Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
36. Sitzung vom 9. Oktober 1986
Frau Dr. Schramm
(A) diese Einfalt bereits für den Brückeningenieur umwerfend ist,
stimmt natürlich die Analogie überhaupt nicht. Denn diese Her
ren - und im ganzen Gründungsausschuß saß nicht eine einzige
Frau, was für mich selbstverständlich ein wichtiger Punkt ist, das
nur so nebenbei, es waren lauter Herren zwischen 55 und
60 Jahren.
[Schütze (CDU): Keine Diskriminierung! -
Zuruf von der CDU: Das ist doch das beste Alter!]
- Gut, das beste Alter, okay.
(Frau Künast (AL): Wozu das beste Alter?]
- Für die Innovation, aber da will ich nichts sagen, sonst trifft es
mich bald selbst. - Also weiter. Man muß sich erinnern. Diese
Herren hier waren angetreten - und sie sind es nach dem Geset
zesentwurf auch weiterhin die lebenswichtigen Fragen
unserer Gesellschaft zu lösen, genauer das Zusammenspielen
von Technik, Politik und Gesellschaft zu klären. Sie waren genau
zu dem Zweck zusammengekommen, die Fachborniertheit z. B.
eines Ingenieurs zu überwinden. Und dann sagt der Vorsitzende
des Gründungsausschusses diese einfältigen Sätze. Sie werden
verstehen, daß mich das im höchsten Maße irritiert und skeptisch
macht.
Ich halte diese Kombination aus Machtanspruch - sprich:
Ausgrenzung - und Naivität oder gespielter Naivität in der Tat für
sehr gefährlich, und ich erinnere daran, daß Skeptiker unter den
Wissenschaftlern, Außenseiter oder „linksideologisch orientierte
Randgruppenzugehörige“, äußerst segensreich gewesen wären,
als es darum ging, Kalkar - das ist ein Beispiel - zu planen und
dann zu bauen. Der schnelle Brüter sollte erst 310 Millionen DM
kosten, inzwischen kostet er 10 Milliarden DM, und es wird noch
mal so viel kosten, den Wiederaufbereitungskreislauf zu schlie
ßen. Das Stichwort von „Kalkar, dem Milliardengrab“ macht in
zwischen die Runde. Was damals gefehlt hat, waren Außensei
ter unter den Wissenschaftlern, war ein politischer Druck, um
diesen Wahnsinn zu stoppen, bevor er Stein wurde. Die aner-
B) kannten Wissenschaftler, zusammen mit der Bürokratie und der
Wirtschaft, waren alle dafür.
Das zweite Beispiel: Herr Strauß hat erst vor kurzem eine wis
senschaftliche Konferenz einberufen zur Frage der Atomenergie,
die zu dem erstaunlichen Ergebnis kam, daß die Atomenergie
unverzichtbar, ungefährlich und überhaupt für alle Zeiten unab
dingbar sei. Er hatte zu dieser Konferenz allerdings nur Wissen
schaftler eingeladen, von denen klar war, daß sie für die Atom
energie sind. Ich sage nun nicht, daß es bei der Akademie so
plump zugehen wird, aber die Gefahr, die ich angesprochen
habe, ist nicht zu leugnen.
Ich sage aber, daß auch Herr Pinkau, der hier die Rolle eines
bloßen Ingenieurs reklamierte, selber keinesfalls politisch un
interessant und unbedarft ist. Er war immerhin unter den Teilneh
mern aus deutschen Industriewissenschaft und Forschung, die
bei Spargel und Wein im Mai 1985 im Bundeskanzleramt die
Reise nach den USA zusammen mit Schäuble vorbereitet haben,
wo sie SDI-Aufträge für die deutsche Industrie und Absprachen
zur wissenschaftlichen SDI-Zusammenarbeit erreichen wollten.
Da war er dabei. Er ist ganz exponiert in der Wissenschaftspoli
tik. - Ich habe diese Information aus „Wehrdienst; der Informa
tionsbrief für die Rüstungswirtschaft und ihre Zulieferer“,
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der leichtfertige Umgang mit
dem Anspruch der Interdisziplinarität der Forschung. Ich halte es
für einen Witz der Akademiegründung, daß im Zuge der Wende
politik Lösungen von Problemen versprochen werden, deren
Bearbeitung an den Hochschulen gerade von Konservativen die
ganze Zeit behindert, erschwert und unterbunden worden sind.
Die Konservativen haben reichlich spät, nämlich erst jetzt, ent
deckt, daß Geistes- und Naturwissenschaften sich zusammen
auf Probleme beziehen müssen; das ist eine alte Forderung aller
Linken seit der 50er und 60er Jahre, und ich kenne viele Projekte,
die an den Universitäten gescheitert sind, gerade an den Konser
vativen, die jetzt sagen, die Universität hätte versagt. Das ist im
einzelnen nachzuweisen, was ich im Ausschuß tun werde.
Nur ein konkretes Beispiel aus Berlin: Das Wissenschaftszen
trum Berlin hatte bis vor kurzem eine interdisziplinäre Organisa
tion und Struktur. Im Zuge der Wendepolitik, die Herr Kewenig (C)
und andere mit eingeleitet haben, wird dieses Wissenschafts
zentrum neu strukturiert - so, daß die Interdisziplinarität zer
schnitten wird, daß die alte Form der Zuordnung zu einem „Ordi
narius“, was dort aber anders heißt, wiederentsteht. Das heißt:
Wo Interdisziplinarität den inhaltlichen Erwartungen der beste
henden Regierung nicht entsprochen hat, wird sie wieder aufge
löst. Interdisziplinarität war bisher par excellence ein kritischer
Ansatz der Gesellschaft und deren Problemen gegenüber. Ich
traue es, ehrlich gesagt, den Konservativen auch nicht zu, daß
sie daraus etwas Gescheites machen können. Aber sie haben
gemerkt, daß das ein wichtiger Zugang ist, und wie in sehr vielen
Gebieten des Kultur- und des Geisteslebens versuchen sie,
diese Themen jetzt zu besetzen, aber auch für sich umzudrehen.
Das ließe sich an der Themenauswahl - ich habe aber nicht mehr
die Zeit, das auszuführen -, die in der Denkschrift vorgeschla
gen sind und schon an den Themenformulierungen zeigen, was
aufgenommen und ein bißchen umgewendet wird, so daß es für
meine Begriffe falsch wird.
Ich komme zum Schluß;
[Zuruf von der CDU: Keine Drohung!]
Entweder wird die Akademie eine Hochstapelei und ist in der
Stadt und darüber hinaus ein Gegenstand des Gelächters, oder
sie wird eine Oberbehörde der Wissenschaft, wie wir das in der
Streitschrift genannt haben, dann ist sie gefährlich. In einem Fall
ist die Akademie überflüssig, im anderen ist sie schädlich. In
jedem Fall kann Berlin auf sie verzichten.
[Beifall bei der AL]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Vielen Dank! - Das Wort
hat nun Herr Senator Turner.
Dr.Turner, Senator für Wissenschaft und Forschung: Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der
Abgeordnete Kremendahl hat zwei Fragen gestellt, die ich beant- ' '
Worten will, nämlich, wer in der Senatsverwaltung für Wissen
schaft und Forschung für die Behandlung der Angelegenheit
Akademie verantwortlich ist. Das bin natürlich ich, der ich derzeit
dieses Amt innehaben darf. Natürlich gibt es hier eine Zuarbeit
und eine Mitarbeit von Mitarbeitern. Diese erstreckt sich über
den Staatssekretär, über den Leiter der Abteilung I hin zu zwei
Mitarbeiterinnen, einmal eine Dame aus dem Zentralbereich und
dann die Leiterin des Rechtsreferats. Frau Schramm wird es
sicherlich mit Freude empfinden, daß jedenfalls bei der Erarbei
tung des Entwurfs, auch bei dem heutigen Vortrag, zwei Damen
beteiligt waren.
Zur zweiten Frage, ob Herr Staatssekretär Schuster als Gene
ralsekretär der Akademie im Gespräch ist: Es ist darauf hinzu
weisen, daß der Generalsekretär auf Vorschlag des Präsidenten
ins Amt kommt. Da es derzeit keinen Präsidenten gibt - und auch
bei optimistischer Betrachtung wird es ein Dreivierteljahr bis zu
einem Jahr dauern, bis die Gremien installiert sind -, kann ein
solcher Vorschlag nicht vorher vorliegen. Ich weiß nicht, wer
welche Gespräche führt. In Gesprächen, die ich führe, ist jeden
falls von keinem Namen die Rede, weil dies eine Vorwegnahme
einer Entscheidung wäre, die der zukünftige Präsident der Aka
demie vorzubereiten und vorzuschlagen hat. Derzeit gibt es, um
das ganz klar zu sagen, keinen Namen als Kandidat für den
Generalsekretär der zu gründenen Akademie.
Ich hoffe, die Fragen beantwortet zu haben.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Als nächster hat das Wort
Herr Senator Kewenig.
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Erschrecken Sie nicht. Ich
bin eigentlich nicht mehr zuständig, aber dennoch nehme ich die
Gelegenheit wahr, etwas zu einer Angelegenheit zu sagen, in die
ich - das möchte ich hier ganz im Ernst sagen - ein ganzes
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