Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
37. Sitzung vom 23. Oktober 1986
Sen Dr. Rexrodt
(A) Zu 1: Herr Schackow hat zu dem Gespräch mit dem „Stern“
am 19. Juni einen leitenden Mitarbeiter hinzugezogen und diesen
gebeten - so der leitende Mitarbeiter im Anschluß an das Ge
spräch auf der Basis von dessen Notizen eine Gesprächsnotiz
anzufertigen. Diese hat Herr Schackow nach Anfertigung sofort
an sich genommen. Eine Kopie existiert - so wird mir von diesem
Beamten vermittelt - nicht. Herr Schackow hat dann - hier
nehme ich Bezug auf das, was der Regierende Bürgermeister
heute nachmittag schon ausgeführt hat - den Regierenden Bür
germeister in Trier auf der Grundlage schriftlicher Unterlagen,
möglicherweise dieser oder einer überarbeiteten Fassung dieser
Notiz, mündlich unterrichtet.
Zur Vorbereitung der Antwort auf die Große Anfrage an Sena
tor Wittwer am 11. September hat der Regierende Bürger
meister diese Notiz von Herrn Schackow unmittelbar angefor
dert. Ich muß in diesem Zusammenhang erwähnen, daß ich mich
während der Zeit des Schackow-Interviews und auch noch wäh
rend der Unterrichtung des Regierenden Bürgermeisters durch
Herrn Schackow in Trier auf einer Amerika-Reise befand. Ich
habe von einer solchen Gesprächsnotiz erst während der Beant
wortung der Großen Anfrage der SPD durch Herrn Wittwer am
11. September erfahren. Während dieser Zeit befand sich der
Beamte, der diese Notiz gefertigt hatte, in Urlaub. Der Beamte
hat mir nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub Anfang Oktober
mündlich und schriftlich versichert, daß das von ihm gefertigte
Papier die Vorhaltungen des „Stern“ enthalten habe, daß
Schackow aber sämtliche Vorhaltungen zurückgewiesen und
dabei auch plausible Argumente verwandt habe. Diesem Beam
ten vertraue ich voll und ganz. So eine Aussage überlegt man
sich heutzutage. Ich sage noch einmal: Ich vertraue diesem
Beamten in jeder Beziehung. Dieser leitende Beamte hat mir
außerdem versichert, daß sein Papier seiner juristischen Ein
schätzung nach keinerlei Handhabe für disziplinarrechtliche
Maßnahmen geboten hätte. Der Beamte ist zu einem späteren
Zeitpunkt mit dem Papier konfrontiert worden, das Herr
Schackow dem Regierenden Bürgermeister im Zuge der Vorbe-
reitung auf die Große Anfrage am 11. September zur Verfügung
gestellt hatte. Er stellte dabei fest, daß Schackow seine Ausfüh
rungen offensichtlich überarbeitet habe, aber nur im Sinne einer
ausführlicheren Fassung. Relevante Veränderungen - so der
Beamte - seien nicht vorgenommen worden.
Ich komme zu 2: Der Text dieses Papiers ist jedermann zu
gänglich. Er liegt auch der Presse vor, zumindest Teilen der
Presse. Meines Wissens ist auch die SPD im Besitz eines
solchen Papiers. Nicht dieses Papier, sondern die im „Stern“-
Interview und anderswo angesprochenen Sachverhalte waren
Grundlage für politische Konsequenzen gegen Herrn Schackow,
nämlich seine Versetzung in den Ruhestand. Auch das jetzt
gegen Schackow eingeleitete Disziplinarverfahren fußt nicht auf
diesem Papier, sondern auf den im Zusammenhang mit seiner
Verhaftung von der Staatsanwaltschaft bekanntgewordenen
zusätzlichen Tatvermutungen. Diese bieten erstmals eine juri
stisch und disziplinarrechtlich greifbare Handhabe, um gegen
Herrn Schackow insoweit zu ermitteln.
Ich komme zu 3: Der Beamte befand sich in der Zeit vom
1. September bis 1. Oktober 1986 in Urlaub. Er wurde - nach
dem die Existenz des Papiers am 11. September 1986 bekannt
geworden war - zwei oder drei Tage nach seinem Urlaub von mir
dienstlich befragt. Ich wiederhole noch einmal: Dieser Beamte
hat mir mündlich und schriftlich versichert, daß Schackow irnGe-
spräch mit dem „Stern“ sämtliche Vorhaltungen des „Stern“ zu
rückgewiesen und dieses auch seinen Niederschlag in der Ge
sprächsnotiz gefunden hat. Im übrigen waren diese Dementi und
die dabei verwandten Argumente auch aus den Ende Juni/An
fang Juli geführten Gesprächen mit Herrn Schackow bekannt.
Ich habe dem Regierenden Bürgermeister über das Gespräch
mit dem Beamten, das in der Sache ja nicht das Geringste er
bracht hatte, gelegentlich, nicht sehr viel später - ich weiß das
nicht mehr ganz genau informiert.
Ich komme zur Antwort zu Punkt 4; Es ist zutreffend, daß mein
Pressereferent in den Abendstunden des 27. Juni, einem Freitag,
von Herrn Schackow telefonisch gebeten wurde, ihn zu Hause
aufzusuchen. Schackow hatte dabei angedeutel, daß es sich um
seine Position gegenüber der Presse handle. Er wolle aber dar- (C)
über am Telefon nicht sprechen. Ich selbst bin über dieses Ge
spräch von meinem Pressereferenten telefonisch am Sonntag
unterrichtet worden. Nach seinen Angaben war bei diesem Ge
spräch auch der Anwalt Schackows anwesend.
Es ist nicht zutreffend, daß zwischen meinem Pressereferen
ten und den beiden anderen Gesprächspartnern verabredet
wurde, daß mein Pressereferent auf den „Tagesspiegel" und das
„Volksblatt“ einwirken sollte, um die Presse in dieser Angelegen
heit ruhig zu halten. Mein Pressereferent hat dieses Ansinnen
vielmehr strikt abgelehnt, strikt zurückgewiesen. Er hat
Schackow angeraten, sobald wie möglich eine Pressekonferenz
zu machen. Und diese Pressekonferenz hat am darauffolgenden
Dienstag oder Mittwoch auch stattgefunden.
Ich habe die ablehnende Haltung des Pressereterenlen aus
drücklich gebilligt und ihn darüber hinaus angewiesen, auf
keinen Fall zu versuchen, die Recherchen und die Berichterstat
tungen in der Presse zu beeinflussen.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD -
Zuruf von der SPD: Korrekt!]
Mein Pressereferent hat mich weiter davon unterrichtet, daß
Herr Schackow seine Kontakte zum Springer-Konzern selbst
nutzen wollte. Es gibt Hinweise darauf, daß Herr Schackow das
an diesem Wochenende auch getan hat. Ich füge jetzt einmal
von mir aus hinzu: Ganz offensichtlich hat das aber nicht viel ge
bracht, das war ohne Erfolg. Denn wenn ich mir die Pressever
öffentlichungen des Hauses Springer im Zusammenhang mit
seiner Ablösung ansehe, dann wird dort, so, wie ich das einge
sehen habe, weder verzögert noch im Tenor anders berichtet als
in anderen Zeitungen. Dieser Tenor war: Tragisch mit dem Herrn
Schackow - Schackow muß wohl ein guter Beamter gewesen
sein; aber mit Leuten wie Bertram läßt man sich nicht ein; die
kennt man nicht. -
[Zuruf von der AL: Eine Tragödie jagt die andere!]
(D)
Ich habe im übrigen Herrn Schackow anläßlich einer Anhörung
zu den im Raum stehenden Vorwürfen in etwa wörtlich gesagt;
Versuche, die Presse in einer solchen Sache auf eine bestimmte
Linie zu bringen, sind meist - und das wörtlich - ein Schuß in
den Ofen.
Ich möchte nun zunächst auf die Fragen 7 und 8 eingehen,
weil diese noch meinen - ich nenne es einmal - Aktionsrahmen
betreffen, während ich mich bei der Beantwortung der Fragen 5,
6, 9 und 10 auf Informationen stütze, die mir der Regierende Bür
germeister vermittelt hat.
Zu Punkt 7: Es trifft nicht zu, daß der Finanzsenator bereit war,
gegen Schackow in Kenntnis des erwähnten Papiers ein Diszipli
narverfahren einzuleifen, während ihm der Regierende Bürger
meister davon abgeraten hat. Und zwar erstens, weil er, der
Finanzsenator, das Papier erst sehr viel später zu Gesicht be
kam, und zweitens - und das habe ich wiederholt gesagt -, weil
sein Inhalt über die Versetzung Schackows in den Ruhestand
hinaus keine Handhabe zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen
bot. Insoweit ist mit dem Regierenden Bürgermeister über diszi
plinarrechtliche Konsequenzen überhaupt nicht gesprochen
worden.
Und nun zu Punkt 8: Herr Schackow ist am 4. Juli in den Ruhe
stand versetzt worden, weil seine dienstliche Verantwortung und
seine persönliche Beziehung zu einem schwer belasteten Bau
träger politisch unverantwortlich und politisch unverzeihlich
waren - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Er galt als fähiger
und engagierter und im übrigen disziplinarrechtlich unangreif
barer Beamter, und als solcher ist er auch verabschiedet wor
den. Es ist üblich, daß bei politisch motivierter Ablösung eines
solchen Beamten auch seine Verdienste gewürdigt werden.
Dies ist in der am 3. Juli veröffentlichten Presseerklärung des
Senatssprechers enthalten. Ich habe sie in ähnlicher Weise bei
der Verabschiedung Schackows von seinen Mitarbeitern am
8. Juli dargestellt. Sie betreffen im wesentlichen die Bemühun
gen um die Effizienz der Finanzverwaltung und die Mitwirkung
bei der Ansiedlung einer Reihe von Industrie- und Software-Fir-
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