Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
38. Sitzung vom 13. November 1986
Edel
(A) irgendeinen Satz herauszieht und diesen zur Diskussion stellt.
Ich stelle folgendes zur Diskussion - Seite 2, Absatz 2
Die nicht staatlich reglementierten Mieten steigen in allen
Varianten um die mit 3 % pro Jahr vorgegebene Preissteige
rungsrate.
- Okay! -
Abhängig von der Marktlage
- und jetzt wird es interessant -
können die Miefsteigerungen um plus oder minus 2 °/o in
diesem Trend abweichen,
- und dann wird es noch interessanter -
im Altbaubestand - nach Freigabe der Miefen - um bis zu
15%,
- das heißt also: Die 3 % von vorn und die 15 % sind 18 % nach
oben, nach unten wohl kaum -
[Pöppelmeier (CDU): 17 Prozent!]
bei Mieterwechsel sogar 25 %.
Und dann kommen die 3 % noch dazu, dann sind es 28 %.
[Pöppelmeier (CDU): Plus/minus zwei Prozent!)
- Sie können das gern noch richtigstellen. - Sie, Herr Senator
Wittwer, haben mir weiter vorgeworten, man dürfe das Umland
problem nicht heranziehen. Dazu sage ich, um Hamburg herum
und um München herum fahren die Leute mit ihren Autos oder
den öffentlichen Verkehrsmitteln 60, 70 oder 80 km täglich, um
zu ihrer Arbeit zu kommen. Nun stellen Sie sich bitte in die Mitte
von Berlin (West) und führen Sie den Radius über 80 km. Da
sind Sie mitten in der DDR, Überprüfen Sie, bitte, Ihren Angriff
auf mein Argument hinsichtlich des fehlenden Umlandes. Er wird
in sich zusammenfallen, Herr Senator!
[Beifall bei der SPD und der AL]
B)
Die Kollegin Ahme hat vorhin berichtet, daß dieses Zahlen
jonglieren von der CDU-Fraktion seine Schwächen hätte. Es
wurden da die landeseigenen Wohnungen angeführt, die man ja
herausrechnen müsse. Herr Senator Wittwer, man kann sie
leider nicht herausrechnen. Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nen
nen. Es gibt bereits heute Altbauwohnungen, die unterliegen
nicht mehr der Mietpreisbindung. Das sind die Wohnungen in
Ein- oder Zweifamilienhäusern. Als Mitglied des Petitionsaus
schusses kann ich Ihnen ein gutes Beispiel nennen. Das Bezirks
amt Zehlendorf hat in einer ihm gehörenden Altbauwohnung die
Miete um genau 30 % erhöhen wollen. Seit drei Jahren um
genau 30 %. Das bedeutet, daß in den landeseigenen Wohnun
gen heute das Miethöhegesetz schon bis an die Obergrenzen
ausgeschöpft wird.
[Glocke des Präsidenten]
Ich glaube nicht, daß das in Ihrem Sinne sein kann. - Vielen
Dank!
[Beifall bei der SPD und der AL]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Als nächster hat das Wort
der Abgeordnete Simon.
Simon (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Wir haben es in dieser Debatte mit einer Vermengung von ein
wenig Sachargumenten und von sehr viel Polemik zu tun. Wenn
ich das betrachte, was der Kollege Behrendt hier ausgeführt hat
- da fiel dann so der Begriff, den ich gestern aus der Diskussion,
das werde ich gleich noch einmal verdeutlichen, genauer kenne:
Wenn die Mietpreisbindung in dieser Stadt fällt, dann beginnt
die allgemeine Verarmung. - Und Frau Ahme hat das gestern
noch ein bißchen plastischer gesagt. Sie hat, damit es auch
jedermann versteht, gesagt: Sie dürfen künftig keinen Schinken,
sondern nur noch Leberwurst essen. So wird das sein, wenn die
Miete freigegeben wird. -
[Frau Ahme (AL): Haben Sie Angst vor Leberwurst?]
Und da sage ich einmal, daß dieses das Aufbauen eines Popan- (C)
zes ist. Es ist nichts weiter als pure Angsfmacherei. Das ist
Angstmacherei und Demagogie.
Ich erinnere einmal daran: 1981 klebte die SPD hier 14 Tage
vor der Wahl Plakate. Und da war ein Kandidat, der Bundes
justiz- und Bundeswohnungsbauminister war und das hätte bes
ser wissen müssen: Wenn die CDU in dieser Stadt an die Regie
rung kommt, gibt es 100 % Mietpreissteigerung. Nun, was dar
aus geworden ist, haben wir Ihnen bewiesen. Die CDU ist an die
Regierung gekommen, die Mieten sind stabil geblieben. Das war
die Antwort, und so wird es auch weiterhin sein.
[Beifall bei der CDU -
Zurufe von der SPD und der AL]
Sie haben im Hamburger Wahlkampf vor vier Jahren dasselbe
gemacht, Sie haben im Bundestagswahlkampf vor vier Jahren
dasselbe probiert. Da hat Herr Geißler Ihnen die Suppe versal
zen.
[Edel (SPD): Gespuckt, das ist seine Art!]
Ich sage einmal, daß Ich ein gewisses Verständnis für Sie
habe bei der Ausgangssituation in dieser Stadt, bei der Sie
einem Senat gegenüberstehen, der gerade auf diesem Gebiet
der Wohnungsbaupolitik erfolgreiche Politik gemacht hat, und
Sie im Grunde keine Sachargumente haben, um die Regierung
abzulösen, daß Sie deshalb in dieser Art und Weise probieren,
[Nagel (SPD): Deswegen haben wir auch schon
den dritten Bausenator seitdem!]
- Herr Kollege Nagel, und Sie wissen ja, was Sie da tun! - Pole
mik zu machen, um darüber Menschen zu verunsichern, an die
Wahlurne zu kommen, weil Ihnen die Sachargumente in der Tat
fehlen.
[Beifall bei der CDU]
Das erinnert mich sehr an eine Grundsatzdebatte, die weit vor
der Zeit liegt, die ich nicht verfolgt habe, die ich aber gelesen und (D)
in der Schule dann aufmerksam begleitet habe. Und gelegentlich
ist Geschichte ja auch etwas Gutes! Da gab es dann am Anfang
dieser Republik eine Grundsatzdebatte über das Wirtschafts
system. Da war ein Bundeswirtschaftsminister namens Ludwig
Erhard. Und da gab es eine SPD, die sagte, wenn in der Bundes
republik die soziale Marktwirtschaft eingeführt werde, dann wer
den alle nicht nur arm bleiben, sie werden ganz arm werden,
Deutschland würde ein Entwicklungsland werden. Meine Damen
und Herren I Der Wohlstand dieser Republik ist darauf aufgebaut
worden, daß wir uns damals nicht davon haben irritieren lassen,
sondern das, was richtig war, auch gegen Ihren erbitterten
Widerstand gemacht haben.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. -
Dr. Staffelt (SPD): Vor allem gegen den Widerstand
der Berliner CDU!]
Ich gebe zu - und das ist ja überhaupt die Grundlage dessen,
was Sie da tun -, daß das Mietrecht eine komplizierte Materie ist.
Und deshalb glaubt man, mit solchen Dingen die Menschen in
der Stadt tatsächlich verunsichern zu können. Ich sage Ihnen ein
mal ein ganz typisches Beispiel: Was der Kollege Behrendt hier
vom sozialen Wohnungsbau erzählt hat, ist einfach Dummen
fang. Es ist der Versuch, den Menschen im Märkischen Viertel
und in der Gropiusstadt glauben zu machen, daß das Thema
Mietpreisbindung sie überhaupt betrifft. Nein, nein, da gibt es
gesetzliche Regeln, da steht genau geschrieben, wie die
Kostenmiete auszusehen hat. Das Thema betrifft den Altbauwoh
nungsbestand. Der Mieter im Märkischen Viertel und in der Gro
piusstadt und in allen Neubauwohnungen dieser Stadt ist über
haupt nicht betroffen von dieser Thematik. Alles andere, was
auch nur in die Richtung deutet, daß er betroffen sein könnte, ist
der Versuch, ihn zu verunsichern, und damit der Versuch von
Dummenfang.
Was haben wir denn jetzt für Zustände? Zum Thema Miet
gerechtigkeit lassen Sie mich nur eine Anmerkung machen. Ich
will nicht den Vergleich zwischen Alt- und Neubau ziehen. Aber
ich will einmal innerhalb des Altbaues bleiben. Wo nehmen Sie
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