Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
28. Sitzung vom 24. April 1986
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Frau Ahme
(A) Hausbesitzer, mit denen wir teilweise heute - ich will nicht
sagen: - zu tun haben, aber die Namen, die damals eine Rolle
gespielt haben, die Eigentümer der Häuser, die damals gebrannt
haben, wo es auch Tote gegeben hat, die Inhaber der Gesell
schaften, diese Namen spielen alle heute wieder eine Rolle. Das
ist die erste Erblast.
Die zweite Erblast: Ein völlig marodes Finanzierungssystem im
sozialen Wohnungsbau, und die dritte Erblast - und auf die
komme ich nachher noch einmal genau zu sprechen -, das ist ein
völliges Nichtfunktionieren von Planen und Bauen in Berlin. Ich
meine ein absolutes Vakuum von Planen, ich meine die reine Pla
nung mit Ausnahme und Befreiung.
[Zuruf von der CDU]
- Ja, es tut mit leid. Das sind nun einmal die Sachen gewesen,
die dieser CDU-Senat hätte angehen müssen und nicht getan
hat.
[Dr. Lange (F.D.P.): Wir sind beim falschen Teil!]
- Nein, ich bin nicht beim falschen Teil! Ich bin mir klar, daß das
jetzt ein bißchen auseinander geht.
[Zurufe der Abgn. Adler (CDU)
und Dr. Lehmann-Brauns (CDU)]
- Ich bin nicht unvorbereitet!
[Zuruf von der CDU]
- Ja, wir haben die Rede des Regierenden Bürgermeisters um
fünf vor eins bekommen. -
[Unruhe - Glocke des Präsidenten]
Mir ist ganz klar, daß hier ein gewisser Bruch in der Diskussion
entsteht, und den nehme ich auch in Kauf. Das geht nun einmal
nicht anders.
[Beifall bei der AL - Unruhe bei der CDU]
B) - Das geht nun einmal nicht anders, wenn der Regierende Bür
germeister nicht über Probleme reden will, die zu dem SPD-Miß-
trauensantrag geführt haben.
[Beifall bei der AL - Unruhe bei der SPD,
bei der CDU und der F.D.P.]
Und wenn die SPD das auch nicht einsieht, dann muß ich diese
Aufgabe übernehmen.
Stellv. Präsident longolius: Liebe Kolleginnen und Kolle
gen! Ich darf Sie mal um Aufmerksamkeit bitten! Auch Sie, Frau
Ahme, darf ich um erhöhte Aufmerksamkeit bitten! Der Tages
ordnungspunkt heißt: „Aktuelle Entwicklungen der Berlin- und
Deutschlandpolitik.“ Nun kann man unter dem Begriff Deutsch
landpolitik sicher sehr viele Punkte unterbringen und unter Ber
linpolitik vielleicht noch mehr. Die Aktualität sollte aber gewahrt
bleiben, auch wenn der Regierende Bürgermeister nicht alle
Punkte angesprochen hat, die Sie gerne gewünscht hätten. Sie
sollten sich doch an die Formulierung dieses Tagesordnungs
punktes halten,
Frau Ahme (AL): DerTagesordnungspunkt war gestern noch
nicht klar. - Ich weiß ja, daß ich den Präsidenten nicht kritisieren
darf.
[Unruhe - Glocke des Präsidenten]
- Gestern stand fest, daß der Regierende Bürgermeister hier
eine Erklärung verlesen wird, eine Art Regierungserklärung.
Nichts anderes war klar! Heute stand in der Zeitung, daß es eine
Erklärung zur Berlin- und Deutschlandpolitik sein wird. Warum,
das habe ich Ihnen vorhin erklärt. Ich finde es verständlich, daß
man sich nicht mit den Berliner Problemen auseinandersetzen
will. Ob wir uns dem anschließen —
[Unruhe bei der CDU und der F.D.P. -
Glocke des Präsidenten]
Wir haben damals diese Dinge vehement kritisiert. Wir sind
schon damals für eine stärkere Demokratisierung eingetreten.
Wir haben dafür plädiert, die Krise, die damals in Berlin ausge- (C)
brachen ist, dadurch zu lösen, daß man wirklich an die Ursachen
herangeht. Das heißt, daß man das System des sozialen Woh
nungsbaus verändert, die Planung endlich wieder auf die Füße
stellt, und das heißt, daß man die kriminellen Methoden der
Hausbesitzer abschafft. Das haben wir damals schon alles ge
sagt. Wir hatten damals vernünftige Argumente dafür, wir haben
heute wieder dieselben Argumente. Unsere Argumente wurden
damals nicht gehört. Ich hoffe, daß unsere Argumente heute bes
ser gehört werden.
Denn wie hat denn der Berliner Senat versucht, die Krise zu lö
sen? Und hier komme ich noch einmal auf den von Ihnen so viel
gelobten Senator Lummer zurück. Der Berliner Senat hat ver
sucht, die Krise völlig oberflächlich zu lösen, anstatt wirklich an
den Wurzeln, an den Strukturen anzufangen; man hat versucht,
durch eine ganz primitive Politik des Ausrottens, des Dreinschla-
gens die Hausbesetzer auszutreiben. Und das sagen auch im
mer wieder die Rechten so: Lummer, das war der Mann, der hat
den Hausbesetzerspuk in Berlin beseitigt!
[Beifall bei der CDU]
- Und da klatschen Sie auch noch! - Aber sehen Sie, das, was
Sie heute haben, ist genau die Folge von der Politik, die nämlich
nicht die Ursachen sieht, die nicht die Strukturen sieht und die
nicht an die Ursachen heran will, sondern die vordergründig und
oberflächlich und möglichst schnell alles weg haben will, alles
wegprügeln will, das ist die Politik Und diese langen Schatten
der Probleme von damals, die Sie nicht an den Wurzeln gelöst
haben, die holen Sie heute ein. Diese Erblasten sind die langen
Schatten, die Sie heute einholen.
[Beifall bei der AL]
Ich finde es einfach richtig, nachdem der ehemalige Innensena
tor Lummer hier so viel gelobt wurde, daß er diese Verantwor
tung von uns auch noch einmal zugeschoben bekommt.
Ich finde das so einfach, wie das gemacht wurde - ich habe (D)
vorhin schon einmal gesagt, ich bin erst 29 Jahre und erst ein
Jahr im Parlament -,
[Buwitt (CDU): Das haben wir gehört!]
so einfach, wie Innensenator Lummer hier versucht hat, die
Hausbesetzer einfach auszutreiben, indem er Tote sogar in Kauf
genommen hat,
[Buwitt (CDU): Ungeheuerlich, was Sie hier erzählen!]
so einfach könnte das jeder. Das kann jeder, dazu gehört über
haupt nichts! Dazu gehört kein wirklicher Verstand, Verstand im
Sinne von wirklich humanem Verstand, der überlegt, wie man
Probleme anpackt. Dazu gehört keine Kultur, nichts!
[Beifall bei der AL]
Nichts gehört dazu, und die Folgen - ich bin dafür, daß jemand,
der eine solche Politik macht, sie auch verantwortet, die Folgen
solcher Politik sind auch das, womit wir es im Moment zu tun
haben, nämlich die totale Verrohung der Sitten, der Moral und
der Kultur in Berlin.
[Vogt (CDU): Das sehen nur Sie so!]
Das ist auch die Folge von Lummerscher Politik die mit Kultur
nichts mehr zu tun hatte.
[Beifall bei der AL]
Diese drei Erblasten haben Sie nicht beseitigt. Sie haben ver
sucht, oberflächlich und schnell hier reinen Tisch zu machen.
Diese drei Erblasten haben Sie aber eingeholt. Ich rede hier gar
nicht von Erblasten wie Fluchthilfe, Ihren Libanon-Geschichten,
Herr Lummer, ich rede hier nicht von Bordellszene, und nicht
rede ich von diesen ganzen schmierigen Geschichten, die wir in
letzter Zeit hatten, bis hin zu kriminellen Geschichten. Von denen
will ich hier gar nicht reden, weil es mir überhaupt keinen Spaß
macht, darüber zu reden.
[Lummer (CDU); Reden Sie doch mal über Ihren
Aktenklau, über Ihre kriminellen Geschichten!]