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Volume Nr. 38, 13. November 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
38. Sitzung vom 13. November 1986 
Sen Dr. Turner 
(A) Zu Frage 1: Es gibt insgesamt 47 Spezialsprechstunden im 
Universitätsklinikum Charlottenburg. Ich sehe davon ab, diese 
lange Liste hier vorzutragen; ich kann sie interessierten Mitglie 
dern des Hohen Hauses zur Verfügung stellen. Eine Angabe der 
Patientenzahlen ist aus den bereits dargestellten Gründen nicht 
möglich. Von diesen 47 Spezialsprechstunden sind 26 von der 
Verlagerung betroffen. Die übrigen Sprechstunden werden an 
ihren bisherigen Standorten im Oskar-Helene-Heim, im RVK und 
in der Psychiatrie unverändert weitergeführt. 
Zu Frage 2: Die Fragestellung geht von einem falschen Ver 
ständnis der Spezialsprechstunden aus. Es ist nicht die primäre 
Aufgabe der Universifätsklinika, die ambulante Gesundheitsver 
sorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Es ist vielmehr richtig, 
daß die speziellen Qualifikationen von Wissenschaftlern und die 
hochleistungsfähigen medizinisch-technischen Einrichtungen 
der Hochschulmedizin primär für Lehre und Forschung vorgehal 
ten werden und außerdem im möglichen und wünschenswerten 
Umfang auch für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung 
genutzt werden. Insofern werden unabhängig von der Verlage 
rung sämtliche Spezialsprechstunden unverändert weiterbetrie 
ben, weil dies aus wissenschaftlichen Gründen erforderlich ist. 
Zu Frage 3: Ich habe bereits dargestellt, daß das Angebot an 
Spezialsprechstunden durch die Verlagerung in keiner Weise 
beeinträchtigt wird. Alle Patienten werden am neuen Standort 
in den gleichen Spezialsprechstunden weiterbetreut. Damit steht 
fest, daß es keinerlei Beeinträchtigung geben wird. Im Gegenteil 
werden moderne Einrichtungen konzentriert auf einem Gelände 
eine eindeutige Verbesserung der Versorgung der Ambulanz- 
Patienten ermöglichen. Nicht zuletzt ist das RVK-Gelände direkt 
an das U-Bahnnetz angeschlossen und so auch für die Ambu 
lanz-Patienten viel günstiger zu erreichen. 
Zu Frage 4: Der Senat erwartet kein reduziertes Behandlungs 
angebot, weil bis zu den Umzügen in die betriebsbereiten neuen 
Einrichtungen im RVK das Personal, die Räume und die techni 
schen Einrichtungen im Bereich Westend zur Verfügung stehen. 
(B) 
Zusätzliche Angebote und Hilfestellungen werden deshalb auch 
nicht benötigt. Es muß nochmals hervorgehoben werden, daß 
die neue Senatsplanung insoweit mit eindeutigen Vorteilen ver 
bunden ist, denn nach den ursprünglichen Ausbauplänen für das 
Universitätsklinikum Charlottenburg wären dort die großen Bau 
vorhaben noch abzuwickeln gewesen. Dies hätte erhebliche 
Störungen über Jahre im Wissenschafts- und Krankenversor 
gungsbetrieb zur Folge gehabt. 
Zu Frage 5: Bereits heute werden im Deutschen Herzzentrum 
Kassen- und Privatambulanzen betrieben. Es bestehen derzeit 
Privatambulanzen für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie sowie 
Kardiologie. Aufgrund von Ermächtigungen durch die Kassen 
ärztlichen Vereinigungen wird die Vor- und Nachbehandlung 
bei Patienten mit Herztransplantationen und anderen herzchirur 
gischen Eingriffen durchgeführt. Ebenso besteht eine Beteili 
gung an der kassenärztlichen Versorgung kardiologischer 
Patienten. Das Deutsche Herzzentrum Berlin wird in der Lage 
sein, im Bereich des geplanten Rudolf-Virchow-Universitätsklini- 
kums weitere Spezialambulanzen für besondere Patienten 
gruppen sowohl im Bereich der Herz-, Thorax- und Gefäßchirur 
gie als auch der Kardiologie einzurichten. Insbesondere ist vor 
gesehen, im Zusammenhang mit der Übertragung weiterer Lehr- 
und Forschungsaufgaben die Ambulanzversorgung auch auf 
Versicherte und Selbstzahler im Rahmen von Polikliniken zu 
erstrecken, 
Zu Frage 6: Auch hier habe ich bereits klargestellt, daß alle 
Patienten lückenlos im neuen Klinikum weiterbehandelt werden. 
Dies setzt voraus, daß die Einrichtungen personell und sachlich 
entsprechend ausgestattet werden. Dies ist sichergestellt. Pro 
bleme der Wahrung von Patienfenrechten sind nicht erkennbar, 
weil es sich um schlichte Umzüge universitärer Einrichtungen 
handelt und Unbefugte in diesem Zusammenhang keinen Zugriff 
auf Patientenunterlagen erhalten. 
Zu Frage 7: Der Senat sperrt sich selbstverständlich nicht 
gegen begründete Berichtsersuchen des Abgeordnetenhauses. 
Ich habe dargelegt, daß keinerlei Beeinträchtigung der ambulan 
ten Krankenversorgung in der Errichtungsphase und dem Zeit 
raum danach erkennbar sind. Insofern sollte zunächst abgewar 
tet werden, wie sich die Durchführung der Errichtungsmaß- 
nahme gestaltet. 
[Beifall bei der CDU] 
Und lassen Sie mich - bevor ich noch zu einem weiteren 
allgemeinen Teil komme - eine Bemerkung aufgreifen, zu der 
ich hier bereits Stellung genommen habe, im Rahmen der Ant 
wort auf eine Mündliche Anfrage zu der Versorgung krebskran- 
ker Kinder. Ich habe in der Antwort seinerzeit gesagt, daß ich 
es für eine unverantwortliche Panikmache gehalten habe, so 
vorzugehen, wie es geschehen ist. Es bestand kein Anlaß dazu. 
Ich kann nicht auf ein Anliegen reagieren, wenn ich es noch nicht 
kenne. Wenn das Anliegen aber nicht vorgetragen wird, sondern 
zunächst der Presse mitgeteilt wird, braucht man sich nicht dar 
über zu beklagen, daß entweder die Universitätsleitung oder der 
Senator nichts getan hat. Wissen ist Voraussetzung für Tätig 
werden. Daran hat es gefehlt. 
[Beifall bei der CDU] 
Nach der Beantwortung der einzelnen Fragen darf ich fest 
stellen, daß Ihre Besorgnis über die Zukunft der Nachsorge 
und ambulanten Versorgung durch das Universitätsklinikum 
Charlottenburg in jedem einzelnen Punkt unbegründet ist. Ich 
möchte dies auch aus diesem Anlaß nochmals betonen, weil uns 
seit der Entscheidung über den Krankenhausplan 1986 ständig 
ähnliche Befürchtungen in Form von Kleinen und Mündlichen 
Anfragen vorgetragen werden und wir bisher jede dieser Einzel 
fragen und die darin enthaltenen Besorgnisse zerstreuen konn 
ten. 
Erlauben Sie mir deshalb abschließend, daß ich mich noch 
mals grundsätzlich zu der Errichtungsmaßnahme Rudolf-Vir- 
chow-Klinikum äußere. 
1. Der Senat sah sich bei der Erarbeitung des Krankenhaus 
plans 1986 mit vier grundlegenden Fakten konfrontiert; Erstens 
war auf die Bevölkerungsentwicklung zu reagieren, insbeson 
dere auf die überdurchschnittliche Abnahme des Anteils der 
über Sechzigjährigen. Zweitens mußte für das Überangebot an 
Betten im Bereich der Zentralversorgungsstufe eine Lösung 
gefunden werden. Keine vergleichbare Region verfügt über vier 
Häuser der Größenordnung, die Berlin aufzuweisen hatte. Drit 
tens hat eine Bestandsbewertung das eindeutige Resultat er 
bracht, daß die Geländesituation und der Zustand der Gebäude 
den Standort Charlottenburg als das Krankenhaus der Zentral 
versorgungsstufe bestimmte, welches mit den größten Nachtei 
len für die künftige Entwicklung versehen war. Viertens mußten 
die Krankenkosten für die stationäre Krankenhausbehandlung 
gedämpft werden, um die Entwicklung der Lohnnebenkosten zu 
kontrollieren und negative Auswirkungen auf das Beschäfti 
gungsniveau zu vermeiden. Das waren die Ausgangsprobleme 
und die Ausgangslage. 
2. Die Zielvorgabe war: Der Senat hat mit dem Beschluß über 
den Krankenhausplan an seinem Programm festgehalten, Berlin 
als Wissenschaftsmetropole zu konsolidieren und auszubauen. 
Dies gilt insbesondere angesichts der Tradition für die wissen 
schaftliche Medizin in dieser Stadt. Der Senat hat deshalb ent 
schieden, daß es bei zwei Universitätsklinika bleiben wird, und 
mit der Schließung des Städtischen Rudolf-Virchow-Kranken- 
hauses und der Errichtung des Rudolf-Virchow-Klinikums eine 
richtungsweisende Weichenstellung getroffen. 
[Beifall bei der CDU] 
Im Unterschied zur Vergangenheit werden in Berlin die Kran 
kenhaus-und Wissenschaftspolitik nicht parallel und unabge- 
stimmt nebeneinander aufgebaut, sondern es werden die gebo 
tenen strukturellen Anpassungen vorgenommen, wobei die Be 
lange von Wissenschaft und Gesundheitsversorgung integriert 
entwickelt werden. Diese ressortübergreifende Lösung von 
strukturellen Problemlagen im Krankenhausbereich und in der 
Ausbauplanung der Hochschulmedizin ist nicht nur das Kern 
stück des Krankenhausplans 1986, sondern ein Muster dafür, 
wie Planungsfehler der Vergangenheit überwunden werden. 
[Schicks (CDU): Das ist sehr gut so!] 
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