Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
40. Sitzung vom 10. Dezember 1986
Sen Dr. Starnick
4)
B)
tem Wege informiert werden würde, so wie es im umge
kehrten Fall selbstverständlich auch geschehen würde.
Sofern bei Störfällen im östlichen Teil Berlins oder der
DDR Gewässerverunreinigungen im Oberlauf der Berlin
(West) durchfließenden Gewässer eintreten sollten, be
steht folgende Situation: Für im Wasser geloste oder
sonst mitgeführte Schadstoffe ergeben sich bei mittlerer
Niedrigwasserführung von Spree und Havel als Durch
flußzeiten in Berlin (West) für den Fall Oberhavel/Unter
havel rund 24, für den Fall Spree/Unterhavel rund 16
Tage. Bei diesen langen Aufenthaltszeiten müßten gege
benenfalls auch die jeweils betroffenen Wasserwerke ab
schaltet werden. In solchen Fällen könnte dann nur noch
der durchnittliche Wasserbedarf, nicht aber der Spitzen
wasserbedarf befriedigt werden. Bei nicht zu hoher Was
serführung könnte eine Umleitung von Oberhavelwasser
über den Havelkanal oder von Spreewasser zum Teltow
kanal in Betracht gezogen werden. Dies müßte gegebe
nenfalls die DDR veranlassen. Absprache hierüber beste
hen bisher nicht.
Aber summarisch möchte ich dennoch auf die Fragen ein-
gehen; Die volle Zahl der Chemikalienlager mit brennbaren und
giftigen Stoffen in Berlin ist nicht bekannt, da eine generelle
Genehmigungs- und Anzeigepflicht - unbeschadet etwaiger
Baugenehmigungen - für derartige Anlagen nicht besteht. Dies
gilt auch für die Lagerung von Pestiziden, sofern die Mengen
grenze von fünf Tonnen unterschritten bleibt. Bekannt ist, daß
größere Lager bei der Firma Schering in der Wiebestraße und
bei den Speditionen Firma Mann in der Fidicinstraße und der
Firma Betrako in der Buckower Chaussee bestehen. Dort lagern
Pflanzenschutzmittel von insgesamt etwa 40 Tonnen. Sowohl
die Mengen als auch die Stoffe ändern sich ständig, weil es sich
um reine Zwischenlager für den Berliner Fach- und Einzelhandel
handelt.
Weiterhin gibt es eine Reihe von Betrieben zur Lagerung
brennbarer Flüssigkeiten und Gase als Brennstoffe sowie zur
fabrikmäßigen Herstellung von Stoffen durch chemische
Umwandlung. Außerdem weise ich auf ca. 50 Galvanisierbetrie
be mit einem Gefahrenpotential durch die Lagerung giftiger Cya
nide sowie auf 364 Einzel- und 34 Großhändler hin, bei denen
ebenfalls giftige Chemikalien gelagert werden.
Besonders bedeutsam sind Ihre Fragen zu den erforderlichen
Schutzmaßnahmen, insbesondere den Sicherheifsanalysen und
den daraus abzuleitenden Katastrophenplänen: Bislang gibt es
keine spezielle Vorschrift, die umfassend die sicherheitstech
nisch einwandfreie Lagerung brennbarer und giftiger Chemi
kalien regelt. Einschlägige konkrete Vorschriften gibt es nur für
Teilgebiete, wie zum Beispiel brennbare Flüssigkeiten und giftige
Gase. Im übrigen finden sich die sicherheitstechnischen Anfor
derungen verstreut in verschiedenen Arbeilsschutzgesetzen und
-Verordnungen sowie in diversen berufsgenossenschaftlichen
Unfallverhütungsvorschriften. Das sind im einzelnen
schlossen werden kann, daß ein Freiwerden des in ihnen vorhan
denen Gefährdungspotentials zu einer Gemeingefahr führt, ver
pflichten, den zuständigen Ordnungsbehörden und auch der
Berliner Feuerwehr Unterlagen vorzulegen.
Übrigens: Wie schon in der Antwort des Senats vom 13. Ok
tober 1986 aut die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau
Dr. Hilde Schramm dargestellt, ist die Berliner Feuerwehr auf
grund des allgemeinen Ausbildungsstandes ihrer Beamten und
durch die im höheren feuerwehrtechnischen Dienst vorhandenen
Beamten mit einschlägigen Fachstudienrichtungen in der Lage,
auch ad hoc im Gefahrenfall die richtigen Maßnahmen einzu
leiten.
Allerdings ist es einer besonderen Überlegung wert, ob die
jüngst erfolgte Herausnahme wesentlicher Umweltschutzbestim
mungen aus dem Baurecht sowie die Einschränkung der Brand
sicherheitsschauen wohl wirklich richtig waren,
[Beifall des Abg. Klinski (AL) - Zuruf von der SPD:
Sehr richtig!]
In der erwähnten ressortübergreifenden Arbeitsgruppe sind
die Arbeiten inzwischen aufgenommen worden, die fachlichen
Anforderungen an solche innerbetrieblichen Alarmpläne verwal-
tungsübergreifend abzustimmen und insbesondere den Informa
tionsfluß zu den für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden
und Einrichtungen sicherzustellen.
Der Senat hält es durchaus auch für zweckmäßig, begleitend
zu den derzeit laufenden Initiativen in Einzelfällen sowie für be
stimmte Branchen durch Sicherheitsstudien und Sicherheifsana
lysen Risikopotentiale abschätzen zu lassen.
Lassen Sie mich meine politischen Ziele zusammenfassen:
Mir kommt es im wesentlichen darauf an, daß ich auch zugleich
auf die politischen Folgerungen emgehen kann, die aus dem in
den letzten Wochen am Rhein Geschehenen zu ziehen sind. Wie
ich bereits eingangs erwähnt habe, ist von meiner Verwaltung
sofort nach dem Störfall bei Sandoz ein Sofortprogramm initiiert
und eingeleitet worden. Darüber hinaus habe ich aber in meiner
Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender der Umweltministerkon
ferenz in Abstimmung mit dem Bundesumweltminister meine
Kollegen im Bund und in den Ländern zu einer Sondersitzung
über die erforderlichen Konsequenzen für den 16. und 1 7. De
zember eingeladen.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Angesichts des Störfalls bei Sandoz und anderer bekanntge
wordener Betriebstörungen bei chemischen Betrieben halte ich
nicht nur unverzügliche Maßnahmen zur Überprüfung der Sicher
heitsvorkehrungen bei Anlagen und Betrieben mit ähnlichem
Gefahrenpotential für erforderlich. Zur Verbesserung der tech
nischen Sicherheit sind die Gefahrenquellen zu verringern und
zu begrenzen; die Informations-, Überwachungs- und Schaden
ersatzpflichten sind zu verbessern, und schließlich sind die
Regelungslücken in den Vorschriften zur Gefahrenvorsorge und
-abwehr zu schließen.
1. die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten,
2. die Druckbehälterverordnung,
3. die Gefahrstoffverordnung,
4. die Verordnung zur Lagerung wassergefährdender
Flüssigkeiten und
5. die Arbeitsstättenverordnung.
Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind allerdings bei den
Betrieben getroffen worden, die der Störfallverordnung unter
liegen. Diese Vorkehrungen zielen vorrangig auf die Vermeidung
von Störfällen als auch der Brandentstehung ab.
Derzeit wird durch den Senat geprüft, wie im Rahmen von
landesrechtlichen Regelungen Betriebe mit hohem Gefähr
dungsrisiko zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet
werden können. Diese Regelungen sollen auch für Fälle unter
halb der Katastrophenschwelle gelten und Betreiber von An
lagen, bei denen aufgrund ihrer Größe und Art nicht ausge
Nach diesen Grundsätzen sind u. a. die im folgenden aufge
führten rechtlichen Bestimmungen zu überprüfen, zu erweitern
oder neu zu fassen:
1. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist in Verbindung mit
dem Wasserhaushaltsgesetz mit der Zielsetzung zu novellieren,
insbesondere die Wasserbehörde an immissionsschutzrecht
lichen Genehmigungsverfahren stärker zu beteiligen.
2. Die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen
mit dem Ziel der Ausweitung behördlicher Befugnisse und der
Erweiterung des Kreises genehmigungsbedürftiger Anlagen zu
überarbeiten.
3. Die Störtallverordnung ist zu novellieren
a) bezüglich der Anforderungen zur Verhinderung von Stör
fällen bzw. der Begrenzung von Störfallauswirkungen unter
Berücksichtigung einer Verpflichtung für bauliche Schutz
vorkehrungen,
(C)
(D)
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