Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
29. Sitzung vom 15. Mai 1986
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Pawlowski
(A) gabellösung“ unter einer „Option für einen Tunnel unter dem
Tiergarten“?
2. Inwieweit ist der Bund bereit, auch dann die Kosten für
einen eventuellen Tunnelbau zu tragen, wenn die Tunnelzu
führungen keinen bundesfernstraßenähnlichen Charakter
haben?
Präsident Rebsch: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Senator Wronski.
Wronski, Senator für Verkehr und Betriebe: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pawlowski! Der
Senat hat sich bei den bisher angestellten Überlegungen von
der Vorstellung leiten lassen, daß es nicht wünschenswert
wäre, den heute vorhandenen starken Verkehrsstrom - es
handelt sich um etwa 65000 Kraftfahrzeuge werktags mit
einem 10- bis ISprozentigen Lkw-Anteil - durch den künftig
aufgewerteten Zentralen Bereich zu führen. Für derartig hoch
belastete Hauptverkehrsstraßen ist es immer noch die wirk
samste Methode der Emissionsminderung und der Vermei
dung von Stör- und Trennwirkungen, den Durchgangsverkehr
unter die Erde zu legen.
Da die Frage nach dem Ob und Wie des Tunnels im Zusam
menhang mit der Gewährleistung des Verkehrsablaufs und
den erforderlichen Eingriffen in Natur, Landschaft und Stadt
raum endgültig erst in einem planrechtlichen Verfahren
- unter Einschluß der Finanzierungsfrage - geklärt werden
kann, kann bisher nur eine Option für einen Tunnel ausgespro
chen werden.
2. Bisher sind keine vertiefenden Gespräche mit dem Bun
desverkehrsministerium geführt worden, da erst das Land
Berlin eine Klärung seiner Planungsvorstellungen herbeifüh-
(B) ren muß. Dem dient der Wettbewerb für den Zentralen Be
reich und das Flächennutzungsplanverfahren.
Es muß unterstellt werden, daß die angestrebten Zuwen
dungen des Bundes nach §5a Fernstraßengesetz nur erwar
tet werden können, wenn die geplante Straße - das schließt
den Tunnel ein - eine verkehrstechnische Qualität hat, die
den Bedingungen des Fernstraßengesetzes entspricht - Bau
oder Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstra
ßen, Bau oder Ausbau von Gemeinden- und Kreisstraßen, die
Zubringer zu Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes
sind. Ich füge hinzu; Wenn diese Randbedingungen nicht er
füllt sind, besteht keine Aussicht für das Land Berlin, Zu
schüsse für ein immerhin großvolumiges Projekt - in welcher
Form auch immer - zu bekommen.
Präsident Rebsch: Erste Zusatzfrage - der Fragesteller!
Pawlowski (F.D.P.): Herr Senator, wie beurteilen Sie ange
sichts Ihrer jetzigen Auskünfte die Tatsache, daß in der neuen
Broschüre des Senators für Verkehr und Betriebe über ver-
kehrliche Neuordnung im Zentralen Bereich - die Broschüre
wollen Sie ja morgen, ich hoffe, das ist keine Schleichwer
bung, der Presse vorstellen der Tunnel bereits als fester
Bestandteil der Planung verankert ist, obwohl diesbezüglich
noch keine - wie Sie ausgeführt haben - Entscheidungen ge
troffen sind?
Präsident Rebsch; Herr Senator Wronski!
Wronski, Senator für Verkehr und Betriebe; Herr Präsident!
Herr Abgeordneter Pawlowski! Die Ergänzungen des Sena
tors für Verkehr und Betriebe in der von Ihnen eben zitierten
Form müssen Sie sehen in Korrespondenz zu den Unterlagen
des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz, näm
lich den Ausschreibungen zum Wettbewerb „Platz der Repu- (C)
blik“ - ich zitiere aus Seite 61 dieser Auslobungsschrift:
Die Nord-Süd-Beziehung dieses Bereichs
- gemeint ist der Zentrale Bereich -
wird in starkem Maße durch die geplanten Stadtstraßen
geprägt, die als Vorgabe in die Bearbeitung einzubezie
hen sind. Dieses Straßengefüge ist aus den räumlichen
Ordnungen des Zentralen Bereichs abgeleitet und soll
nicht nur dem bestehenden, durch den Mauerbau be
dingten starken Kfz-Verkehr dienen, sondern als ein in
umfassendem Sinne öffentlicher Raum verstanden wer
den.
Und jetzt kommt es:
Der Durchgangsverkehr wird nach Überlegung des
Senats langfristig durch eine geeignete Tunnelunterfüh
rung unter dem Bereich des Platzes der Republik und
dem Tiergarten geführt werden, um diesen öffentlichen
Raum zu entlasten.
Das sind die Randbedingungen, die Vorgaben des Wettbe
werbs vom Kollegen für Stadtentwicklung und Umweltschutz.
Und in Korrespondenz zu dieser Ihnen eben vorgelesenen
Senatsmeinung bitte ich die Fachstellungnahme aus meinem
Hause zu sehen; eines ergänzt das andere.
Präsident Rebsch: Herr Pawlowski zu einer Zusatzfrage!
Pawlowski (F.D.P.): Sind Sie vielleicht dennoch meiner Mei
nung, daß man, bevor man nach langfristigen, also über das
Jahr 2 000 hinausgehenden Lösungen sucht, sich erst einmal
an kurzfristigen Lösungen orientieren sollte, und ist Ihnen fer
ner bekannt, daß der damalige Senatsdirektor für Stadtent
wicklung und Umweltschutz, also der heutige Bausenator ' D '
Wittwer, den Begriff „Option“ folgendermaßen definierte - ich
zitiere wörtlich: „Prüfen, was wo gebaut werden kann, wenn
gebaut werden soll?“
Präsident Rebsch; Herr Senator!
Wronski, Senator für Verkehr und Betriebe: Herr Abgeord
neter Pawlowski, der Definition des früheren Staatssekretärs
und jetzigen Kollegen kann ich folgen; unbenommen davon
bleibt die von mir zitierte Meinung des Senats - ausgedruckt
in der Auslobungsbroschüre des Kollegen für Stadtentwick
lung und Umweltschutz -, daß eine Option ausgesprochen
wurde und daß man sehr wohl bei der Planung der oberirdi
schen Straße diese Option bitte zu berücksichtigen hat.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - der Abgeord
nete Liepelt!
Liepelt (CDU): Herr Senator, ich frage Sie: Ist Ihnen die Auf
fassung des Bezirks Tiergarten bekannt, die im übrigen auf
einem breiten politischen Konsens beruht, die besagt, daß
der betroffene Bezirk Tiergarten sich für eine teilweise Tunnel-
bzw. Tieflagenführung des Verkehrs ausspricht? Und wenn
Ihnen diese Auffassung bekannt ist, in welcher Form werden
Sie dieser Auffassung auch im weiteren Planungsverfahren
Rechnung tragen?
Präsident Rebsch: Herr Senator!
Wronski, Senator für Verkehr und Betriebe: Herr Abgeord
neter Liepelt, natürlich ist mir die einhellige Meinung des
Bezierks Tiergarten bekannt, und ich schlußfolgere einmal,
daß die Bezirksverordneten von Tiergarten sehr wohl wissen,