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Volume Nr. 38, 13. November 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
38. Sitzung vom 13. November 1986 
Küche 
SPD hat Sorge um die Zukunft vieler jetzt vorhandener Einrich 
tungen im Klinikum Charlottenburg. 
Im September dieses Jahres mußten Ärzte des Kinderkranken 
hauses am Heubnerweg in einer spektakulären Aktion mit der 
Schließung der in Berlin einmaligen Poliklinik und Ambulanz für 
krebskranke Kinder drohen, um die Universitätsbürokratie in 
Bewegung zu bringen und damit auch zum Handeln zu bewe 
gen. Erst ein publizistischer Trommelwirbel ließ die Verwaltung 
der Universität reagieren, sich auch um den Notstand in der 
ambulanten Versorgung krebskranker Kinder zu kümmern. Und 
so gibt es, je nach Fachrichtung, im Klinikum Charlottenburg eine 
Vielzahl von Spezialsprechstunden, Beratungsmöglichkeiten, 
Hilfestellungen, die sich notwendigerweise und überregional für 
Berlin herausgebildet haben. Alle Angebote haben sich im 
Zusammenhang einer möglichst umfassenden Gesundheitsver 
sorgung für die Bevölkerung entwickelt. Alle Angebote an ärzt 
licher, pflegerischer und medizintechnischer Versorgung haben 
sich im Rahmen der Universität als notwendig erwiesen. Ob im 
Bereich der Chirurgie, der Infektionskrankheiten, der Nephrolo 
gie, unter anderem mit einer Dialysevorbereitung, der Kardiolo 
gie, der Fett- und Stoffwechsel-Ambulanzen, der Augenklinik, 
unter anderem mit einer Sehschule, der Hals-, Nase-, Ohren 
klinik, unter anderem mit Tumornachsorge, der Strahlenklinik, der 
Urologie, unter anderem mit einem speziellen Angebot für Kin 
der, der Psychiatrie, der Frauenklinik, der Hautklinik, unter 
anderem mit einer Tumorsprechstunde, der Asthmapoliklinik und 
der Kinderklinik, unter anderem mit Kinder-Kardiologie und Dia 
betes-Sprechstunden - können ca, 70 Angebote im Klinikum 
Charlottenburg festgestellt werden, Angebote, über deren Not 
wendigkeit im Interesse der Patienten keine Zweifel bestehen, 
aber deren Zukunft mit der kommenden Verlagerung wir mit 
unseren Fragen 1 bis 4 gerne geklärt hätten. 
[Beifall bei der SPD] 
Nun wissen wir aber auch, daß der Senat ein Herz fürs Private 
hat, also auch für die Privatisierung im Gesundheitswesen. Ein 
mit öffentlichen Geldern finanziertes Großprojekt wie das Herz 
zentrum - privatwirtschaftlich ausgerichtet, 
[Zuruf von der CDU: Sehr gut!] 
also ein wirtschaftlich denkendes Unternehmen - 
[Zuruf von der CDU: Sehr gut!] 
wird sich aus Kostengründen möglichst um gewinnbringende 
Operationen zur Auslastung vorhandener kapitalintensiver Ein 
richtungen der Hochleistungsmedizin bemühen. Wir können bis 
her nicht erkennen, ob das Herzzentrum auch gewillt ist, sich im 
Bereich der Nachsorge und der ambulanten Versorgung zu betä 
tigen. Unser Eindruck ist eher, daß man sich nur die Rosinen her 
auspicken möchte. Aber wir lassen uns mit der Beantwortung zur 
Frage 5 gerne über Umfang und Möglichkeiten der ambulanten 
Versorgung und Nachsorge durch dss Herzzentrum Berlin eines 
Besseren belehren. 
Rechtzeitig möchten wir auf die große Problematik im Umgang 
mit den unterschiedlichen Patientendaten beider Krankenhäuser 
hinweisen. Gesetzlicher Datenschutz, aber auch organisato 
rische und technische Schwierigkeiten müssen bei der Zusam 
menführung beider Einrichtungen bewältigt werden. 
[Zuruf von der CDU: Sehr gut!] 
Mit Hinweis aur Frage 6 möchten wir aber auch unsere Befürch 
tung ausdrücken, daß in einem zeitlich abgestuften Umzugsplan 
an verschiedenen Orten ein eventuell sehr schneller Zugriff zu 
Patientendaten nicht immer rechtzeitig möglich sein wird. Trotz 
aller gegensätzlichen politischen Vorstellungen zum Berliner 
Gesundheitswesen möchte ich in Frage 7 besonders auf unser 
Angebot hinweisen. Teilen Sie uns, Herr Senator, frühzeitig Ihre 
planerischen Vorgaben und deren Zeitabläufe mit, damit alles, 
aber auch alles, was bereits im Vorfeld der Verlagerung und 
Neueinrichtung des Klinikums zum Nachteil der Bevölkerung ent 
stehen könnte, vermieden wird. 
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß gerade die 
ambulante Versorgung und Nachsorge wesentlich zur Überprü 
fung, Anwendung und Verbesserung von Forschungs- und Ent 
wicklungsergebnissen ist und deshalb in gesamter Breite in 
einem Universitätsklinikum vorhanden sein müßte. - Ich danke 
für Ihre Aufmerksamkeit. 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort zur Beantwor 
tung hat Herr Senator Dr. Turner. 
Dr. Turner, Senator für Wissenschaft und Forschung: Frau 
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die 
Große Anfrage der Fraktion der SPD erstreckt sich auf die ambu 
lante Versorgung durch das Klinikum Charlottenburg. In den ein 
zelnen Fragen wird von Spezialsprechstunden und Ambulanzen 
gesprochen, ohne daß mit hinreichender Klarheit deutlich wird, 
was im einzelnen gemeint ist. Ich erlaube mir deshalb eingangs 
einen systematischen Überblick, welchem Organisationsformen 
der ambulanten Versorgung an einem Universitätsklinikum anzu 
treffen sind; dann sind die Fragen besser und plausibler zu 
beantworten. 
[Vetter (CDU): Sehr gut!] 
Erstens: Polikliniken gemäß § 368 n Abs. 3 der Reichsver 
sicherungsordnung umfassen die ambulante Behandlung von 
Versicherten der Krankenkassen in dem Umfang, der für die 
Durchführung von Lehr- und Forschungsaufgaben erforderlich 
ist. Polikliniken sind Einrichtungen des Universitätsklinikums. Die 
Abrechnung der Leistungen erfolgt zwischen der Universität und 
der Kassenärztlichen Vereinigung nach Quartalsfällen pauschal. 
Zweitens: Polikliniken gewähren auch die Behandlung von 
Selbstzahlern, die durch die Universität eine Rechnung über die 
Einzelleistungen erhalten. Hier begrenzen Beginn und Ende der 
Behandlung, unabhängig von Jahresdaten, einen Behandlungs 
fall. 
Drittens: In Kassenambulanzen werden Versicherte durch 
ermächtigte Hochschullehrer ambulant versorgt. Die Abrech 
nung erfolgt durch den Hochschullehrer gegenüber den Kran 
kenkassen quartalsweise. 
Viertens: In Privatambulanzen werden Privatpatienten durch 
nebentätigkeitsberechtigte Hochschullehrer ambulant versorgt. 
Die Abrechnung erfolgt durch den Hochschullehrer gegenüber 
den Patienten. 
Und schließlich fünftens: In den Institutsambulanzen werden 
Versicherte ambulant versorgt. Die Abrechnung erfolgt hier 
jedoch nicht pauschal wie in den Polikliniken, sondern auf der 
Basis der erbrachten Einzelleistungen. Die Kassenärztliche Ver 
einigung erkennt in diesen Fällen eine Ergänzung des Siche 
rungsauftrags der niedergelassenen Ärzte an. 
Spezialsprechstunden - um auch diesen Begriff noch einmal 
anzusprechen und zu erläutern - sind organisatorisch abge 
grenzte Ambulanzangebote, die sich auf alle fünf Ambulanztypen 
beziehen. Zumeist werden sie von einem verantwortlichen Wis 
senschaftler an einem festen Termin in der Woche angeboten. 
Sie dienen sowohl der Versorgung von Versicherten im Rahmen 
des Poliklinikvertrages als auch von Selbstzahlern und Privat 
patienten. Sie können aber auch neben dem Poliklinikvertrag in 
Kassenambulanzen oder Institutsambulanzen angeboten wer 
den. Da für jeden Ambulanztyp die Patienten anders gezählt wer 
den, verfügt die Klinikleitung über keine Zahlen, die als Patienten 
zahlen oder Behandlungsfälle - die beiden Begriffe sind in den 
Fragen enthalten - einer Spezialsprechstunde zugerechnet wer 
den können. Vielmehr sind sämtliche Daten der Leistungsstati 
stik und des Rechnungswesens allen fünf Ambulanztypen 
zugeordnet, als Größenordnung kann aber darauf verwiesen 
werden, daß mit Ausnahme der Kassen- und Privatambulanzen 
ca. 90 000 Quartalsfälle pro Jahr abgerechnet werden. 
Auf der Grundlage dieser - wie ich meine - notwendigen Vor 
bemerkungen darf ich nunmehr zu der Beantwortung der Einzel 
fragen kommen. Ich unterstelle, daß Sie einverstanden sind, daß 
die Fragen nicht wiederholt werden, denn sie liegen Ihnen 
schriftlich vor.
	        
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