauß (AL): Herr Kollege Löffler, Sie haben sicherlich sehr
eindrucksvoll die Aktualität der Einladung von Herrn Diepgen
angesprochen. Nichtsdestoweniger haben Sie aber am Ende
Ihrer Ausführungen darauf aufmerksam gemacht, daß Sie
vermeinen, sich in Übereinstimmung mit dem Regierenden
Bürgermeister zu befinden. Was die Frage der Annahme der
Einladung angeht, stimmen wir wahrscheinlich auch mit dem
Regierenden Bürgermeister überein. Wir haben dies hier Im
Parlament gesagt, und wir haben schon sehr oft darüber
gesprochen.
Daß es in der CDU Streit darüber gibt, ist der Tagespresse
zu entnehmen, und was in der Tagespresse steht, gilt allge
mein als aktuell. Ich bezweifle aber, daß die CDU von diesem
Podium aus ihre Differenzen ausgetragen hätte, wie sie es
schon mehrfach hätte tun können, aber auch unterlassen hat.
Insofern möchte ich nicht bezweifeln, daß das Thema aktuell
ist. Es ist ein aktueller Dauerbrenner, wie man zum eigenen
[Beifall bei der AL]
Hierüber eine Auseinandersetzung zu führen, wäre wirklich
dringlich! Die anderen Themen, die hier genannt werden, sind
sehr umfangreich und weitgreifende Themen, die nicht so
aktuell sind wie unser Thema.
[Beifall bei der AL]
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren, wir kommen
nunmehr zur Abstimmung. Ich lasse über den Antrag der
Fraktionen der CDU und der F.D.P. über das Thema „Siche
rung der Wirtschaftskraft und der Arbeitskräfte Berlins“ ab
stimmen. Wer diesem Thema seine Zustimmung zu geben
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -
Das erste war die Mehrheit. Damit ist eine Abstimmung über
die anderen beiden Themen erledigt.
Ich mache noch auf die Liste der Dringlichkeiten aufmerk
sam;
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