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Volume Nr. 34, 11. September 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
34. Sitzung vom 11. September 1986 
Oxfort 
immer mehr verselbständigen. Die grundsätzliche Auf 
hebung der Rechtseinheit mit dem Bund würde außer den 
rechtlichen auch wirtschaftliche Folgen für Berlin haben. 
Die Bindung Berlins an den Bund würde insgesamt ge 
lockert, zum Teil sogar gelöst werden. 
So viel aus dem Memorandum, In der Sitzung des Abgeord 
netenhauses vom 26, September 1974 ist dann in I. Lesung der 
entsprechende Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung von 
Berlin behandelt worden. Der damalige Innensenator Neubauer 
hat die Vorlage begründet und ebenfalls mit Nachdruck darauf 
verwiesen, daß, wenn ein Verfassungsgericht eingerichtet 
würde, wie es die Alliierten genehmigen könnten, Berlin aus der 
Rechtsordnung mit dem Bunde herausgebrochen wird. Und 
deshalb müsse die Verfassung geändert, d. h. jeder Verfas 
sungsauftrag für die Schaffung eines Verfassungsgerichts in der 
Berliner Verfassung suspendiert werden. Dem haben damals alle 
zugestimmt, und auf diese Weise ist dann schließlich die Berliner 
Verfassung geändert worden. Das ist damals nicht allen leicht 
gefallen - Sie können nachlesen, ich will mich hier nicht selbst 
zitieren. Wir haben das auch zum Ausdruck gebracht, mit welch 
schweren Bedenken wir zugestimmt haben. Wir haben aber 
auch gesagt, daß die Rechtseinheit mit dem Bund eine der 
wesentlichen Lebensvoraussetzungen für Berlin ist und daß die 
Wahrung der Rechtseinheit mit dem Bund jedem anderen 
Gesichtspunkt vorzuziehen ist. 
Nun frage ich mich, was hat sich denn geändert, Herr Kollege 
Pätzold? 
[Momper (SPD): Wir sind schlauer geworden!] 
Ich hätte von Ihnen erwartet, daß Sie das hier im einzelnen dar 
gelegt hätten. Weder an der geopolitischen Lage Berlins noch 
an seinem Besatzungsstatut hat sich das geringste geändert. 
Sie wissen, Sie bekommen keine Zuständigkeit des Bundesver 
fassungsgerichts für Berlin, d. h. eine Nachprüfung beispiels 
weise durch Verfassungsbeschwerde von Einzelakten der Ver 
waltung anhand des Bundesrechts ist also ausgeschlossen. 
Zweitens: Sie bekommen kein Landesverfassungsgericht in Ber 
lin, das eine Zuständigkeit haben könnte für Normenkontrollkla- 
gen oder für Verfassungsbeschwerden. Das, was dann übrig 
bleibt - beispielsweise die Organstreitigkeiten -, ist von so ge 
ringer Bedeutung, daß Sie ein solches Institut nicht mit gutem 
politischen Grund ein Verfassungsgericht nennen können. Da 
muß ich leider der AL recht geben, wenn sie sagt, da wird den 
Bürgern Sand in die Augen gestreut. Und das, Herr Kollege 
Momper, hat die SPD auch nicht erst heute zu hören bekommen, 
sondern diese Auffassung hat sie 1974 in der Debatte bereits 
vertreten! 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Sie gestatten eine Zwi 
schenfrage? - Bitte, Herr Momper! 
Momper (SPD): Herr Kollege Oxfort! Können Sie sich nicht 
vorstellen, daß die Wahrnehmung dieser Rechte durch die 
Alliierten heute eine andere sein könnte als vor 12 Jahren? 
Oxfort (F.D.P.): Da werde ich Ihnen sofort eine Antwort 
geben, ich möchte nur gern in meinem Gedankengang noch zu 
Ende gehen. 
In dieser Debatte vom 26. September 1974 hat sich nämlich 
sehr wohl die Frage auch darum gedreht, was bleibt denn mit 
dem Rest. Da hat - das ist das Interessante - auch ein heute 
anwesender Abgeordneter, nämlich der Kollege Heß, damals für 
die SPD-Fraktion gesprochen. Ich zitiere: 
Eine sogenannte kleine Lösung, ein Landesverfassungs 
gericht ausschließlich für Organstreitigkeiten, scheidet für 
meine Fraktion aus, weil diese Funktion, Organstreitigkeiten 
zu behandeln, durchaus auf andere Gerichte übertragbar ist 
und dafür geeignet wäre. Eine neue Institution würde ledig 
lich neue zusätzliche Erwartungen wecken, die aber von ihr 
nicht erfüllt werden könnten. 
Herr Kollege Momper! Es ist nicht schmeichelhaft für die Frak 
tion einer großen Partei, wenn sie sich nachsagen lassen muß, 
daß sie vor 12 Jahren wesentlich klüger gewesen sei als heute. 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU - 
Heiterkeit - Momper (SPD): Sie müssen doch nicht 
polemisieren, Ihre Ausführungen sind doch gut genug!] 
Nun mag das einfach daran liegen, und man ist ja manchmal 
geradezu frappiert, Herr Kollege Momper, wie so etwas wirkt — 
[Zurufe] 
- Lassen Sie mich doch erst einmmal ausreden. 
[Momper (SPD): Ich stimme Ihnen und dem Kollegen Heß 
in diesem Punkt immer noch zu!] 
- Na, das ist ja wunderbar. Sehen Sie, es ist schon merkwürdig 
zu beobachten, wie der Sachverstand einer ganzen Fraktion 
nachläßt, wenn sie, aus der Regierungsverantwortung entlassen, 
des Rates der Verwaltung entbehrt. 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU - 
Staffelt (SPD): Das ist der Grund, weshalb Sie mit 
jedem ins Bett steigen!] 
- Ich steige nicht mit jedem ins Bett! Mit Ihnen bestimmt nicht 
mehr, ich bin doch nicht Also wissen Sie 
[Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU] 
Wenn Sie mich schon politisch nicht mögen, so sollten Sie 
wenigstens meinen Geschmack achten! 
[Heiterkeit - Beifall bei der F.D.P. und CDU] 
Meine Damen und Herren! Ich bin mir sehr wohl darüber in kla 
ren, daß eine Minderheit in diesem Hause - und die SPD erfüllt 
diese „Menge“, die da verlangt wird - in der Lage ist, eine 
Enquete-Kommission durchzusetzen. Aber ich sage Ihnen, daß 
meine Fraktion nicht bereit ist, diesem Antrag nun auch noch die 
politische Zustimmung zu geben. Da unterscheiden wir uns von 
dem, was der Kollege Finkelnburg angekündigt hat. Die grund 
legenden wesentlichen politischen Fragen, die für die Einführung 
einer Verfassungsgerichtsbarkeit in Berlin gegeben sind, haben 
sich seit 1974 nicht geändert. 
Nun komme ich zur Beantwortung ihrer Frage, Herr Kollege 
Momper. Es ist nicht vorstellbar - und Gott möge es im Interesse 
dieser Stadt verhüten -, daß die Alliierten, solange sich die maß 
geblichen politischen Verhältnisse in Berlin nicht geändert 
haben, ihre Rechte und ihre Ansichten über die Einordnung 
Berlins im Verhältnis zum Bund heute anders ausdeuten und 
anders auslegen, als das 1974 geschehen ist. Und das Mittel 
einer Enquete-Kommission, das noch dazu diese ganze Thema 
tik in der Öffentlichkeit erörtert und von den Alliierten dann mög 
licherweise verlangt, sie sollten in der Öffentlichkeit einer 
solchen Kommission - oder in der Teilöffentlichkeit - dann hin 
nehmen, daß dort ihre wesentlichen Fragen für den Status der 
Stadt erörtert werden, das ist doch falsch und illusionär! Ich 
mache Ihnen den Vorschlag, Sie sollten den Antrag auf Einrich 
tung einer solchen Enquete-Kommission zurückziehen. Solche 
Fragen wirklich ernsthaft zu erörtern, noch dazu von Leuten, die 
sich in der Materie auskennen, gibt es in Berlin viele Möglich 
keiten, 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Als nächster Redner hat 
das Wort Senator Kewenig. 
Dr. Kewenig, Senator für Inneres: Frau Präsidentin! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir schwer, nach den 
so zutreffenden, 
[Momper (SPD): Lichtvollen!] 
- ja, vielen Dank, Herr Momper! - lichtvollen und auch so auf den 
Punkt kommenden Ausführungen von Herrn Oxfort noch etwas 
anzufügen. Aber ich möchte trotzdem, da es sich um zwei sehr 
wichtige Anträge der SPD handelt, ganz kurz die Position des 
Senats hier darlegen.
	        
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