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Volume Nr. 38, 13. November 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
38. Sitzung vom 13. November 1986 
Frau Brinckmeier 
(A) aber ist kein abgestuftes Versorgungssystem, dies ist schlicht- 
weg Etikettenschwindel. Wir haben nämlich in dieser Stadt gar 
nicht zu viele Betten in der Zentralversorgung, sondern zu viele 
Betten, die darunter geführt werden, ohne daß sie tatsächlich 
diese Funktion erfüllen. 
[Beifall bei der SPD] 
Hinzu kommt, daß keine Handlungsdirektiven im Plan vorhanden 
sind, die garantieren, daß schließlich tatsächlich jeder Kranke in 
das Krankenhaus gelangt, das seinen persönlichen Erfordernis 
sen gerecht wird. 
Völlig unzulänglich ist die Beantwortung des Senats zu der 
Forderung der fortlaufenden Überprüfung nach dem jeweiligen 
Stand von krankenhausentlastenden Versorgungsangeboten als 
Voraussetzung für die schrittweise Reduzierung von Betten, 
besonders unter dem Aspekt der gleichzeitigen Verminderung 
von Akut- und Chronikerbetten. Hier beruft sich der Senat ledig 
lich auf den Abschluß eines Vertrags zwischen Krankenkassen 
und Wohifahrtsverbänden, der die Bezahlung einer Haushalts 
hilfe zur Vermeidung von Krankenhauspflege regelt. Das ist ein 
Schritt, der auch von uns begrüßt wird, nicht aber als Alibifunk 
tion für weitergehende Überlegungen hinsichtlich einer besseren 
ambulanten Versorgung herhalten darf. Dies ist und bleibt der 
Pferdefuß der gesamten Krankenhausplanung. Es reicht nicht 
aus, lediglich unter dem Druck der Kassen mit der Senkung der 
Bettenzahlen in den Krankenhäusern nachzugeben, ohne ein 
umfassendes und solide begründetes Programm der medizi 
nischen und sozialen Versorgung aufzustellen. Darauf haben wir 
vielfach hingewiesen; es passiert allerdings nichts. 
Der immer wieder von uns vorgebrachte Hauptkritikpunkt ist, 
daß angesichts der Tatsache, daß so viele Menschen in hohem 
und höchstem Lebensalter in den Krankenhäusern für Akut- 
kranke liegen, nicht ernstlich bestritten werden darf, daß Betten 
im derzeitigen Umfang nach wie vor gebraucht werden, daß aber 
viele Betten heute am falschen Ort, im falschen Rahmen stehen. 
Kein Wort ist in dem Krankenhausplan darüber verloren, warum 
noch immer nicht ermittelt ist, welches Ausmaß der Fehlbele 
gung in den Krankenhäusern für Akutkranke besteht. 
Hier haben wir - übrigens auf Initiative der Sozialdemokraten 
- nachgebessert, indem wir heute einen Antrag verabschieden, 
der den Senat auffordert, das Ausmaß der sogenannten Fehl 
belegung in Akutkrankenhäusern durch Chronischkranke in das 
Forschungsvorhaben .Morbiditätsstatistik“ einzubeziehen. 
Normalerweise hätte eine Planung ohne eine derartige vorherige 
Datenerfassung gar nicht in Angriff genommen werden dürfen. 
Ohne diese Daten ist weder eine der Zahl nach angemessene 
Umwidmung oder Einsparung von Krankenhausbetten möglich 
noch deren finanzielle Belastung durch Chronischkranke in Akut 
krankenhäusern korrigierbar. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß das Statisti 
sche Landesamt festgestellt hat, daß 1990 94 000 Einwohner 
über 80 Jahre sein werden. Wir müssen heute davon ausgehen, 
daß davon ein Drittel chronisch krank sein wird, sich nicht mehr 
selbst versorgen kann, also pflegebedürftig wird. Die Einsicht ist 
unbequem; aber für die Mitbürger muß gesorgt werden. Sicher 
lich sollte und kann dies nicht nur in Krankenhäusern geschehen. 
Krankenhäuser für Akutkranke sollten dafür nur in Anspruch 
genommen werden, soweit es medizinisch geboten ist. 
Aber man sollte sich nicht darüber hinwegtäuschen, daß 
ein großer Teil der alten Menschen auf Krankenhäuser für Chro 
nischkranke und auf stationäre Riegeversorgung angewiesen 
sein wird. Nicht umsonst hat der Senat in seiner Eröffnungs 
bilanz 1982 auch noch die Umwidmung von Akutbetten in Chro 
nikerbetten angekündigt. Jetzt soll die Zahl sogar nochmals 
vermindert werden, und von Riegeeinrichtungen wird im Plan 
überhaupt nicht mehr gesprochen. 
Nicht nur - wie gesagt -, daß die Betten für Chronischkranke 
schon im Entwurf um 567 vermindert werden sollten - trotz vieler 
Bedenken, die in den Anhörungen gemacht worden sind im 
endgültigen, jetzt vorliegenden Plan reduziert sich die ganze 
Angelegenheit ganz unverfroren noch einmal schlicht um 290 
Betten in diesem Bereich. Man addiert einfach Kapazitäten (C) 
außerhalb des geförderten Bereiches hinzu, also nach dem 
Motto, daß die Bahner-Betten irgendwie untergebracht werden 
müssen, also werden sie da einfach mal schnell addiert. Das ist 
überhaupt keine vernünftige Basis für eine ordentliche Planung. 
[Beifall bei der SPD] 
Wenn man das Problem der Versorgung alter, pflegebedürfti 
ger Menschen auch nur einigermaßen in den Griff kriegen will, 
dann muß es weit mehr als bisher Einrichtungen im ambulanten 
Bereich geben - speziell auch in den Sozialstationen. Darauf 
geht die Mitteilung des Senats überhaupt nicht mehr ein, ob 
gleich doch gefordert wird, daß nach dem jeweiligen Stand kran 
kenhausentlastende Versorgungsangebote festgestellt werden 
müssen, damit die Vertretbarkeit gleichzeitiger Reduzierung von 
Akut- und Chronikerbetten geprüft werden kann. 
Von Anfang an haben wir deutlich gemacht, daß nur bei geziel 
ten Anstrengungen diese Sozialstationen als krankenhaus 
entlastende Maßnahmen - das heißt nicht unbedingt kosten 
entlastende Maßnahmen - ihre Aufgaben erfüllen können. Wir 
haben unsere Vorstellungen in einem Antrag zur Verbesserung 
der ambulanten Dienste deutlich gemacht, indem wir versuchen, 
die derzeitig noch bestehenden Mängel durch eine Bündelung 
gleichzeitiger und gleichgerichteter Reorganisationsmaßnahmen 
zu beheben. Vor allem soll ein Leistungsrahmen für die Sozial 
stationen festgelegt werden, damit bei der Aufgabenbestim 
mung offensichtliche, vorhandene Unklarheiten beseitigt werden 
können. 
Wir hoffen nach wie vor auf die Unterstützung der Regierungs 
fraktionen, da von Senatsseife anläßlich einer ersten Diskus 
sionsrunde im Fachausschuß nur Ablehnung deutlich wurde. Mit 
einer unbeschreiblichen Arroganz versuchte Staatssekretär 
Hasinger den gesamten Antrag, in den viel Experten- und Betrof- 
fenenwissen eingeflossen ist, zu diffamieren, abzukanzeln und 
schlichtweg für überflüssig zu halten. Wieder einmal hat der 
Senat bewiesen, daß er nicht bereit ist, die unterstützenden und (p) 
konstruktiven Handhabungen der Opposition aufzunehmen; 
statt dessen will er diese unterstützende, konstruktive Mitarbeit 
in den Wind schlagen. Wir betreiben nämlich keine Verweige 
rungsstrategie, wie uns immer unterstellt wird, weil uns 
die Gesundheitsversorgung dieser Stadt im Interesse der betrof 
fenen Menschen eine ständige Aufgabe und eine Herausforde 
rung ist. 
[Krüger (CDU); Ist es für uns aber genauso!] 
Herr Fink, wir brauchen Ihre Unterstützung nicht nur, wenn es um 
diagnosebezoge Riegesätze geht. Auch das war ja ein kon 
struktiver Beitrag der Opposition. Wir fordern Sie auf, Ihrer 
Verantwortung gerade für den ambulanten Bereich gerecht zu 
werden und dies nicht dem freien Markt der Kräfte zu überlassen. 
[Beifall bei der SPD] 
Es muß uns gemeinsam gelingen, die stationäre und die ambu 
lanten Angebote so zu verzahnen, daß Ihre Krankenhausplanung 
nicht zu dem von vielen Experten befürchteten katastrophalen 
Reinfall wird, daß die gesamte Gesundheitsversorgung dieser 
Stadt gefährdet wird. 
[Beifall bei der SPD] 
Die Forderung, über eine Morbiditätsstatistik hinaus zusätz 
lich im nichtstationären Bereich gesundheitsrelevante Daten 
stichprobenartig zu erheben, wird in dieser Vorlage auswei 
chend beantwortet. Man prüft, man will einen Projektträger 
finden, aber keine Vorgaben, wie das auszusehen hat. Dabei gibt 
es doch bereits heute Möglichkeiten, zum Beispiel über die 
eingereichten Behandlungsscheine bei den Krankenkassen, 
über Stichprobenerhebungen gesundheitsrelevante Daten zu er 
fassen. Der Vorwurf geht also an den Senat: Wenn schon 
keine Inhalte vorliegen, wie so etwas auszuführen ist, weshalb 
wird dann nicht auf Vorhandenes zurückgegriffen und ausgewer 
tet, bevor wieder viel Geld für teure Forschungsaufträge aus 
gegeben wird? 
Aus Zeitgründen und weil die Vorlage auch derartig unzurei 
chend in diesen Punkten ist, werde ich Ziffern 8 bis 13, 
2236
	        
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