Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
42. Sitzung vom 12. Dezember 1986
Kammholz
(A) kann nicht bedeuten, daß auf der anderen Seite der Kosten
deckungsgrad immer weiter absinkt, sondern hier ist auch die
Position vorgegeben, 40% anzupeilen. Das muß angegangen
werden durch eine Reihe von Maßnahmen, die wir auch im
einzelnen aufgezeigt haben. Wir begrüßen, daß die BVG
zunehmend eine gewisse Flexibilität aufzeigt, die allerdings
auch fragwürdige Ziele trägt. Ich frage mich noch einmal:
Haben wir eigentlich Busse angeschafft, die ja nicht so ganz
billig sind, damit diese als Schließfächer vermietet werden an
den Sonnabenden? Ich frage das nur einmal. Ist es das, was
der Opposition vorschwebt als neues Betätigungsfeld der
BVG? Das kann es doch wohl nicht sein!
[Momper (SPD): Wissen Sie denn nicht, daß der
Senator Wronski nicht zu unserer Fraktion ge
hört?]
Wenn es auch nicht zu leugnen ist, daß es vielleicht einen
Bedarf an Schließfächern an verkaufsoffenen Samstagen für
die Berliner gibt. Bloß können wir es uns leisten, dort teure
BVG-Busse hinzustellen und es als Erfolg zu feiern, wenn
hundert Berliner dort ihr Päckchen abgeben? Das frage ich
noch einmal, - Das kann doch wohl nicht alles sein an der
neuen BVG-Politik. Hier muß doch in einem umfassenderen
und geschlosseneren Sinne das ganze angegangen werden.
Lassen Sie mich dann einige Bemerkungen machen zur
BSR. Bei der BSR haben wir - ich will das einmal ganz
vorsichtig sagen - offensichtlich eine Zwangsläufigkeit der
Verantwortungsträger dergestalt, daß unabhängig, ob dort ein
Schwarzer oder Roter die politische Verantwortung hat, er
umgehend die Farbe der BSR annimmt. Das erleichtert nicht
unbedingt die politischen Vorgaben, die dieses Unternehmen
braucht. Dieses Unternehmen braucht eine gewisse politische
Verantwortung in einem festgelegten Rahmen, den wir letz-
(gj tens hier verändert abgesteckt haben. Wir meinen, daß dieser
veränderte Rahmen, der einen Wetlbewerbsdruck in einigen
Teilbereichen auf die BSR bringt, zum Wohle der Stadt
geschehen ist. Nicht zum Wohle der ÖTV und - ich sage das
ganz ehrlich - nicht in erster Linie zum Wohle der Angehöri
gen der Eigenbetriebe, sondern in erster Linie zum Wohle der
Berliner. Denn die Berliner haben ein Recht darauf, zu
niedrigstmöglichen Tarifen entsorgt zu werden. Und der
Wettbewerbsdruck wird dazu beitragen. Ich gebe zu, daß die
BSR hier einige Probleme in der Umstrukturierung wird
meistern müssen. Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, hier
beizutragen. Wir warten auf die entsprechenden Vorschläge
des Senats. Wir sind bereit, beispielsweise die Haushaltsord
nung zu entrümpeln zugunsten der Eigenbetriebe, das haben
wir immer gesagt. Wir sind auch bereit, die Eigenbetriebe in
bestimmten Bereichen sogar aus der Tariffestlegung durch
das Abgeordnetenhaus zu entlassen, weil wir sehen, daß es
langfristig Probleme geben muß, wenn einmal im Jahr ein
Tarif festgelegt wird, private Wettbewerber sich dann unter
den Tarif legen und die BSR dann darauf nicht mehr reagieren
kann.
Diese Schritte verlangen natürlich auch vom Senat zu
nächst einmal Maßnahmen, insbesondere in den anstehen
den Tarifverhandlungen zwischen ÖTV und Senat. Die ÖTV
war ja - ich sage das einmal so - so leichtsinnig, diese
Tarifvereinbarungen zu kündigen. Die Wettbewerbsfähigkeit
wird verlangen, daß hier bestimmte Dinge in Angriff genom
men werden, die das langfristige Überleben der BSR im
Wettbewerbsbereich, - im übrigen ist sie sowieso nicht
angetastet - sichern. Da bin ich auch nach meinen Gesprä
chen in der Geschäftsleitung ziemlich sicher, daß sie das
schafft. Mir liegt daran, noch einmal darauf hinzuweisen, daß
diese Politik der Umstrukturierung oder der vorsichtigen
Umorientierung der Eigenbetriebe durchaus eine Resonanz in
der Berliner Bevölkerung und auch in der Berliner Arbeitneh
merschaft findet. Ich möchte noch einmal ausdrücklich dage
gen angehen, daß hier so getan wird, als sei die SPD mit ihrer
einseitigen Position der Vertreter der Berliner Arbeiterschaft. (C)
Sie ist es nicht.
[Beifall bei der F.D.P. und CDU]
Ich sage Ihnen einmal, daß es auch in anderen Unternehmen
ÖTV-Mitglieder gibt. Mir liegt beispielsweise hierein Brief des
Betriebsrates des Wettbewerbsunternehmens der BSR, der
Firma ALBA vor. Dieser Brief ist an den Deutschen Gewerk
schaftsbund gerichtet, und ich erlaube mir nur einige Passa
gen daraus einmal vorzutragen. Hier stellt der Betriebsrat -
wohlbemerkt: nicht die Firm ALBA - fest, daß es in Berlin
allein zwölf private Entsorgungsbetriebe gibt, die rund 1000
Arbeitnehmer beschäftigen. Und weiterhin, daß bei gleichblei
bendem Entsorgungsbedarf in Berlin Arbeitsplätze ja wohl
nicht vernichtet werden können, sondern allenfalls von der
BSR zu den Privaten verlagert werden können.
[Zuruf des Abg. Dr. Staffelt (SPD)]
- Das ist das, was man wohl - wenn man Wettbewerbsdruck
macht, Herr Dr. Staffelt - in Kauf nehmen muß. -
[Vetter (CDU): Wo ist denn Herr Klinski, der hier
so getönt hat?]
Der Betriebsrat stellt weiterhin fest:
..., daß der DGB die einseitigen Interessen des auf
diesem Sektor größten Arbeitgebers, nämlich der BSR,
eines Arbeitgebers ohne unternehmerischen Charakter,
aber mit behördlicher Struktur-allein vertritt und daß der
DGB damit seine Aufgabe verfälscht.
[Dr. Staffelt (SPD): Worüber reden Sie eigentlich? (D)
Reden Sie über die Probleme des Deutschen
Gewerkschaftsbundes ober über die Zukunft des
Eigenbetriebs?
Nach allem, was hier abgeiaufen ist, ist das wohl richtig. Der
DGB muß sich von diesem Betriebsrat Vorhalten lassen,
... daß man betroffen ist von dem Mangel an politischem
Augenmaß und der Leichtfertigkeit, mit der die eigenen
Mitglieder und die Öffentlichkeit getäuscht werden.
Ich habe einen Brief einer Berliner Bürgers erhalten - der
wohl auch der Presse zugegangen ist-, in dem ausdrücklich
die Initiative des Abgeordnetenhauses begrüßt wird. Ich
zitiere daraus:
Warum ist die BSR eigentlich nicht wettbewerbsfähig, wo
sie doch nicht einmal Gewinne erwirtschaften muß?
- Berechtigte Frage! -
Wie kommt es eigentlich, daß nach der Gesetzesände
rung die BSR in bestimmten Bereichen Tarifsenkungen
vornahm?
-Wie schön! Davon haben wir Berliner etwas. - Das war doch
ein Erfolg der Gesetzesänderung im Abgeordnetenhaus-
Wenn es nicht zu dieser Gesetzesänderung gekommen wäre,
wäre es zur Verbesserung der Preisstruktur in bestimmten
Bereichen der BSR auch nicht gekommen. Das sind die
Effekte, die wir auslösen wollten. Deshalb sollten wir auf
diesem Weg weitermachen. Ich glaube, die Opposition hatte
gestern und heute „Kümmerlingtag“.
[Beifall bei der F.D.P. und CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun Senator
Wronski.
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