Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
38. Sitzung vom 13. November 1986
Oxfort
(A) Ich sage deshalb nochmals, daß das, was hier vorgelegt wurde,
erst ein Anfang ist. Es ist ein Teil dessen, was in dieser Stadt not
wendig ist.
[Beifall bei der F.D.P.]
Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß es nicht Aufgabe der
Polizei sein kann, der BVG dasjenige abzunehmen, was eigent
lich ihre Aufgabe wäre. Für den Einsatz in der U-Bahn reicht es
nicht aus, nur nach Fahrgeldhinterziehern oder Polsterschiitzern
zu suchen, hierzu muß etwas mehr geschehen. Ich meine, die
BVG oder die Polizei sollte einmal prüfen, ob diejenigen Beam
ten oder Arbeitnehmer, die nicht mehr im vollen Sinne einsatz
fähig sind, in einem Sicherheitsdienst der BVG organisiert und
konkret in den U-Bahnhöfen eingesetzt werden könnten.
[Beifall der Abgn. Dr. Tolksdorf (F.D.P.)
und Palm (CDU)]
Sie schelten den Regierenden Bürgermeister, daß er nur an
das Sicherheifsgefühl der Bürger denke und die objektive
Sicherheitslage nicht hinreichend berücksichtige, doch beides
hängt zusammen. Wie Sie wissen, kommt es in der Politik nicht
darauf an, was ist, sondern darauf, was die Leute denken, das
sei.
[Frau Ahme (AL): Das ist ja was!]
- So ist es. Das ist eine pure sachliche Feststellung. Lassen Sie
mich doch erst zur Schlußfolgerung kommen. - Ich will damit
sagen: Man kann nicht ernstlich bestreiten,
[Zurufe von der AL]
daß Bürger, die das Gefühl haben, daß es in der Stadt sicher
zugeht, allein dadurch zur Erhöhung der Sicherheitslage bei
tragen, indem sie auch in den Abendstunden und in den Ver
kehrsmitteln unterwegs sind. Jedenfalls ist nicht zu bestreiten,
daß das vermehrte Vorzeigen von Polizei eine sicherere Grund
lage für das Zusammenleben der Bürger schafft.
Ich habe mich gefragt, wie es kommt, daß Tokio die Weltstadt
ist, in der es am wenigsten Kriminalität gibt,
[Zuruf von der SPD]
Mir wurde gesagt, daß dies einerseits an der Mentalität der
Japaner liege und andererseits an der Präsenz der Polizei, die
sehr viel dichter im Stadtbild vertreten ist. Sie ist in unzähligen
kleinen Revieren in der Stadt verteilt, und die Polizeibeamten
haben dort einen engen Kontakt zur Bevölkerung,
[Zuruf von der AL]
sie kennen ihren Kiez, und daher ist es für Verbrecher schwierig,
sich zu verbergen. Ich bin nicht genug Fachmann, um beurteilen
zu können, ob dies das Konzept ist, das uns hier weiterhilft. Aber
ich möchte auf diese Situation hinweisen; aus ihr läßt sich
schließen, daß das Vorzeigen von Polizei, die erkennbare
Anwesenheit der Polizei im Stadtgebiet nicht nur das Sicher
heitsgefühl der Bürger, sondern daß es auch die objektive
Sicherheitslage verbessert.
[Schenk (AL): Illusion!]
Im übrigen wäre ich Ihnen, meine Damen und Herren, dankbar,
wenn hier nicht alles durcheinandergebracht werden würde. Es
vergeht nicht ein Vortrag, ohne daß auf die Korruptionsaffäre hin
gewiesen würde. Ich kann nur sagen: Jede Partei in diesem
Hause hat ein objektives Interesse daran, daß der Korruptions
sumpf ausgetrocknet wird,
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
und es gibt für keine Partei Anhaltspunkte dafür, daß etwa
bestimmte Personen, die im Verdacht stehen oder in Verdacht
geraten könnten, von Strafverfolgungsmaßnahmen verschont
werden.
[Helms (AL): Können sie auch leider nicht!]
- Das kann Gott sei Dank niemand, Herr Kollege, und das zeigt
nur, wie sehr unser Strafverfolgungssystem, Polizei und Justiz in
Ordnung sind,
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
daß es keine politische Kraft gibt, die es veranlassen könnte,
irgendwelche Strafverfolgungsmaßnahmen, die vor dem Gesetz
begründet sind, zu unterdrücken.
Der Vorgang zeigt übrigens noch etwas ganz anderes, näm
lich in ganz anderer Richtung: Man hat ja lange Zeit der Öffent
lichkeit einzureden versucht, daß Kriminalität eine Folge von
Armut sei. Ich hoffe, es hat sich inzwischen herumgesprochen,
daß diese Behauptung unwahr ist.
[Zuruf der Frau Abg. Ahme (AL)]
Kriminalität wird nicht nur durch Armut, sondern sie wird auch im
Wohlstand und sie wird durch Wohlstand erzeugt
[Beifall bei der CDU - Schenk (AL): Das war schon
immer so!]
und ist zu einem erheblichen Teil auf Mangel an Charakter
zurückzuführen und weniger darauf, was der einzelne materiell zu
bieten hat.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Die marxistische Anschauung, daß es das Sein sei, das das
Bewußtsein bestimme, trifft eben nicht zu.
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Nein, der Schein bestimmt
das Bewußtsein! - Frau Künast (AL): Mehr Schein als Sein!]
Die Zeit geht leider zu Ende. Ich möchte für meine Fraktion
sagen, daß wir das Konzept unterstützen, daß wir es als einen
ersten Schritt ansehen, daß wir der Auffassung sind, daß für die
Kriminalpolizei und die Bekämpfung der Schwerkriminalität noch
mehr getan werden muß. Übrigens, Herr Kollege Pätzold, ich
habe mir sagen lassen, daß Sie erst gestern im Hauptausschuß
auch weitere Stellen für die Staatsanwaltschaft beschlossen
haben. Ich appelliere an die Verantwortlichen, diejenigen
Arbeitskräfte im Bereich der BVG und der Polizei, die nicht mehr
voll diensttauglich sind, mit einzusetzen für ein solches Sicher
heitskonzept.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun Herr
Senator Kewenig.
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren I Der Herr Regierende Bürger
meister hat am vorletzten Wochenende zusätzliche Maßnahmen
zur Erhöhung der polizeilichen Präsenz in der Öffentlichkeit und
zur Verbesserung der polizeilichen Arbeit angekündigt. Diese
Ankündigung ist in der Öffentlichkeit mit großem Interesse und in
der Bevölkerung, soweit ich das sehen kann, überall positiv auf
genommen worden.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - Zurufe von
der AL]
Es hat inzwischen auch viele Reaktionen mit vielen wertvollen
Anregungen von den polizeilichen Berufsverbänden und
Gewerkschaften gegeben. Das schließt natürlich nicht aus,
meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie in den
Gleichklang eher positiver Stimmen einige Dissonanzen hinein
bringen.
[Oh! bei der AL - Frau Bischoff-Pflanz (AL): Das
wird Herrn Matthes aber freuen!]
Ich möchte mich zunächst bei den Kollegen der CDU und der
F.D.P.-Fraktion ausdrücklich dafür bedanken, daß sie die Ankün
digung des Regierenden Bürgermeisters so schnell und so
konstruktiv aufgegriffen und nicht nur ein sinnvolles Sofort
programm vorgelegt, sondern dieses Programm gestern im
Hauptausschuß während der zweiten Lesung des Haushalts
1987 mit einem Kostenvolumen von rund 4 Millionen DM positiv
diskutiert haben. Ich gehe zuverlässig davon aus, daß noch im
Rahmen der zweiten Lesung im Hauptausschuß, das heißt in der
nächsten Woche, dieses Volumen auch tatsächlich beschlossen
wird.
[Frau Ahme (AL): Heißt das Programm: „Mehr Polizisten
in die Amtsstuben“?]
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