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Volume Nr. 37, 23. Oktober 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986/87, 10. Wahlperiode, Band III, 36.-49. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
37. Sitzung vom 23. Oktober 1986 
RBm Diepgen 
(A) den ich ausfüllen werde. Darauf kann sich jedermann in dieser 
Stadt verlassen! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Meine dritte Anmerkung zu der bisherigen Debatte ist: Wir 
haben zwei Beiträge von der Opposition gehört. Ein Beitrag war 
sehr pauschal; 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Einäugig!] 
er versuchte mehr, sich um den eigenen, künftigen Beitrag - in 
den Hoffnungen, die er dabei hat - zu kümmern. Im Hinblick auf 
den Anzug, der dabei angesprochen worden ist, fiel mir auf: Wer 
so argumentiert und handelt, wie beispielsweise auch durch die 
Annahme von Einladungen, bevor sie überhaupt vorliegen, der ist 
im Grunde nur geeignet für eine Auseinandersetzung nach der 
Methode: Haut den Lukas! 
Der andere Diskussionsbeitrag, Herr Lohauß, war interessant, 
war an vielen Punkten interessant. Ich will das auch hier aus 
drücklich sagen, weil er die Möglichkeit zu einer sehr sachlichen 
Diskussion bietet. Wir sind nicht in allen Punkten einer Meinung, 
sicher auch nicht in allen Punkten in den Schlußfolgerungen; 
aber in der Tat haben wir es doch bei den ganzen Diskussionen 
in dieser Stadt nicht damit zu tun, ob die Heizung in irgendeinem 
Heizungskeller nun falscher- oder richtigerweise ein Ventil hat 
oder nicht, 
[Momper (SPD): In einem bestimmten, in dem von 
Herrn Buwitt!] 
sondern wir haben es mit der Frage zu tun, inwieweit eine Bereit 
schaft zu Vertrauen oder Bereitschaft nur noch zu Mißtrauen 
gegenüber politischen Funktionsträgern besteht. Wir haben es 
mit der Auseinandersetzung zu tun, ob man glauben will oder 
nicht glauben will. Wir haben es weiter mit der Frage zu tun, ob 
durch die Zusammenfassung von politischen Funktionen Miß 
trauen in einem noch größeren Ausmaß entsteht. 
(B) Wir haben es dabei auch mit der Frage der Funktionsfähigkeit 
von Parlamenten zu tun, nämlich ob es hier möglich ist, konti 
nuierlich Verantwortung wahrzunehmen. Das ist Ihre Überlegung 
hinsichtlich der Rotation. Mit der kann man sich auseinanderset 
zen. Ich habe eine Antwort dazu, die nicht die Ihre ist. Aber es ist 
eben eine wichtige Frage, ob eine Gefährdung, die durch eine 
Vielzahl von Bürokratie und staatlichem Einfluß entstehen kann, 
dadurch beseitigt wird, daß man politische Funktionen zeitlich 
sehr stark begrenzt. Aber auf der anderen Seite ist es eben auch 
die Frage, ob man dadurch nicht im Grunde an Wählerinteressen 
und am Wählerauftrag vorbeigeht; denn es wird nicht irgendeine 
rotierende Gruppierung gewählt, sondern oftmals auch ein 
Mensch, ein unmittelbar verantwortlicher Mensch. 
Hinsichtlich der Doppelfunktion stellt sich dabei auch noch 
eine weitere Frage, nämlich inwieweit durch zu viel Aufteilung 
von Verantwortung 
[Momper (SPD): Beantworten Sie doch mal die Frage!] 
ein Stück von weniger Handlungsfähigkeit in der Demokratie und 
in der Verwaltung entsteht. 
[Dr. Staffelt (SPD): Beantworten Sie doch mal die Frage! - 
Weitere Zurufe von der SPD] 
Insofern habe ich hier eine Reihe von Antworten auf den Beitrag 
von Herrn Lohauß versucht. Aber Sie sehen, an dem Unterschied 
zwischen Ihrer Reaktion und der von Herrn Momper, wer über 
haupt intellektuell fähig und dazu bereit ist, eine Diskussion zu 
führen und wer nicht, 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
wer eigentlich hier meint, nur einen politischen Schaukampf füh 
ren zu wollen, oder wer bereit ist, in die Sache einzusteigen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - 
Gelächter bei der SPD] 
Aber damit will ich auf das zu sprechen kommen — 
[Dr. Staffelt (SPD): Wir wollen uns nur nicht einlullen 
lassen, das ist doch Ihre Stärke!] 
- Meine Stärke ist nicht einzulullen, sondern meine Stärke ist, 
hoffentlich einen Beitrag zur notwendigen, differenzierten Ant 
wort zu differenzierten Fragen zu leisten und nicht dem simplen 
Weg und Vorschlag zu folgen, daß es in einer Diskussion nur 
Sieger und Besiegte geben darf. Nicht nur immer derjenige, der 
einen besiegt hat, darf glauben, in der politischen Diskussion 
einen Beitrag geleistet zu haben. Das ist genau nicht der Stil in 
einer Demokratie und schon gar nicht in einer Diskussion, die 
sich auch ein wenig um Moralfragen bemüht. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - 
Dr. Staffelt (SPD;: Das ist doch gar nicht der Punkt!] 
Deswegen möchte ich insbesondere 
[Momper (SPD): Sie sind ja schon in den Wolken! 
Sie sehen ja gar nichts mehr!] 
wegen der Zwischenrufe, die hier von halblinks bis ganz links 
kommen, meinen Ausführungen einen Gedanken voranstellen, 
den Herbert Wehner in seiner Rede am 30. Juni 1960 so formu 
liert hat: 
Warum sollten wir nicht versuchen, auf der Basis der An 
erkennung der moralischen Integrität des innenpolitischen 
Gegners zu Resultaten zu kommen, die uns allen helfen kön 
nen? 
Und weiter hat Herbert Wehner gesagt: 
Innenpolitische Gegnerschaft belebt die Demokratie. Aber 
ein Feindverhältnis, wie es von manchen gesucht und ange 
strebt wird, tötet schließlich die Demokratie, so harmlos das 
auch anfangen mag. 
[Beifall bei der CDU] 
Unsere politische Kultur - gerade nach den Erfahrungen der 
Weimarer Republik und den schlimmen Jahren des National 
sozialismus - darf nicht leben vom Freund-Feind-Denken. Wir 
sollten gelernt haben, zu differenzieren und auch Nuancen wahr 
zunehmen. Ich jedenfalls werde deshalb fortfahren, komplizierte 
politische Sachverhalte 
[Momper (SPD): Die Heizung von Buwitt?] 
und menschliche Schicksale differenziert zu beurteilen, Grund 
sätze aufzustellen, aber das Handeln danach nicht mehr nach 
den Sachverhalten, sondern nur nach dem politischen Kampf 
und nach dem zu beurteilen, was parteipolitisch der eine oder 
andere im Augenblick will. Das ist nämlich das Angebot, das Sie 
mir machen. 
[Momper (SPD): Ach was! Die Heizung Buwitt ist ein 
ganz einfacher Sachverhalt!] 
Ich werde vielmehr in meinem Amt hier Differenzierungen weiter 
vornehmen. Das entspricht meinem Amt und auch meinem 
Selbstverständnis. Ich halte es für eine politische Tugend, die 
notwendiger ist denn je, Gleiches gleich, aber Ungleiches un 
gleich zu behandeln. Gerechtigkeit in der Politik heißt eben 
unterscheiden zu können und auch unterscheiden zu wollen. 
Bereitschaft zur Unterscheidung, das ist es, was auch zur Politik 
gehört! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.) 
Damit komme ich auf den Punkt, den Herr Lohauß auch ange 
sprochen hat: Demokratie verteilt Macht auf Zeit, 
[Momper (SPD): Mut und Entscheidungsfähigkeit 
ist doch das, was Ihnen fehlt!] 
und Macht ohne Verantwortung kann leicht mißbraucht werden. 
Deswegen ist ein gesundes Maß von Skepsis gegenüber denen, 
die Entscheidungen zu treffen haben, immer angebracht. Aber 
gerade weil Skepsis geboten ist, lehne ich es ab, jedermann in 
dieser Stadt mit totalem Mißtrauen zu begegnen. 
[Helms (AL): Jedermann begegnen wir ja gar nicht 
mit Mißtrauen!] 
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