Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
32. Sitzung vom 26. Juni 1986
1851
Sen Wronski
(A) waren die Kabinenbahn - C-Bahn die H-Bahn und die
M-Bahn. Und gerade die SPD-Fraktion ist es gewesen, die -
ganz offensichtlich beeindruckt durch die Vorführungen im Ver
suchsfeld Braunschweig - sich dann auch expressis verbis in
einen Beschluß des Abgeordnetenhauses zu dem Systement
scheid M-Bahn präjudizierend geäußert hat. Das ist wichtig fest
zustellen. Die freie, offene Entscheidung, die im Grundsatz
seinerzeit von der damaligen Opposition gewünscht war, ist ge
rade durch die damals regierende Mehrheitsfraktion in Richtung
M-Bahn präjudiziert worden. Dieses in Erinnerung zu bringen,
Herr Abgeordneter Staffelt, wird ihnen sicherlich nicht peinlich
sein.
Dann möchte ich ganz generell darauf hinweisen, daß wir uns
bei der Entwicklung neuer Transportsysteme auf allen möglichen
Gebieten gerade im Bereich der Magnettechnik sowohl in Berlin
- was Magnettransporttechnik im Nahverkehr betrifft - wie auch
- Stichwort „Transrapid“-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge im
Emsland - in einem Entwicklungs- und Experimentierfeld bewe
gen, von dem man vernünftigerweise, Herr Abgeordneter Staf
felt, nicht erwarten kann, daß man von vornherein ein Ziel so defi
niert, daß man es auch kostenmäßig genau bezeichnen kann. Ich
möchte es mir ersparen, auf vergleichbare Forschungs- und Ent
wicklungsvorhaben hinzuweisen, aber vielleicht gibt uns die Tat
sache zu denken, daß die von mir eben genannte Magnetschwe-
| bebahn im Emsland - Hochgeschwindigkeitsbahn Transrapid -
inzwischen Forschungs- und Entwicklungskosten eine Größen
ordnung von einer knappen Milliarde DM - nahezu ausschließ
lich aus dem öffentlichen Haushalt des Bundesministeriums für
Forschung und Technologie finanziert - erreicht hat. Ich will also
keine Vergleiche von weit herholen, aber wenn es schon schwie
rig ist, Bauvorhaben mit genau definiertem Raumprogramm, mit
genau vorhersehbarer Statik, mit genau vorhersehbaren Kosten
für Architektur und Entwicklung gerade im öffentlichen Bereich
nicht auf die letzte Mark, noch nicht einmal auf 10 °/o, ja noch
nicht einmal auf 100% genau zu definieren, wenn man solche
Projekte startet - Sie wissen, wovon ich spreche; und in der
heutigen Tageszeitung kriegen wir ein weiteres Beispiel: Bauvor
haben Krankenhaus Neukölln, nicht in dieser überproportionalen
Dimension wie seinerzeit das Kongreßzentrum wenn es schon
nicht möglich zu sein scheint, daß wer auch immer - überwie
gend wohl die öffentliche Hand - nicht in der Lage ist, solche
hinreichend präzise zu bestimmenden Objekte finanziell in einem
Rahmen zu definieren, dann ist es - ich sage das nicht zur Ent
schuldigung der Kostenentwicklung, die mich übrigens sehr trifft
und mich betroffen macht; einfach nur, um einmal plausible Ver
gleiche zu bringen - doch mindestens nicht verwunderlicher,
daß Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, also Vorstöße in
völlig neue Dimensionen nicht von vornherein mit dem kalkulato
rischen Rechenstift eines vorherbestimmbar sind.
[Beifall bei der CDU - Staffelt (SPD):
Zwischen „Krämer“ und 38,5 Millionen DM
ist doch wohl ein Unterschied!]
Im übrigen: Die Begleitmusik bei der Entwicklung neuer Vor
haben - speziell Transportvorhaben - ist immer dieselbe. Ich
möchte Ihnen mal etwas vorlesen. Hier geht es um ein Objekt,
das wir kennen. Ich sage Ihnen nachher, was es ist. Da ist seiner
zeit, als es eingeführt wurde, unter anderem folgendes gesagt
worden:
Diejenigen, die sie nicht haben wollen,
- es ging da auch um eine Bahn -
reden am lautesten und führen gegen sie die mannigfach
sten Gründe an. Diejenigen, die sie haben wollen und
ersehnen, schweigen und warten. Was sind denn nun
die Gründe, die gegen den Bau der Bahn ins Feld geführt
werden?
Und da werden diverse ins Feld geführt:
Als Gründe gegen die Bahn werden in erster Linie die nach
stehenden angeführt: Sie ist überflüssig. Sie ist häßlich. Sie
schädigt die Anwohner der dortigen Region. Sie vereiteilt
etwas.
Und das war im Jahre 1903 oder 1904; „die Schwebebahn - (C)
zwei Betrachtungen und eine Abhandlung über Moral“, Wupper
tal. Sehen Sie, wenn man das liest, dann wird man nachdenklich.
[Zuruf des Abg. Wingefeld (SPD)]
- Sie geben mir einen weiteren Hinweis: Wenn man das so liest,
dann ist es immer das gleiche. Diejenigen, die den Mut haben -
damit meine ich gar nicht mich; ich habe ein Objekt über
nommen, das Sie mit auf den Weg gebracht haben, und wir wol
len es zu Ende führen, gut zu Ende führen -, diejenigen, die den
Mut haben, in neue Dimensionen auch technischer Art vorzu
stoßen, werden immer allein sein, überwiegend allein sein, bis
dann die große Masse, auch entscheidende Masse, wichtige
Masse, im nachhinein, wenn alle Risiken ausgeräumt sind, wenn
alle Schwierigkeiten überwunden sind, sagen kann: Wir sind es
letzten Endes gewesen. - Und wenn es nicht klappt, sind sie es
nicht gewesen. Das ist so in dieser unserer Welt, und damit muß
ich leben. Nachdem wir aber - ich habe das schon gesagt - von
Ihnen heute ausdrücklich ein Bekenntnis Ihrer Vaterschaft der
M-Bahn ins Protokoll bekommen haben,
[Staffelt (SPD): Das haben wir
nie anders gehandhabt!]
ist das für uns eine gute Basis für weitere partnerschaftliche Be
gleitung durch die Opposition.
Nach diesen allgemeinen Anmerkungen möchte ich Ihnen nun
auf die neun gestellten Fragen folgende Antworten geben:
Zu 1: Die vom Senator für Verkehr und Betriebe genannten
80 geschaffenen Arbeitsplätze beziehen sich ausschließlich auf
die am Bau der M-Bahn beteiligten Partner der Arge M-Bahn, die
übrigens erst im Jahre 1983 gegründet wurde. Es liegt auf der
Hand, daß durch Vergabe von Aufträgen in Millionenhöhe durch
die Arge M-Bahn Arbeitsplätze gesichert und auch neue
geschaffen wurden. Die von Herrn Dr. Stronk im Jahre 1982
genannte Zahl von 300 zu erwartenden neuen Arbeitsplätzen ist
eine realistische Abschätzung. Sie müssen bitte - das möchte
ich anmerken - das weite Feld der Trivialtechnik, der Bautechnik
mit einbeziehen, denn wenn ein Großauftrag dieses Umfanges
installiert wird, ist für eine bestimmte Zeit natürlich auch Bau
wirtschaft und Baunebenwirtschaft mit einbezogen.
[Staffelt (SPD): Schaffen oder sichern?]
- Wenn die Leute arbeiten, dann sind sie nicht in Arbeitslosig
keit, dann haben sie Arbeitsplätze geschaffen; das ist doch ganz
simpel in der Statistik.
[Staffelt (SPD): Nein! - Frau Müller (SPD):
Nein! Das ist aber ein Unterschied!]
Zu 2: Es trifft zu, daß die an der Arge M-Bahn beteiligte Indu
strie in einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft 7,1 Millionen DM
weitere Mehrkosten zur Diskussion gestellt hat. Diese weiteren
Mehrkosten wurden unter anderem mit dem durch die Gerichts
verfahren über den Planfesfstellungsbeschluß entstandenen Ter
mindruck begründet, der es erforderlich mache, mehr Mittel für
die Prüfungsverfahren zur technischen Abnahme und für Perso
nalkosten einzusetzen. Allgemeine Preissteigerungen gegen
über der ursprünglichen Kalkulation sind hinzuzufügen, boden
tektonische Untersuchungen - genauer gesagt: Überraschun
gen; Torflinsen etc.; so habe ich das etwa in Erinnerung - tun
das übrige, so daß also schon bei der technisch-trivialen Vorbe
reitung der Installierung der Trasse Mehrkosten entstehen, die
Leute aus diesem Hause, die sich mit Bauvorhaben befassen
müssen, leider nicht überraschen.
Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat
wegen der Mehrkosten von 38,5 Millionen DM in seiner Sitzung
am 16. Oktober 1985 beschlossen, daß sich die Industriepart
ner der Arge mit 5 Millionen DM an den Mehrkosten zu beteiligen
hätten. Über die Art der Beteiligung wird derzeit noch verhandelt.
Es wurde der Industrie keine Hilfestellung in anderen Bereichen
zugesagt, um finanzielle Nachforderungen abzuwehren.
Die voraussichtliche Beteiligung des Landes Berlin an den
vom BMFT und der Projektbegleitung anerkannten Mehrkosten
von 38,5 Millionen DM bewegen sich in einer Größenordnung