Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
31.Sitzung vom IZ.iuni 1986
1772
Simon
(A) ich den Prospekt sehe, den Sie verteilt haben - häuserweit in
dieser Stadt und kritisch durchlese, was da an Sachargu-
menten drinnen ist, dann finde ich eigentlich kaum etwas. Es
werden sogar ganz bewußt Verbindungen hergestellt, die es
gar nicht gibt. Ich sage gleich etwas zum Bereich des sozialen
Wohnungsbau: Der wird hier fleißig überall mitzitiert, damit
man dann die Angst schürt. — Überhaupt nicht betroffen, wie
Sie natürlich wissen!
Und Sie wußten es auch, als Sie 1981 in dieser Stadt
Wahlkampf gemacht haben. Da haben Sie in den letzten 14
Tagen vor der Wahl Plakate plakatiert, in denen Sie die
Menschen davor gewarnt haben, daß die CDU an die Macht
kommt, weil sie dann 100 Prozent Mietpreissfeigerung zu
erwarten hätten. Sie wußten, daß das schlicht rechtswidrig
gewesen wäre und völlig unrealistisch war. Ihr Spitzenkandi
dat, der ehemalige Bundeswohnungsbauminister und Bun
desjustizminister Vogel, wußte das alles bestens. Hier im
Parlament von mir angesprochen, hat er gesagt: Ach wissen
Sie, ich weiß eigentlich gar nicht, was Sie wollen. Ich bin doch
das Spitzenkandidat, aber die Unterschrift unter das Plakat
habe ich doch schließlich nicht gegeben. - So einfach kann
man es sich machen, so einfach machen Sie sich das auch
heute nach wie vor!
[Widerspruch bei der SPD - Dr. Meisner (SPD):
Das bezweifle ich, daß Herr Vogel mit Ihnen
gesprochen hat! - Buwitt (CDU): Betrügerei!]
Ich sage ganz bewußt: In dieser Art zu argumentieren, ist
genau das, was Sie 1981 im Wahlkampf in Berlin probiert
haben, was sie 1982 im Bundestagswahlkampf probiert haben
und was Herr Geißler zu Recht mit dem Wort „Mietenlüge"
bezeichnet hat. Das ist die Art des Vorgehens, des Argumen-
tierens! Angst machen, Angst machen den Menschen, Angst
(B) machen und wissen, daß diese Angst sehr leicht geschürt
werden kann und daß man nach Möglichkeit kaum Sachargu-
mente dabei gebraucht.
[Dr. Meisner (SPD): Es gibt keinen Grund für die
Angst, Herr Simon? Nein?]
Schauen wir uns doch ein paar Fakten an. Sie sagen hier
ganz allgemein und Sie heben auch in Ihren Reden und in
Ihrem Prospekt immer wieder auf auf die gesamte Situation
der Wohnungen in dieser Stadt ab. Wir haben 1,1 Millionen
Wohnungen. Schauen wir uns die mal an, damit klar ist, wer
auch betroffen ist. Da fällt erst mal alles heraus, was in der
Stadt im sozialen Wohnungsbau wohnt; wer im steuerbegün
stigten Wohnungsbau wohnt, ist von diesem Thema überhaupt
nicht betroffen, weil die Kostenmiete in der Zweiten Berech
nungsverordnung gesetzlich festgelegt ist. Es hat mit dem hier
diskutierten Thema überhaupt nichts zu tun. Wer in der
Gropiusstadt oder im Märkischen Viertel hingeht und den
Leuten Angst macht, der weiß, daß er ein Volksverdummer ist
und nichts anderes.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Wir haben es also mit dem Bereich des Altbaus zu tun -
immerhin 585000 Wohnungen, von denen 102000 Ein- und
Zweifamilienhäuser sind, die sich längst in dieser Rechtssitu
ation befinden, die von der Debatte gar nicht betroffen sind.
Wir haben 20000 zweckentfremdete Wohnungen, die ebenfalls
von dieser Debatte überhaupt nicht betroffen sind. Wir haben
92000 Wohnungen innerhalb der Gemeinnützigen, die eine
solche Sicherheit durch ihre Mietpreisregelung bieten, daß
sie an der Debatte im Grunde nicht beteiligt sind, weil sie
einen stabilisierenden Faktor für das gesamte Mietgefüge
darstellen. Sie alle wissen das! Sie wissen das und Sie kennen
auch die 20000 Wohnungen des Landes Berlin, aber Sie tun
zunächst einmal so, als seien alle Menschen, die in 1,1
Millionen Wohnungen in dieser Stadt wohnen, von diesem (C)
Thema berührt, als müßten sie um ihre Wohnung fürchten!
[Frau Abg. Ahme (AL) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie eine Zwischen
frage?
Simon (CDU): Ich sage nicht, daß 250000 Wohnungen ein
Pappenstiel sind. Sie sind sehr wohl zu beachten! Aber bitte
tun Sie nicht so, als seien es 1,1 Millionen, sondern sagen Sie
hier genau, wer betroffen ist, und dann lassen Sie uns darüber
reden, wie die Regeln sind.
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie eine Zwischen
frage?
Simon (CDU): Bitte, Frau Kollegin Ahme!
Stellv. Präsident Longolius; Bitte, Frau Kollegin Ahme!
Frau Ahme (AL): Herr Simon, merken Sie eigentlich, daß
Sie im Moment von einer realen Bedrohung ausgehen und daß
Sie nur versuchen, diese Bedrohung zu minimieren und
einzugrenzen?
Simon (CDU): Frau Ahme, ich versuche, Polemik von den
Fakten zu trennen. Wenn Sie dem folgen, wäre ich dankbar,
und wenn Sie bei der nächsten Debatte in Kreuzberg, wo wir
dann aufeinandertreffen, das genauso machen, verstehen wir
uns und finden sicher auch die Sprache, die die Berliner
Mieter dabei verstehen in der und wir mit ihnen umgehen
sollten.
(D)
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Eins ist ganz sicher: Der beste Mieterschutz ist ein ausrei
chendes Wohnungsangebot. Ich erinnere daran, welche De
batten wir Ende des Jahres 1980 und zu Beginn des Jahres
1981 hier im Parlament hatten, wo wir gesagt haben: Wir
müssen mehr Wohnungen bauen! - Sie sind damals voller
Häme über uns hergefallen und haben uns kritisiert, das
Wohnungsangebot in der Stadt sei viel zu groß, um Gottes
Willen, jede neue Wohnung sei eine Gefahr. Was wissen wir
heute? Hätten wir das nicht getan, dann hätten wir eine
schlimme Situation auf dem Wohnungsmarkt. Und wir wer
den es weiter tun müssen, weil der beste Schutz tatsächlich
ein ausreichendes Angebot ist. Wenn die Menschen wählen
können und nicht wenn sie der knappen Ware hinterherlaufen
müssen, dann regelt sich das sehr wohl.
Ich weiß, und Sie wissen auch, wenn Sie die Verhältnisse
kennen, wovon ich rede: nämlich von den Gebieten in der
übrigen Bundesrepublik, in denen das eingeführt ist und die
wir dann immer so gern zitieren. Überall da, wo der Woh
nungsmarkt ausgeglichen ist, ist das überhaupt kein Problem
mehr. Es gibt bestimmte Problembereiche — da wird von
Ihnen immer ganz gern München zitiert, das nun das typische
Gebiet sei, wo alle Leute weg wollten, wo sie alle nicht mehr
hinziehen und wo wir eine ganz typische Situation für die
Bundesrepublik hätten, die wir voll auf Berlin auf diesem
Sektor übertragen könnten. Das ist dann so, wie Äpfel und
Birnen miteinander zu vergleichen. Nehmen Sie doch mal
einen typischen Ballungsraum der Bundesrepublik, und dann
schauen Sie sich mal an, was da an Mietbewegung in den
letzten Jahren im Altbau drin war. Dann kommen Sie her,
wenn Sie die Zahlen genannt haben, und machen den Berliner
Mietern noch weiter Angst davor, was ihnen hier droht.
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Brauchen sie nicht, die
Mieter haben allein Angst!]