Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
31.Sitzung vom 12.Juni 1986
1749
Frau Bischoff-Pflanz
(A) nein, es geht auch in die Militärhilfe zur „Endlösung der
Tamilenfrage“. Dieses sollte uns dazu bewegen, sich ernsthaft
mit der Problematik dort auseinanderzusetzen und darauf
einzuwirken, daß dort Veränderungen stattfinden, und nicht
noch zugucken.
Abschließend möchte ich den Bevollmächtigten, die so
mutig waren und ganz unkompliziert sofort gesagt haben: „Ja,
wir helfen euch, befreundeten Familien ihre Kinder hierher zu
bringen“, denen möchte ich ganz herzlich danken. Und ich
denke, Sie würden, wenn es jemand verdient, eigentlich an
den Tisch unseres Bundespräsidenten gehören zu einem
Festmahl.
[Beifall bei der AL und des Abg. Neumann (SPD)]
Präsident Rebsch; Nächster Redner ist der Abgeordnete
Dr. Lange von der Fraktion der F.D.P.
Dr. Lange (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn eine persönliche Bemer
kung. Im Interesse der Verwirklichung und der Fortsetzung
einer vernünftigen und humanen Asylpolitik, Herr Kollege
Barthel, hätte es besser weder den Anlaß dieser Debatte noch
einen Teil der bisherigen Redebeiträge gegeben.
[Zurufe von der AL und der SPD]
Lassen Sie uns daher im Interesse der Sache zur Versachli
chung zurückkehren, die diesem sensiblen Bereich
[Erregte Zurufe von der AL - Glocke des
Präsidenten]
angemessen ist.
(B) Nun aber zu der von Ihnen mitzuverantworfenden Aktion,
Frau Bischoff-Pflanz, deren bisher wirklich einziger Verdienst
es ist, die bereits versachlichte Asylrechtsdiskussion erneut
zu emotionalisieren. Um Mißverständnisse zu vermeiden,
Herr Kollege Helms, damit Sie sich wieder abregen können:
Ich unterstelle Ihnen, Frau Bischoff-Pflanz, daß Sie sich bei
Ihrem Handeln unter anderem möglicherweise auch von
humanitären Erwägungen haben leiten lassen.
[Erregte Zurufe von der AL]
Das ist übrigens nicht neu, daß Abgeordnete zu einer solchen
Maßnahme greifen. Ich erinnere an den Vorgang von vor
einigen Jahren, als ein prominenter CDU-Bundestagsabge-
ordneter eine ähnliche Aktion auf den Philippinen startete. -
Wir haben, Frau Bischoff-Pflanz, Humanität, Menschlichkeit in
der Politik insbesondere bei den konkreten Entscheidungen
hier in Berlin im Asylrecht durchgesetzt. Ich möchte nur
erinnern - Frau Kollegin Birkelbach, Sie sind leider nicht bei
den Beratungen dabei, ich bedauere das persönlich -, wir
haben im Ausländerausschuß qua Beschluß des Parlaments
durchgesetzt, daß schwangere Ausländerinnen in Zuheirats
fällen der zweiten Generation nicht abzuschieben sind; wir
haben gemeinsam durchgesetzt, daß bei Ausreiseaufforde
rungen an minderjährige Ausländer die Ausländerbeauftragte
des Senats einzuschalten ist, um humanitäre Lösungen zu
ermöglichen. Und wir haben gemeinsam die Innenverwaltung
beauftragt, die modifizierten Abschiebestopps in den Libanon
und nach Sri Lanka zu beachten. Humanität in der Ausländer
politik, Kollege Barthel, ist für uns daher kein Anspruch,
sondern Selbstverständlichkeit. Aber Humanität muß auch die
Folgerungen berücksichtigen, und sie darf nicht auf unlaute
ren oder gar vordergründigen Motiven beruhen. Und hier läßt
Ihre Aktion, Frau Kollegin Bischoff-Pflanz, aber erhebliche
Zweifel entstehen. Denn wenn es Ihnen wirklich allein um das
Wohl dieser Kinder gegangen wäre, so hätten Sie gerade
unter humanitären Gesichtspunkten bedenken müssen, Frau
Kollegin, daß Sie diese Kinder einer völlig unüberschaubaren (C)
Situation aussetzen,
[Zurufe von der AL]
da, wie Ihnen bekannt ist, nach der Grundsatzentscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 1985 die Lage
der tamilischen Asylbewerber völlig ungeklärt ist. Desglei
chen, Frau Kollegin, ist es unglaubwürdig, daß diese Aktion
wirklich das gleißende Scheinwerferlicht der Presse erforder
te, um damit angeblich deutlich zu machen, daß Asylbewerber
generell einen Anspruch auf Familienzusammenführung ha
ben. Sie haben nach dem altbewährten Motto gehandelt: Ich
versuche, den Eindruck zu erwecken, daß ich helfe, aber das
muß auch wirklich jeder erfahren! - Wenn es sich tatsächlich
um Familienzusammenführung gehandelt hätte, hätte das
noch eine andere Qualität gehabt; ich möchte das nicht
vertiefen. Aber Sie wissen ganz genau, daß in einigen der
Fälle, die Sie hier zu verantworten haben, es gar nicht um
Familienzusammenführung ging. Sie wissen sehr genau, daß
es sich in einigen Fällen um Kindertransporte zwischen
Familienpartnern handelt. Sie wissen ganz genau, daß in
einigen Fällen die Eltern gar nicht in Berlin sind,
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Stimmt überhaupt
nicht!]
sondern daß sich in einigen Fällen, Frau Kollegin, sowohl die
Mutter als auch noch andere Geschwister in Sri Lanka
aufhalten. Wir wollen das nicht vertiefen, Frau Kollegin. Aber
schon deshalb wird der ganze Begriff der „Familienzusam
menführung“ natürlich in einigen Fällen, die Sie hier prakti
ziert haben, höchst fragwürdig.
[Frau Kiele (AL): Nur daß es nicht um den Begriff
geht, sondern um die Familien!] (D)
Sie wissen natürlich weiterhin ebensogut wie ich, Frau
Kollegin, daß auch minderjährige Kinder von Asylbewerbern
mit einer Begleitperson ohne Visum zu ihren Eltern in die
Bundesrepublik einschließlich Berlin einreisen können, ob
wohl es einen asylrechtlichen Anspruch auf Familienzusam
menführung, sofern es sich überhaupt um echte Familienzu
sammenführung handelt, nichtgibt. So gehörtdie Einreise von
minderjährigen Kindern zu ihren Ellern zur täglichen Praxis
im Asylbereich und wird von den deutschen Verwaltungen im
Rahmen des geltenden Rechts auch so gesehen. Dies alles
folgt aus Artikel 6 Grundgesetz, der seinen Schutz der Familie
auf alle Personen ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit
erstreckt.
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Menschenrechte gibt es
auch noch!]
Zur Förderung der vom Grundgesetz geschützten Familien
einheit gehört es fraglos, getrennten Familien die Zusammen
führung zu erleichtern, jedenfalls nicht diese zu erschweren.
Insofern begegnet nach unserer Auffassung die Meinung des
Bundesgrenzschutzes im vorliegenden Fall, die Kinder unter
Berufung aut ihre Mittellosigkeit bzw. der ihrer Eltern — von
der der Bundesgrenzschutz zum Zeitpunkt seiner Entschei
dung noch keine entgültige Gewißheit haben konnte — an der
Einreise zu hindern und ihnen die Zurückweisung anzudro
hen, erheblichen rechtlichen Bedenken. Ich bin daher ge
spannt, was der Innensenator - zusätzlich zu dem, was sein
Amtsvorgänger ausgeführt hat — dem Parlament noch heute
zu dieser rechtlichen Frage vortragen wird.
Nun will ich, Frau Kollegin Bischoff-Pflanz, Ihre Aktion
weder rechtlich abschließend beurteilen noch will ich ent
scheiden. wie sich dies mit dem Auftrag Ihres Abgeordneten
hausmandates vereinbaren läßt, sondern Sie selbst müssen
auf Grund dieser emotionalen Debatte, Frau Kollegin, erkannt