Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
19. Sitzung vom 16. Januar 1986
Pätzoid
Der Herr Lummer hat gestern wieder einmal in der ihm eige
nen unbedachten Art um sich geschlagen und einen früheren
sozialdemokratischen Kollegen als korrupt bezeichnet, der nie
mals von einem Gericht verurteilt worden ist, sondern lange
Jahre auf einen Richterspruch gewartet hat, bis er völlig erkrankt
war und nicht mehr verhandlungsfähig war. Selbst Herr Franke
hat als Mitglied im Innenausschuß gesagt, wie man diesem bitter
Unrecht getan hätte. Ja, Sie haben den Mann genannt. Er ist am
Tage eines ersten Vorwurfs aus der SPD ausgetreten, um seine
Partei nicht irgendwo Schaden nehmen zu lassen. Und er ist
jetzt, nachdem alles geklärt war, wieder eingetreten. Wenn Ihre
Leute schon nicht selber den Anstand haben, diesen Schritt von
sich aus zu tun, dann bitte ich Sie, tun Sie es wenigstens! Wie
lange zögern Sie noch, bis Sie die Leute feuern, von denen Sie in
später Stunde versprochen haben, daß Sie sie feuern würden?
[Beifall bei der SPD und der AL]
Letzte Bemerkung: Herr Regierender Bürgermeister, wenn
Sie ehrlich sind, müßten Sie eigentlich in den schlaflosen Näch
ten, die Ihnen wohl in diesen Wochen bereitet werden, einmal
darüber nachdenken - ich nehme das Wort noch einmal in den
Mund welchen Eid Sie geschworen haben und was Herr von
Weizsäcker seinerzeit für alle verkündet hat. Eifern Sie dem
nach, holen Sie endlich nach, was nachgeholt werden muß.
Hätten Sie heute eingeräumt, daß Sie sich, wären Sie noch ein
mal in dieser Situation, anders entschieden hätten, hätten Sie
heute von Ihrer Partei und von der Stadt viel Schaden abge
wendet. Sie hatten nicht die Größe, das zu tunl
[Beifall bei der SPD und der AL]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Nächster Redner ist der
Abgeordnete Landowsky.
Landowsky (CDU): Der Ton ist etwas sachlicher geworden,
Frau Präsidentin, die Vorwürfe bleiben meines Erachtens fast un
geheuerlich, Herr Pätzold. Ich darf zu einer Sache noch einmal
ganz klar Stellung nehmen.
Der Hauptvorwurf, den Sie ja immer wieder erheben, ist, daß
der Regierende Bürgermeister, als er Kenntnis von einem ano
nymen Schreiben bezüglich der Bestechung erhielt, nicht die er
forderlichen Dienstpflichten eingehalten hat.
[Momper (SPD): Es war doch eine eidesstattliche
Erklärung!]
Wissen Sie, die Qualifikation kann ich, glaube ich, als Jurist
mindestens genauso gut wie Sie vornehmen. Dieses Schreiben
an den Regierenden Bürgermeister - und in seiner Eigenschaft
als Landesvorsitzender eine Kopie - des CDU-Mitgliedes Jakob
Kraetzer, das seinen Landesvorsitzenden davon informiert hat,
datiert vom 15. März. Vor mir liegt die „Morgenpost“ vom
15.März, und da steht drin: Justizsprecher Helmut Könighaus
bestätigt auf Anfrage die Existenz eines Briefes, in dem ein
anonymer Schreiber beim Landgericht Strafanzeige gegen Bau
stadtrat Antes erstattet habe. - Überschrift: Lindemann ordnet
Ermittlungen gegen Stadtrat Antes an. - Dieses war der Sach
verhalt.
[Dr. Meisner (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Gestatten Sie eine
Zwischenfrage?
Landowsky (CDU); Nein, Herr Kollege Meisner, Sie können
wirklich nichts beitragen zum Sachverhalt. Dann können Sie sich
anschließend melden.
[Dr. Meisner (SPD): Vielleicht doch!]
Anschließend stellte sich heraus, daß bereits Tage vorher die
Staatsanwaltschaft davon Kenntnis erhalten und ermittelt hat.
Das heißt, es war jedem in dieser Stadt bekannt, daß zu diesem
Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft bereits eingeschaltet war. Ihr
Vorwurf nun - und das haben Sie eben fast wörtlich gesagt
der Landesvorsitzende der CDU hätte Anzeige erstatten müs
sen -
[Pätzold (SPD): Ich habe gesagt:
gerade nicht Anzeige erstatten!]
- Sie brauchen ja nur das Protokoll nachzulesen. Es entbehrt
wirklich jeglicher Logik. Es gibt überhaupt nichts, was der Lan
desvorsitzende der CDU hätte tun können zum damaligen Zeit
punkt, nämlich dem 16. März, über die Tatsache hinaus, daß er
nach Möglichkeit die Aufklärung dieser Sache gefördert hat. Da
es öffentlich bekannt war, bestand auch keine Verdunkelungsge
fahr, sondern es wurde das CDU-Mitglied Antes aufgefordert,
über das zuständige Mitglied des Landesvorstandes dazu Stel
lung zu nehmen und seinerseits das Erforderliche zu tun. Da gibt
es zwei Möglichkeiten: Entweder, er gesteht das ein, oder er ver
sucht, sich zu wehren. Wir erwarten eigentlich von jedem CDU-
Mitglied, wenn Vorwürfe dieser Art gegen es erhoben werden,
daß es alle zumutbaren Mittel einsetzt, um sich dieses Verdach
tes zu entledigen. Das erwarten wir! Und das hat Herr Antes
seinerzeit formal getan.
Das fatale an der Sache ist, daß er sogar bestätigt worden ist,
und zwar durch die Einstellungsverfügung vom 7. Mai 1985 von
der Staatsanwaltschaft. Diese hat nämlich bestätigt, daß ein hin
reichender Tatverdacht in dieser Frage nicht vorliege. Wie Sie
bei einem derartigen Sachverhalt den Vorwurf einer Begünsti
gung, Strafvereitelung oder was da auch immer noch mit Zusam
menhängen kann, gegen den Landesvorsitzenden der CDU er
heben können, meine Damen und Herren, ist mir schier schleier
haft. Das ist nur böswillig, aber nicht wahr und logisch.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Nun lassen Sie mich, damit das nicht im Raume stehen bleibt,
noch einmal den Ablauf klarmachen. Wenn Herr Lindemann ge
sagt hat, Herr Strassmeir habe ihn bewegen wollen, das Verfah
ren niederzuschlagen, so ist das eine Sache, die ich sicherlich
auch gut finden würde. Aber ich finde es wohltuend, wenn der
Walter Rasch hier gesagt hat, was früher bei Ihnen üblich war.
[Pätzold (SPD): Was heißt denn „üblich“?]
Nun bitte ich Sie dann aber auch wirklich, wenn Sie mich meinen
- und in Zeitungen haben Sie behauptet, ich hätte versucht, das
zu unterdrücken, ich hätte die Wiederwahl von Herrn Antes be
wirkt, - dann entschuldigen Sie sich doch verdammt noch ein
mal für solche Falschmeldungen. Das ist doch das mindeste,
was ich von Ihnen erwarten kann, zumal ich Ihnen nachweisen
kann, daß ich auf Sitzungen, auf denen ich die Wiederwahl geför
dert haben soll, überhaupt nicht anwesend war. Das finde ich
von vornherein einen miesen Stil.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Noch ein letztes dazu; Zu einem Zeitpunkt, als zwei Wochen
vorher das Verfahren gegen Herrn Antes eingestellt war, aber
das Unbehagen in der Partei aus allgemein politischen Gründen
natürlich zunahm - Antes ist ja auch nur mit 67 zu 60 wieder vom
Parteitag nominiert worden, wo ich nicht anwesend war -, habe
ich dennoch den Versuch gemacht, und zwar den erfolgreichen
Versuch, in der Bezirksverordnetenfraktionssitzung Herrn Antes
und Herrn Lindemann zu bewegen, einen totalen Neubeginn des
Bezirksamtes Charlottenburg zu ermöglichen. In diesem Raume
sitzen viele Leute, die daran teilgenommen haben, die das auch
bezeugen können. Um ein Abrücken von dieser Sache zu vermei
den, habe ich am gleichen Abend die beiden Tageszeitungen
noch darüber informiert. Damit Herr Lindemann, was er anschlie
ßend zwar getan hat, sich das nicht wieder alles anders überlegt,
war ich auf dem Parteitag und habe die eindeutige Bitte auch
des Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen dort vorgetragen,
einen Neubeginn zu ermöglichen. Nun können Sie sagen, das sei
alles zu spät gekommen. Aber nun seien Sie doch bitte einmal
ehrlich. Nach der Kirche ist man eben schlauer. Zum Zeitpunkt
des 20. Mai stand jedenfalls in keiner Zeitung der auch nur an
nähernd zu begründende Vorwurf der Korruption. Dennoch habe
ich seinerzeit im Aufträge der Union den erfolgreichen Versuch
unternommen, eine personelle Neubesetzung in Charlottenburg
zu bewirken.