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Volume Nr. 47, 26. Februar 1987

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
47. Sitzung vom 26. Februar 1987 
Nagel 
(A) Ich möchte mich in diesem Zusammenhang einfach auch ein 
mal bedanken. Wenn Sie mich persönlich im Zusammenhang mit 
der Diskussion um die Mietpreisbindung in Ihrer „Berliner Rund 
schau“ der Scharlatanerie bezichtigen, wenn Sie dieses Thema 
auf die erste Seite Ihrer Parteizeitung bringen, um die Mieter zu 
beruhigen, erreichen Sie nur das Gegenteil: Sie werden nach 
alledem, was Sie im letzten Jahr in dieser Frage geboten haben, 
eher unglaubwürdig mit dem, was Sie jetzt als Korrektur aus 
geben. 
[Beifall bei der SPD] 
Schauen wir uns die Argumente, die Herr Landowsky kürzlich 
hier in die Diskussion gebracht hat, und die Maßnahmen, die er 
als Vorschläge bezeichnet, einmal genauer an. Da ist zunächst 
das bekannte Argument: All das, was die Sozialdemokraten und 
die Alternative Liste wollen, sei in Bonn nicht durchsetzbar. - Sie 
wissen doch genau, dieses Argument ist fünfmal gekommen, 
nämlich jedesmal - fünfmal wurde die Mietpreisbindung schon 
verlängert -, jedesmal kam das Argument, auch von sozialdemo 
kratischen Senaten: Das sei nicht durchsetzbar. Ich sage Ihnen 
eines: Wenn wir uns hier einigen können, die SPD- und die 
CDU-Fraktion, da rede ich von den beiden kleinen Parteien über 
haupt nicht -, dann werden wir dies in Bonn auch durchsetzen! 
[Heiterkeit] 
Sie müssen es nur wollen, und Sie müssen dann mit uns poli 
tisch nach Bonn ziehen, so wie Sie das in den vergangenen 
Jahren gemacht haben. Was man politisch von Berlin aus will, 
das kann man in Bonn auch durchsetzen. Schieben Sie aber den 
Schwarzen Peter nicht nach Bonn, das wird Ihnen nicht helfen. 
[Beifall bei der SPD - Zuruf des Abg. Rasch (F.D.P.)] 
Nächster Punkt: Das schließt an das an, was Sie eben gesagt 
haben. Ist es etwa gerecht, wenn — Und dann kommen die gan 
zen Argumente, die Sie hier anführen, was beim gegenwärtigen 
System alles ungerecht sei. Natürlich gibt es Ungerechtigkeiten, 
und wir haben Vorschläge dazu gemacht, wie man das machen 
fB) kann. Sie sagen, die Besserverdienenden im Altbau sollen 
schließlich nicht weniger Miete bezahlen als die sozial Schwä 
cheren im Neubau. Wenn man nicht wüßte, daß Herr Landowsky 
aus beruflichen und vielfältigen anderen Funktionen eigentlich 
mehr Kenntnisse haben müßte, dann wäre festzustellen: Der 
Mann hat keine Ahnung. Denn wer wohnt denn im Altbau? - Das 
sind doch nicht prinzipiell Besserverdienende! 
[Dr. Tolksdorf (F.D.P): O doch!] 
- 20%, Herr Kollege Dr. Tolksdorf, Herr Professor, 20% sind 
Besserverdienende, 80 % fallen unter die Einkommensgrenzen 
des sozialen Wohnungsbaus! Und die brauchen preiswerte 
Wohnungen! Und deswegen, für diese Mehrheit, kämpfen wir für 
die Beibehaltung der Mietpreisbindung! 
[Beifall bei der SPD - Abg. Dr. Mahlo (CDU] 
meldet sich zu einer Zwischenfrage.] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Nagel! Gestatten 
Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mahlo? 
Nagel (SPD); Selbstverständlich gestatte ich eine Zwischen 
frage des Kollegen Dr. Mahlo. 
Dr. Mahlo (CDU): Das ist sehr liebenswürdig, Herr Kol 
lege! - Darf ich Ihr Plädoyer dafür, Mietverzerrungen in dieser 
Stadt zu beseitigen, so verstehen, daß Sie sich wenigstens mit 
dafür einsetzen werden, daß Wohnungen in Vorderhäusern von 
einer Größe ab 200 Quadratmeter, die bereits 1949 mit allem 
Komfort ausgestattet waren und daher keine Modernisierung 
hatten, in Fortsetzung der Freigabe der Wohnungen, die in Ein 
oder Zweifamilienhäusern waren, in Zukunft bindungsfrei zu 
lassen? 
Nagel (SPD): Herr Kollege Dr. Mahlo! Wissen Sie, was mich 
an Ihrer Frage wundert? Sie sind der baupolitische Sprecher der 
Berliner CDU - Sie haben den Gesetzentwurf der SPD vor 
Augen gehabt -, Sie wissen, daß wir haben zu diesem Gesetz- (C) 
entwurf eine Anhörung durchführen -, und Sie ignorieren, was in 
diesem Gesetzentwurf steht, daß in diesem Gesetzentwurf 
solche Möglichkeiten aufgeführt sind, daß insbesondere die 
Ungerechtigkeiten, die Sie angeführt haben, durch unseren 
Gesetzentwurf beseitigt werden! Ich finde, wenn man schon 
über dieses Thema diskutiert, sollte man sich auch die Grund 
lagen anschauen, über die hier geredet wird. 
[Beifall bei der SPD] 
Dann führt Herr Landowsky im „Volksblatt Berlin“ aus: „Der 
Markt beendet die Zwangsmiefensteigerungen“ und „Die Stadt 
wird schöner“, „Wir brauchen allerdings noch etwas Wohnraum- 
reserve, weil es sonst Engpässe am Wohnungsmarkt gibt“, und 
dann kommt er zum Schluß - man könnte meinen, daß er sich 
ausspreohen wird für eine modifizierte Aufhebung der Mietpreis 
bindung - aber nein; das Ganze gipfelt in dem Satz: Keine freien 
Mieten in Berlin! Wie ist das zu verstehen? Keine freien Mieten in 
Berlin - geäußert vom Generalsekretär der Berliner CDU. Glaubt 
denn wirklich einer der Kollegen aus der CDU-Fraktion, daß man 
mit solch einem Satz auch nur ein Mindestmaß an Glaubwürdig 
keit erreicht? - Das ist nicht der Fall. 
Ihre Argumentationen, Ihre Reaktionen sind von Panik 
bestimmt, sie sind davon bestimmt, daß es Unruhe in dieser 
Stadt gibt, sie sind davon bestimmt, daß Sie meinen, mit kleinen 
Korrekturen, mit Schlupflöchern die Nervosität bei den Mietern 
beseitigen zu können, die in Wirklichkeit Ihre eigene Nervosität 
ist. Sie müssen sich in der Miefenpolitik endlich einmal darüber 
klar werden, was Sie wirklich wollen. Sie können nicht beide 
Ziele verfolgen: Sie können sich nicht auf die Seite derjenigen 
schlagen, die Ihnen beim letztenmal den Wahlkampf finanziert 
haben, und gleichzeitig Mieterschutz betreiben. 
[Beifall bei der SPD] 
Sie müssen in Verantwortung für diese Stadt eine soziale 
Mietenpolitik betreiben, die diesen Namen verdient. Dies ist 
gegenwärtig bei Ihnen nicht der Fall. Die Mieter - davon bin ich (D) 
überzeugt - werden dieses 1989 nicht honorieren. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun die Kol 
legin Frau Schmid-Petry, 
Frau Schmid-Petry (F.D.P): Frau Präsidentin! Meine Damen 
und Herren! Frau Ahme, ich habe selten hier im Parlament eine 
Begründung zu einer Großen Anfrage gehört, die so am Thema 
vorbeibegründet war. 
[Vereinzelter Beifall bei der CDU) 
Ich fand sie in hohem Maße peinlich. Mehr ist dazu - glaube ich - 
nicht zu sagen. 
Nun zur SPD: So leicht, Herr Nagel, werden wir Sie aus der 
Verantwortung nicht entlassen. Die Wähler im Bund und in Ber 
lin haben Sie aus der Verantwortung entlassen - daraus müssen 
Sie die Konsequenz ziehen -, aber wir werden dies nicht tun. Wir 
können nur bedauern, daß die CDU und die F.D.P. damals darauf 
Wert gelegt haben, daß die SPD dem Gesetz zustimmt. Wenn 
wir darauf keinen Wert gelegt hätten, wären wir heute wesentlich 
weiter. Sie wissen, daß die F.D.P. damals dafür war, ab 1983 alle 
frei werdenden Altbauwohnungen in das soziale Mietrecht zu 
überführen. Dies wäre schon längst kein Thema mehr. Sie sind 
unzuverlässige Genossen! Lassen Sie sich das einmal sagen. 
[Beifall bei der F.D.P. - vereinzelter Beifall 
bei der CDU - Zurufe von der SPD] 
Heilige Schwüre haben Sie in Bonn geschworen: Letztmalig die 
Verlängerung der Mietpreisbindung! - Ihr Bundeswohnungs 
bauminister Haack, Ihr Landesvorsitzender Peter Ulrich, der Bun- 
destagsabeordnete Wartenberg sind noch alle bei Ihnen. Sie 
alle haben geschworen: Letztmalig! - Ich will Ihnen eines sagen: 
Populistische Politik, Herr Nagel, können Sie ohne Abgeordnete 
machen. Abgeordneter sein erfordert Mut und nicht nur das 
Umsetzen von populistischen Maßnahmen. Sie haben den Weg 
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