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Volume Nr. 40, 10. Dezember 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
40. Sitzung vom 10. Dezember 1986 
Sen Dr. Starnick 
4) 
B) 
tem Wege informiert werden würde, so wie es im umge 
kehrten Fall selbstverständlich auch geschehen würde. 
Sofern bei Störfällen im östlichen Teil Berlins oder der 
DDR Gewässerverunreinigungen im Oberlauf der Berlin 
(West) durchfließenden Gewässer eintreten sollten, be 
steht folgende Situation: Für im Wasser geloste oder 
sonst mitgeführte Schadstoffe ergeben sich bei mittlerer 
Niedrigwasserführung von Spree und Havel als Durch 
flußzeiten in Berlin (West) für den Fall Oberhavel/Unter 
havel rund 24, für den Fall Spree/Unterhavel rund 16 
Tage. Bei diesen langen Aufenthaltszeiten müßten gege 
benenfalls auch die jeweils betroffenen Wasserwerke ab 
schaltet werden. In solchen Fällen könnte dann nur noch 
der durchnittliche Wasserbedarf, nicht aber der Spitzen 
wasserbedarf befriedigt werden. Bei nicht zu hoher Was 
serführung könnte eine Umleitung von Oberhavelwasser 
über den Havelkanal oder von Spreewasser zum Teltow 
kanal in Betracht gezogen werden. Dies müßte gegebe 
nenfalls die DDR veranlassen. Absprache hierüber beste 
hen bisher nicht. 
Aber summarisch möchte ich dennoch auf die Fragen ein- 
gehen; Die volle Zahl der Chemikalienlager mit brennbaren und 
giftigen Stoffen in Berlin ist nicht bekannt, da eine generelle 
Genehmigungs- und Anzeigepflicht - unbeschadet etwaiger 
Baugenehmigungen - für derartige Anlagen nicht besteht. Dies 
gilt auch für die Lagerung von Pestiziden, sofern die Mengen 
grenze von fünf Tonnen unterschritten bleibt. Bekannt ist, daß 
größere Lager bei der Firma Schering in der Wiebestraße und 
bei den Speditionen Firma Mann in der Fidicinstraße und der 
Firma Betrako in der Buckower Chaussee bestehen. Dort lagern 
Pflanzenschutzmittel von insgesamt etwa 40 Tonnen. Sowohl 
die Mengen als auch die Stoffe ändern sich ständig, weil es sich 
um reine Zwischenlager für den Berliner Fach- und Einzelhandel 
handelt. 
Weiterhin gibt es eine Reihe von Betrieben zur Lagerung 
brennbarer Flüssigkeiten und Gase als Brennstoffe sowie zur 
fabrikmäßigen Herstellung von Stoffen durch chemische 
Umwandlung. Außerdem weise ich auf ca. 50 Galvanisierbetrie 
be mit einem Gefahrenpotential durch die Lagerung giftiger Cya 
nide sowie auf 364 Einzel- und 34 Großhändler hin, bei denen 
ebenfalls giftige Chemikalien gelagert werden. 
Besonders bedeutsam sind Ihre Fragen zu den erforderlichen 
Schutzmaßnahmen, insbesondere den Sicherheifsanalysen und 
den daraus abzuleitenden Katastrophenplänen: Bislang gibt es 
keine spezielle Vorschrift, die umfassend die sicherheitstech 
nisch einwandfreie Lagerung brennbarer und giftiger Chemi 
kalien regelt. Einschlägige konkrete Vorschriften gibt es nur für 
Teilgebiete, wie zum Beispiel brennbare Flüssigkeiten und giftige 
Gase. Im übrigen finden sich die sicherheitstechnischen Anfor 
derungen verstreut in verschiedenen Arbeilsschutzgesetzen und 
-Verordnungen sowie in diversen berufsgenossenschaftlichen 
Unfallverhütungsvorschriften. Das sind im einzelnen 
schlossen werden kann, daß ein Freiwerden des in ihnen vorhan 
denen Gefährdungspotentials zu einer Gemeingefahr führt, ver 
pflichten, den zuständigen Ordnungsbehörden und auch der 
Berliner Feuerwehr Unterlagen vorzulegen. 
Übrigens: Wie schon in der Antwort des Senats vom 13. Ok 
tober 1986 aut die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau 
Dr. Hilde Schramm dargestellt, ist die Berliner Feuerwehr auf 
grund des allgemeinen Ausbildungsstandes ihrer Beamten und 
durch die im höheren feuerwehrtechnischen Dienst vorhandenen 
Beamten mit einschlägigen Fachstudienrichtungen in der Lage, 
auch ad hoc im Gefahrenfall die richtigen Maßnahmen einzu 
leiten. 
Allerdings ist es einer besonderen Überlegung wert, ob die 
jüngst erfolgte Herausnahme wesentlicher Umweltschutzbestim 
mungen aus dem Baurecht sowie die Einschränkung der Brand 
sicherheitsschauen wohl wirklich richtig waren, 
[Beifall des Abg. Klinski (AL) - Zuruf von der SPD: 
Sehr richtig!] 
In der erwähnten ressortübergreifenden Arbeitsgruppe sind 
die Arbeiten inzwischen aufgenommen worden, die fachlichen 
Anforderungen an solche innerbetrieblichen Alarmpläne verwal- 
tungsübergreifend abzustimmen und insbesondere den Informa 
tionsfluß zu den für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden 
und Einrichtungen sicherzustellen. 
Der Senat hält es durchaus auch für zweckmäßig, begleitend 
zu den derzeit laufenden Initiativen in Einzelfällen sowie für be 
stimmte Branchen durch Sicherheitsstudien und Sicherheifsana 
lysen Risikopotentiale abschätzen zu lassen. 
Lassen Sie mich meine politischen Ziele zusammenfassen: 
Mir kommt es im wesentlichen darauf an, daß ich auch zugleich 
auf die politischen Folgerungen emgehen kann, die aus dem in 
den letzten Wochen am Rhein Geschehenen zu ziehen sind. Wie 
ich bereits eingangs erwähnt habe, ist von meiner Verwaltung 
sofort nach dem Störfall bei Sandoz ein Sofortprogramm initiiert 
und eingeleitet worden. Darüber hinaus habe ich aber in meiner 
Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender der Umweltministerkon 
ferenz in Abstimmung mit dem Bundesumweltminister meine 
Kollegen im Bund und in den Ländern zu einer Sondersitzung 
über die erforderlichen Konsequenzen für den 16. und 1 7. De 
zember eingeladen. 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Angesichts des Störfalls bei Sandoz und anderer bekanntge 
wordener Betriebstörungen bei chemischen Betrieben halte ich 
nicht nur unverzügliche Maßnahmen zur Überprüfung der Sicher 
heitsvorkehrungen bei Anlagen und Betrieben mit ähnlichem 
Gefahrenpotential für erforderlich. Zur Verbesserung der tech 
nischen Sicherheit sind die Gefahrenquellen zu verringern und 
zu begrenzen; die Informations-, Überwachungs- und Schaden 
ersatzpflichten sind zu verbessern, und schließlich sind die 
Regelungslücken in den Vorschriften zur Gefahrenvorsorge und 
-abwehr zu schließen. 
1. die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, 
2. die Druckbehälterverordnung, 
3. die Gefahrstoffverordnung, 
4. die Verordnung zur Lagerung wassergefährdender 
Flüssigkeiten und 
5. die Arbeitsstättenverordnung. 
Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind allerdings bei den 
Betrieben getroffen worden, die der Störfallverordnung unter 
liegen. Diese Vorkehrungen zielen vorrangig auf die Vermeidung 
von Störfällen als auch der Brandentstehung ab. 
Derzeit wird durch den Senat geprüft, wie im Rahmen von 
landesrechtlichen Regelungen Betriebe mit hohem Gefähr 
dungsrisiko zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet 
werden können. Diese Regelungen sollen auch für Fälle unter 
halb der Katastrophenschwelle gelten und Betreiber von An 
lagen, bei denen aufgrund ihrer Größe und Art nicht ausge 
Nach diesen Grundsätzen sind u. a. die im folgenden aufge 
führten rechtlichen Bestimmungen zu überprüfen, zu erweitern 
oder neu zu fassen: 
1. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist in Verbindung mit 
dem Wasserhaushaltsgesetz mit der Zielsetzung zu novellieren, 
insbesondere die Wasserbehörde an immissionsschutzrecht 
lichen Genehmigungsverfahren stärker zu beteiligen. 
2. Die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 
mit dem Ziel der Ausweitung behördlicher Befugnisse und der 
Erweiterung des Kreises genehmigungsbedürftiger Anlagen zu 
überarbeiten. 
3. Die Störtallverordnung ist zu novellieren 
a) bezüglich der Anforderungen zur Verhinderung von Stör 
fällen bzw. der Begrenzung von Störfallauswirkungen unter 
Berücksichtigung einer Verpflichtung für bauliche Schutz 
vorkehrungen, 
(C) 
(D) 
2411
	        
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