Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
30. Sitzung vom 29. Mai 1986
1714
Sen Dr. Kewenig
(A) hinzufügen, sondern die wesentlichen Punkte noch einmal
wiederholen.
[Klinski (AL): Wiederholen brauchen wir nicht!]
- Anscheinend doch, sonst wäre es nicht zu dieser Großen
Anfrage gekommen. Vielleicht wissen Sie auch aus Ihrer
persönlichen Erfahrung, wie schön es ist, wenn man die
richtigen Dinge noch einmal hört. Dann prägen sie sich
nämlich ein.
[Frau Künast (AL): Sie prägen sich ja nicht
bei jedem ein!]
- Deshalb wiederhole ich sie ja gerade für Sie.
Zur Fragestellung selbst möchte ich feststellen, daß es
keine schwerwiegenden Hinderungsgründe gegeben hat, die
dieser Berufung im Wege gestanden haben. Anderenfalls
wäre sie nicht erfolgt. Die von der anfragenden Fraktion
behaupteten angeblichen schwerwiegenden Hinderungs
gründe
[Frau Künast (AL): Das war ja ein doppelter Rittberger!]
waren Gegenstand eingehender Untersuchungen der hierfür
zuständigen Stellen. Soweit es sich hierbei um behauptete
angebliche dienstliche Verfehlungen handelte, wurden diese
vom zuständigen Generalstaatsanwalt beim Kammergericht
im Zuge disziplinarrechtlicher Voruntersuchungen geprüft
und als gegenstandslos gewertet. Wäre dies nicht der Fall
gewesen, hätte der Betreffende wohl nicht in seiner damali
gen Funktion verbleiben können. War er aber für seine
damalige verantwortungsvolle Tätigkeit bei der Staatsan
waltschaft uneingeschränkt geeignet, so war er es auch für
(B) seine Tätigkeit im Bereich des Verfassungsschutzes.
Die Frage ob ein Sicherheitsrisiko daraus folgt, daß der
betreffende Beamte mit einer Person befreundet war, die
bereits wiederholt in Ermittlungsverfahren auf dem Gebiete
der Wirtschaftskriminalität verwickelt war, wurde von der für
Sicherheitsüberprüfungen zuständigen Abteilung IV meines
Hauses sorgfältig geprüft. Der Leiter der Abteilung IV kam
unter Würdigung der konkreten Umstände und der gesamten
Persönlichkeit zu einem eindeutig verneinenden Votum. Es
gibt auch gegenwärtig für den Senat von Berlin keine Veran
lassung, an diesen Beurteilungen der beiden zuständigen
Beamten - des Generalstaatsanwalts und des Leiters der
Abteilung IV - und ihrer Kompetenz hierzu zu zweifeln. Der
Senat von Berlin ging im übrigen zumindest bis heute davon
aus, in dieser Hinsicht mit der anfragenden sozialdemokrati
schen Fraktion übereinzustimmen.
In Anbetracht dieser Sachlage erscheint es dem Senat von
Berlin nicht nur unverständlich, sondern auch aus rechtsstaat
lichen Gründen in hohem Maße bedenklich, daß öffentlich
immer wieder dieselben ehrverletzenden Behauptungen auf
gestellt werden, obwohl die Untersuchungen und Überprüfun
gen der hierfür zuständigen und fachlich kompetenten Stellen
genau zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sind. Auch der
„Stern“ dürfte Sie von dieser Position eigentlich nicht herun
terbringen, meine Damen und Herren von der Opposition.
In diesem Zusammenhang stelle ich außerdem fest: Dem
Senat liegen keinerlei Hinweise darauf vor, daß irgendein
früheres oder jetziges Senatsmitglied dem berufenen Beam
ten in irgendeiner Form verpflichtet ist oder freundschaftliche,
berufliche oder politische Beziehungen zu ihm unterhält. Ich
betone vielmehr nachdrücklich, daß diese Berufung allein
deshalb erfolgt ist, weil der ausgewählte Beamte nach Auffas
sung des Senats von Berlin in voller Übereinstimmung mit
maßgeblichen Fachleuten für diese Funktion aufgrund seiner
bisherigen Tätigkeit besonders geeignet erschien.
Ich richte deshalb abschließend den dringenden Appell an (C)
dieses Haus, dem betroffenen Beamten und dem gesamten
Landesamt für Verfassungsschutz endlich die Möglichkeit zu
geben, ihrer gerade in der gegenwärtigen Zeit besonders
schweren Aufgabe in Ruhe und in einer von Verdächtigungen
freien Atmosphäre nachgehen zu können. Wem es wirklich um
die innere Sicherheit dieser Stadt geht, der lasse endlich die
hierfür zuständige Institution aus dem politischen Meinungs
streit, der zudem auch noch hier im Parlament ausgetragen
wird, heraus, damit diese Institution ihre Pflicht erfüllen kann.
- Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort in der Aussprache
hat der Abgeordnete Pätzold.
Pätzold (SPD); Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich muß mich zunächst für die Sozialde
mokratische Fraktion des Hauses verwundert darüber zeigen,
Herr Senator, daß Sie sich Ihrerseits wundern, daß ein solcher
Fall hier vor dem Plenum verhandelt wird. Ich kann nur sagen:
Was soll eigentlich eine Oppositionsfraktion tun, wenn sie
nach mehrfacher Erörterung im Ausschuß sieht, daß unbe
dingt gebotenes Handeln von Ihnen unterlassen wird? Da
dürfen Sie sich doch nicht darüber wundern, wenn eine
Fraktion das vor das Plenum bringt, um so mehr, als im ersten
Anlauf die Koalitionsfraktionen mit fadenscheinigen Mitteln
versucht haben, eine Erörterung hier im Plenum zu vermei
den.
[Beifall bei der SPD]
Und wenn Sie glauben, denen, die aufgrund dieses Ablaufs
der Dinge meinten, das vor das Plenum bringen zu sollen,
vorwerfen zu können, daß sie sich dabei wenig sensibel (D)
zeigten, dann kann ich nur sagen: Die fehlende Sensibilität
zeigt sich darin, wie Sie und Ihr Amtsvorgänger mit einem
solchen Fehlverhalten eines leitenden Beamten in einer sehr
sensiblen Behörde umgegangen sind.
[Beifall bei der SPD]
Nicht diejenigen, die danach fragen, sind unsensibel, sondern
die, die dazu Anlaß geben, daß man diese haarsträubenden
Fragen stellen muß.
Das ist auch keine Einzelangelegenheit derart, daß sich
dann gewissermaßen eine Erörterung im Parlament, vor allen
Dingen im Plenum, ausschließt. Wenn Sie mit diesem Argu
ment aufwarten, dann wird kein Parlamentarier jemals mehr
irgendeinen Fall eines Versäumnisses, das, was den betref
fenden Beamten angeht, und das, was die über ihm amtieren
den politischen Verantwortlichen angeht, vor das Parlament
bringen können. Dieses Argument dürften Sie überhaupt nicht
verwenden, wenn Ihnen daran liegt, den Sinn für die Dimen
sionen noch wachzuhalfen.
Ich wundere mich doch sehr darüber, daß Sie, neu ins Amt
gekommen, Herr Senator, meinen, es lägen keine schwerwie
genden Hinderungsgründe vor. Ich möchte einmal den
Sprachgebrauch Ihres sehr verehrten Herrn Bundeskanzlers
verwenden: Ich frage mich, warum Sie die „Gnade des
Senatorenwechsels“ nicht genutzt haben, gewissermaßen
von Null an diese Situation zu beurteilen, anstatt in den
ausgetahrenen Gleisen Ihres Amtsvorgängers weiterzuden
ken. Wir sagen Ihnen in aller Form: Dies sind schwerwiegende
Hinderungsgründe gewesen!
[Lummer (CDU): Was denn?]
- Na, das steht ja alles in der Begründung drin, und Sie kennen
das doch alles selber sehr genau, Herr Lummer! - Es ist auch