Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
28. Sitzung vom 24. April 1986
1558
Schneider
(A) Großunternehmen, die sich im Umgang mit der staatlichen Büro
kratie auskennen, nehmen die Förderung mit, kleine und mittlere
Unternehmen, für die viele Fördermaßnahmen zur Recht gedacht
sind, schauen einfach nicht mehr durch. Weniger wäre hier zwei
fellos mehr!
3. Wir teilen desgleichen die kritische Auffassung von Herrn
Rexrodt über die bisherige Senatspolitik, daß sich „Berlin nicht
an kostspieligen und unergiebigen Subventionswettläufen“
- das war ein Zitat - beteiligen sollte. Erfahrungsgemäß kalkulie
ren Unternehmen etwa bei Ansiedlungsentscheidungen nicht mit
kurzfristigen Subventionsvergünstigungen. Die Effizienz derarti
ger Wetlläufe ist deshalb gleich Null, der Mitnahmeeffekt durch
die Unternehmen dagegen sehr groß.
4. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß jede Subvention
im Wirtschaftssektor eine Anschubfinanzierung sein muß, zeit
lich begrenzt und in der Regel degressiv. Sie darf nicht zur
Dauersubventionierung verkommen. Wer „Ja“ zu unserem Wirt
schaftssystem sagt, darf nicht zum unternehmerischen Risiko
Nein sagen. Es geht einfach nicht an, daß Gewinne ausschließ
lich in unternehmerischer Verfügungsgewalt sind, für Verluste je
doch regelmäßig der Staat aufkommen soll.
[Lummer (CDU): Da sind wir ja schon wieder bei der
Neuen Heimat! - Wagner, Horst (SPD): Quatschkopf!]
Die staatliche Kabelpilofprojektfinanzierung ist zum Beispiel in
dieser Hinsicht ein schlimmer Sündenfali, der Ihre Zustimmung,
Herr Finanzsenator, nie hätte finden dürfen.
5. Staatliche Finanzhilfen dürfen nicht zur Wettbewerbsver
zerrung führen. In diesem Zusammenhang bin ich an die letzte
Hauptausschußsitzung erinnert, wo wir leider Ihr mahnendes
Wort, Herr Finanzsenator, vermißt haben. Sie waren noch nicht
da gewesen. Dort sind nämlich auf Wunsch des Wirtschafts
senators von der Ausschußmehrheit im Wissen darum, daß dies
eindeutig zu Lasten der Nachfrage der Geschäfte in den Bezir
ken geht, trotzdem überhöhte Zuschüsse für den City-Weih-
(B) nachtsmarkt beschlossen worden. Das ist ein Musterfall dafür,
daß hier Wettbewerbsverzerrung mit Sleuergeldern betrieben
wird. Und da erwarten wir von Ihnen eben mehr als Worte, da er
warten wir, daß Sie Bremsen einziehen.
[Beifall bei der SPD und der AL]
6. Subventionen dürfen nicht mit der Gießkanne vergeben wer
den. Jede Finanzhilfe bedarf der vorherigen sorgfältigen struktur-
politischen Analyse sowie der Analyse des zu erwartenden Erfol
ges. Auch in dieser Hinsicht vermissen wir ein entsprechendes
Verhalten des Senats. Was in Schweden im Großen geschieht,
muß doch in Berlin wenigstens im Kleinen möglich sein.
7. Manche Finanzhilfen zur Reparatur unserer Umwelt, insbe
sondere zur Sanierung der Böden, wären überflüssig, wenn ein
mal die Vergabe von Finanzhilfen an bestimmte Unternehmen
neben beschäftigungspolitischen Auflagen auch umweltscho
nende Bedingungen enthielte und wenn zum anderen endlich
dem Verursacherprinzp stärker Rechnung getragen werden
würde. Ein Bodensanierungsfonds würde den öffentlichen
Finanzhilfetopf sehr entlasten.
8. Im Wohnungsbaubereich schließlich ist der Senat offenbar
nicht lernfähig und vor allem auch nicht lernwillig. Wer nach den
in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnissen immer noch
keine grundlegenden Änderungen herbeiführen will, der macht
sich der leichtfertigen Verschleuderung von Steuergelden an
Spekulanten und Abschreibungskünstler schuldig.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Ich möchte meinen Beitrag bewußt abrunden mit einigen ge
nerellen Feststellungen, in denen wir uns hoffentlich alle treffen
können. Allein schon die Tatsache, daß wir selbst in erheblichem
Maße Finanzhilfeempfänger des Bundes sind, verpflichtet uns zu
Sorgfalt im Umgang mit diesem Geld, eine Erkenntnis, die übri
gens auch im Hinblick auf die 750-Jahr-Feier gelten sollte.
Zweitens verpflichtet sie uns immer wieder zu großen Anstren
gungen, eine teilweise tief verwurzelte Subventionsmentalität
energisch zu bekämpfen, die eigenes Engagement und eigene
Kreativität sowie eigenen Einfallsreichtum lähmt.
Drittens ist eine eigene hohe Leistungsbereitschaft und -fähig- (c
keit das beste Werbemittel für Berlin, Verständnis für die Zah
lung derjenigen Bundeshilfe zu finden, die wir aufgrund unseres
Standortes zum Ausgleich hierdurch entstandener objektiver
Nachteile einfach benötigen.
Viertens müssen wir immer wieder neue finanzielle Spielräume
für die Lösung dringender Probleme schaffen, indem alle Finanz
hilfen, aber besonders die im Wirtschafts- und Wohnungsbe
reich, kritisch hinterfragt und gegebenenfalls auch mutig abge
löst werden. Erste Maßstab für alle Finanzhilfen im Wirtschafts
bereich hat die Arbeitsplatzwirksamkeit zu sein. Ein wichtiger
Maßstab für alle Finanzhilfen im Kulturbereich ist die Garantie
einer kulturellen Vielfalt in der Stadt. Als alleiniger Maßstab für
die Beurteilung von Hilfen im Sozialbereich muß unsere Ver
pflichtung gelten, jedem Menschen eine menschenwürdige
Existenz und damit eine echte Lebenschance einzuräumen.
Wenn Sie dem zustimmen, Herr Finanzsenator, dann können
Sie in uns Sozialdemokraten durchaus Partner für Ihre Bemühun
gen finden, Subventionen in dieser Stadt abzubauen.
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Als nächster hat der
Abgeordnete Dr. Haase das Wort. I
Dr. Haase (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Der Finanzsenator hat hier die Leitlinien für
die Schwerpunkte der Subventionspolitik aufgezeigt. Die CDU-
Fraktion wird den Senat bei dieser Gemeinschaftsanstrengung
unterstützen, damit die Eröffnungsbilanz, von der der Finanz
senator gesprochen hat, auch einen erfolgreichen Abschluß
haben kann. Wichtig ist die Rückführung des Subventionsvolu
mens mit Augenmaß.
Herr Kollege Schneider, Sie haben in weitem Maße dem
Finanzsenator zugestimmt. In zwei Punkten würde ich die Dinge
aber anders darstellen als Sie das hier getan haben.
Der eine Bereich ist der des Weihnachtsmarktes. Wir haben
uns im Hauptausschuß gerade auf die Linie verständigt, die der
Finanzsenator hier vorgetragen hat, nämlich degressiv, schritt
weise die Zuwendungen an diesen Weihnachtsmarkt herabzu
fahren. Es waren einmal 2 Millionen DM, jetz werden es weniger
als 1 Million DM sein. Bei diesem Projekt gehen wir also schritt
weise und zielorientiert vor, genauso ist die Zielsetzung beim Ab
bau der Subventionen in dieser Stadt.
Der zweite Bereich ist die Wohnungsbaufinanzierung. Auch
hier sind wir uns darüber einig, daß die Wohnungsbaufinanzie
rung und der Wohnungsbausubventionsbereich einer Durch
leuchtung bedarf. Aber die Kosten, Herr Kollege Schneider, die
haben w i r von 29 DM auf 25 DM pro qm bei dem Bau von Neu
bauwohnungen gesenkt. Wir haben den politischen Mut zur Be
grenzung der staatlichen Finanzhilfen.
Eine sachgerechte Beurteilung, die notwendig ist, ist in der
gegenwärtigen Lage sicher nicht immer einfach. Vor allem sind
es wohl drei Gründe, die dem entgegenstehen. Einmal sehen
wir, daß die Bilanzen der Berliner Betriebe und Banken, die
Berichte von Kammern und auch von Forschungsinstituten von
Optimismus und Zuversicht geprägt sind. Die Berliner Wirt
schaft hat schneller als die im Bund wieder Tritt gefaßt. Hier wer
den wieder Arbeitsplätze in deutlicherem Maße als im Bund ge
bildet. Dieses für uns positive Ergebnis führt in andere Wirt
schaftsregionen natürlich zu der Frage, ob in Berlin zu viele
Subventionen gewährt werden. Die Gewährung von Subventio
nen wird vor allem in der Bauwirtschaft durch Übersubventionie
rung und auch mit Mißbrauch in Verbindung gebracht. Wichtig
aber ist vielmehr, daß die staatliche Finanzhilfen zur Förderung
bestimmterZiele, zur Schaffung von Arbeitsplätzen gewährt wer
den. Eine Vorverurteilung von Subventionen heißt, hier das Kind
mit dem Bade auszuschütten. Und schließlich leidet die aktuelle
Subventionsdebatte darunter, daß zu große Hoffnungen auf
einen raschen Abbau gesetzt werden. Die Forderungen nach
neuen Subventionsgrundsätzen, nach Sachverständigengre
mien, nach allgemeinen Kürzungsvorschriften kann die Politiker