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Volume Nr. 28, 24. April 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
28. Sitzung vom 24. April 1986 
1517 
Frau Ahme 
(A) Hausbesitzer, mit denen wir teilweise heute - ich will nicht 
sagen: - zu tun haben, aber die Namen, die damals eine Rolle 
gespielt haben, die Eigentümer der Häuser, die damals gebrannt 
haben, wo es auch Tote gegeben hat, die Inhaber der Gesell 
schaften, diese Namen spielen alle heute wieder eine Rolle. Das 
ist die erste Erblast. 
Die zweite Erblast: Ein völlig marodes Finanzierungssystem im 
sozialen Wohnungsbau, und die dritte Erblast - und auf die 
komme ich nachher noch einmal genau zu sprechen -, das ist ein 
völliges Nichtfunktionieren von Planen und Bauen in Berlin. Ich 
meine ein absolutes Vakuum von Planen, ich meine die reine Pla 
nung mit Ausnahme und Befreiung. 
[Zuruf von der CDU] 
- Ja, es tut mit leid. Das sind nun einmal die Sachen gewesen, 
die dieser CDU-Senat hätte angehen müssen und nicht getan 
hat. 
[Dr. Lange (F.D.P.): Wir sind beim falschen Teil!] 
- Nein, ich bin nicht beim falschen Teil! Ich bin mir klar, daß das 
jetzt ein bißchen auseinander geht. 
[Zurufe der Abgn. Adler (CDU) 
und Dr. Lehmann-Brauns (CDU)] 
- Ich bin nicht unvorbereitet! 
[Zuruf von der CDU] 
- Ja, wir haben die Rede des Regierenden Bürgermeisters um 
fünf vor eins bekommen. - 
[Unruhe - Glocke des Präsidenten] 
Mir ist ganz klar, daß hier ein gewisser Bruch in der Diskussion 
entsteht, und den nehme ich auch in Kauf. Das geht nun einmal 
nicht anders. 
[Beifall bei der AL - Unruhe bei der CDU] 
B) - Das geht nun einmal nicht anders, wenn der Regierende Bür 
germeister nicht über Probleme reden will, die zu dem SPD-Miß- 
trauensantrag geführt haben. 
[Beifall bei der AL - Unruhe bei der SPD, 
bei der CDU und der F.D.P.] 
Und wenn die SPD das auch nicht einsieht, dann muß ich diese 
Aufgabe übernehmen. 
Stellv. Präsident longolius: Liebe Kolleginnen und Kolle 
gen! Ich darf Sie mal um Aufmerksamkeit bitten! Auch Sie, Frau 
Ahme, darf ich um erhöhte Aufmerksamkeit bitten! Der Tages 
ordnungspunkt heißt: „Aktuelle Entwicklungen der Berlin- und 
Deutschlandpolitik.“ Nun kann man unter dem Begriff Deutsch 
landpolitik sicher sehr viele Punkte unterbringen und unter Ber 
linpolitik vielleicht noch mehr. Die Aktualität sollte aber gewahrt 
bleiben, auch wenn der Regierende Bürgermeister nicht alle 
Punkte angesprochen hat, die Sie gerne gewünscht hätten. Sie 
sollten sich doch an die Formulierung dieses Tagesordnungs 
punktes halten, 
Frau Ahme (AL): DerTagesordnungspunkt war gestern noch 
nicht klar. - Ich weiß ja, daß ich den Präsidenten nicht kritisieren 
darf. 
[Unruhe - Glocke des Präsidenten] 
- Gestern stand fest, daß der Regierende Bürgermeister hier 
eine Erklärung verlesen wird, eine Art Regierungserklärung. 
Nichts anderes war klar! Heute stand in der Zeitung, daß es eine 
Erklärung zur Berlin- und Deutschlandpolitik sein wird. Warum, 
das habe ich Ihnen vorhin erklärt. Ich finde es verständlich, daß 
man sich nicht mit den Berliner Problemen auseinandersetzen 
will. Ob wir uns dem anschließen — 
[Unruhe bei der CDU und der F.D.P. - 
Glocke des Präsidenten] 
Wir haben damals diese Dinge vehement kritisiert. Wir sind 
schon damals für eine stärkere Demokratisierung eingetreten. 
Wir haben dafür plädiert, die Krise, die damals in Berlin ausge- (C) 
brachen ist, dadurch zu lösen, daß man wirklich an die Ursachen 
herangeht. Das heißt, daß man das System des sozialen Woh 
nungsbaus verändert, die Planung endlich wieder auf die Füße 
stellt, und das heißt, daß man die kriminellen Methoden der 
Hausbesitzer abschafft. Das haben wir damals schon alles ge 
sagt. Wir hatten damals vernünftige Argumente dafür, wir haben 
heute wieder dieselben Argumente. Unsere Argumente wurden 
damals nicht gehört. Ich hoffe, daß unsere Argumente heute bes 
ser gehört werden. 
Denn wie hat denn der Berliner Senat versucht, die Krise zu lö 
sen? Und hier komme ich noch einmal auf den von Ihnen so viel 
gelobten Senator Lummer zurück. Der Berliner Senat hat ver 
sucht, die Krise völlig oberflächlich zu lösen, anstatt wirklich an 
den Wurzeln, an den Strukturen anzufangen; man hat versucht, 
durch eine ganz primitive Politik des Ausrottens, des Dreinschla- 
gens die Hausbesetzer auszutreiben. Und das sagen auch im 
mer wieder die Rechten so: Lummer, das war der Mann, der hat 
den Hausbesetzerspuk in Berlin beseitigt! 
[Beifall bei der CDU] 
- Und da klatschen Sie auch noch! - Aber sehen Sie, das, was 
Sie heute haben, ist genau die Folge von der Politik, die nämlich 
nicht die Ursachen sieht, die nicht die Strukturen sieht und die 
nicht an die Ursachen heran will, sondern die vordergründig und 
oberflächlich und möglichst schnell alles weg haben will, alles 
wegprügeln will, das ist die Politik Und diese langen Schatten 
der Probleme von damals, die Sie nicht an den Wurzeln gelöst 
haben, die holen Sie heute ein. Diese Erblasten sind die langen 
Schatten, die Sie heute einholen. 
[Beifall bei der AL] 
Ich finde es einfach richtig, nachdem der ehemalige Innensena 
tor Lummer hier so viel gelobt wurde, daß er diese Verantwor 
tung von uns auch noch einmal zugeschoben bekommt. 
Ich finde das so einfach, wie das gemacht wurde - ich habe (D) 
vorhin schon einmal gesagt, ich bin erst 29 Jahre und erst ein 
Jahr im Parlament -, 
[Buwitt (CDU): Das haben wir gehört!] 
so einfach, wie Innensenator Lummer hier versucht hat, die 
Hausbesetzer einfach auszutreiben, indem er Tote sogar in Kauf 
genommen hat, 
[Buwitt (CDU): Ungeheuerlich, was Sie hier erzählen!] 
so einfach könnte das jeder. Das kann jeder, dazu gehört über 
haupt nichts! Dazu gehört kein wirklicher Verstand, Verstand im 
Sinne von wirklich humanem Verstand, der überlegt, wie man 
Probleme anpackt. Dazu gehört keine Kultur, nichts! 
[Beifall bei der AL] 
Nichts gehört dazu, und die Folgen - ich bin dafür, daß jemand, 
der eine solche Politik macht, sie auch verantwortet, die Folgen 
solcher Politik sind auch das, womit wir es im Moment zu tun 
haben, nämlich die totale Verrohung der Sitten, der Moral und 
der Kultur in Berlin. 
[Vogt (CDU): Das sehen nur Sie so!] 
Das ist auch die Folge von Lummerscher Politik die mit Kultur 
nichts mehr zu tun hatte. 
[Beifall bei der AL] 
Diese drei Erblasten haben Sie nicht beseitigt. Sie haben ver 
sucht, oberflächlich und schnell hier reinen Tisch zu machen. 
Diese drei Erblasten haben Sie aber eingeholt. Ich rede hier gar 
nicht von Erblasten wie Fluchthilfe, Ihren Libanon-Geschichten, 
Herr Lummer, ich rede hier nicht von Bordellszene, und nicht 
rede ich von diesen ganzen schmierigen Geschichten, die wir in 
letzter Zeit hatten, bis hin zu kriminellen Geschichten. Von denen 
will ich hier gar nicht reden, weil es mir überhaupt keinen Spaß 
macht, darüber zu reden. 
[Lummer (CDU); Reden Sie doch mal über Ihren 
Aktenklau, über Ihre kriminellen Geschichten!]
	        
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