Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
28. Sitzung vom 24. April 1986
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RBm Diepgen
(A) Dies darf aber nicht nur ein Bekenntnis sein, sondern muß eine
Mahnung sein zu konkreten Taten
[Beifall bei der AL]
zum Beispiel bei der Luftreinhaltung, beim Gewässer- und beim
Bodenschutz, aber auch zu einer wirtschaftlichen Kooperation,
die Umweltbelastungen verringert.
Alle die von mir hier genannten Themen für eine Zusammen
arbeit mit der DDR waren auch - direkt oder indirekt - Thema
meines Gesprächs mit Generalsekretär Honecker im März in
Leipzig. Dieses Gespräch war außerordentlich nützlich. Es war
mit der Bundesregierung und den Alliierten genauestens abge
stimmt und reiht sich in eine Vielzahl von deutsch-deutschen Ge
sprächen ein. Beim Ost-West-Dialog im Ganzen und bei den
Gesprächen zwischen Deutschen kann und darf es einen Dialog
nur unter voller Berücksichtigung der Berliner Interessen geben.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich habe in Leipzig auf unsere Interessenlage in diesem Punkt
sehr deutlich hingewiesen, das ganz klar gemacht.
[Frau Ahme (AL): Sehr beruhigend!]
Gesprächsauftrag und Gesprächsergebnisse im Ost-West-Dia
log insgesamt wie im Dialog zwischen der Bundesregierung und
der DDR-Führung dürfen nicht an Berlin vorbeiführen - im
Gegenteil: Berlin muß voll in die innerdeutsche Zusammenarbeit
einbezogen werden, wie es auch Bundesminister Schäuble for
muliert hat.
Ich war - wie Sie vielleicht wissen - erneut in der letzten
Woche für einige Tage in der DDR, und zwar in Weimar und in
Eisenach. Wenn man dort die Denkmäler von Goethe, von Schil
ler oder von Herder sieht, wenn man dort die Häuser und Kirchen
sieht, mit den Menschen spricht, dann spürt man ohne viele er
klärende Worte: Nach wie vor gibt es eine deutsche Kultur-
■gj nation!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Dann bekommt man aber als zweites sofort die Sorgen zu hören
über die Umweltschäden an diesen Kulturdenkmälern ersten
Ranges, und dann wird so etwas wie eine Verantwortungsge
meinschaft für die gemeinsame U mwelt und für das gemeinsame
Kulturerbe sehr plastisch. Ich erwarte, ja ich fordere größere Um
weltanstrengungen in Deutschland. Ein Umweltrahmenabkom
men zwischen der Bundesrepublik und der DDR, das hoffentlich
bald unterzeichnet werden l«nn, kann da nur ein erster Schritt
sein. Wichtiger sind die konkreten Umweltschutzprojekte
[Beifall bei der AL]
bei der Entschwefelung, der Entstickung und Entstaubung von
Kraftwerken, beim Automobilbau, bei Industrie und Technik.
[Klinski (AL): Abfallbeseitigung!]
Und ich füge ausdrücklich hinzu: Umweltschutz gibt es nicht zum
Nulltarif. Das gilt im Verhältnis zwischen den Staaten und auch
für die DDR. Von Berlin aus sind wir zu enger Kooperation bereit.
Wir wissen um die Sensibilität der Materie. Aber letztlich darf es
keinen Vorrang der Ideologie über den Umweltschutz geben -
wo auch immer.
Die Denkmäler von Goethe und Schiller in Weimar erinnern
uns auch daran, daß die DDR in manchem heute der geschichts
bewußtere Teil Deutschlands ist, jedenfalls sich so darzustellen
versucht. Deutsche Geschichte soll in der DDR zu einem identi
tätsstiftenden Faktor werden, und zwar zur Förderung einer, wie
Honecker es nennt, „sozialistischen deutschen Nationalkultur“,
auch wenn dies nicht mehr ganz so platt argumentativ gemacht
wind wie früher. Ich freue mich über die wachsende Beschäfti
gung in der DDR mit allen Phasen deutscher Geschichte; denn
auch das wird in seiner - vielleicht ungewollten - Wirkung, das
wird jedenfalls in seiner Wirkung das Empfinden der Menschen
stärken, zu einer Nation zu gehören.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.)
Wir bei uns müssen diese Entwicklung nutzen im Sinne einer (C)
produktiven Konkurrenz einerseits und einer produktiven Ge
schichtsgemeinschaft andererseits.
Vor diesem Hintergrund gewinnt das Projekt eines Deutschen
Historischen Museums ebenso sein besonderes Gewicht wie
der faire und ausgewogene Austausch von Kulturgütern zwi
schen beiden Teilen Berlins.
[Beifall bei der CDU]
Ebensowenig wie wir uns einem historischen Alleinvertretungs
anspruch der DDR beugen könnten, beugen wollen, ebenso
freuen wir uns, wenn die alte Mitte Berlins, wenn das Nikolai-
Viertel, der Platz der Akademie oder auch die Friedrichstraße
wiederhergestellt werden. Dies ist trotz Mauer und trotz aller
Unterschiede einer der besten Beweise dafür, daß Berlin eine
Stadt ist, eine einheitliche Stadt in der Geschichte und auch in
der Zukunft.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - Frau Künast (AL):
Weshalb machen Sie denn hier Grenzkontrollen? -
Starke Unruhe bei der CDU - Landowsky (CDU):
Halten Sie doch mal den Rand!]
- Meine Damen und Herren, wenn Sie sich über diese Schreierei
aufregen, stören Sie nur noch mehr. Lassen Sie den schreien »
und sich selbst disqualifizieren, der es in diesem Hause für rieh- |
tig hält.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
- Ich wollte mit meiner Bemerkung nicht frauenfeindlich wirken. -
[Heiterkeit bei der CDU und der AL]
Daraus ergibt sich für uns die Verpflichtung, unseren Teil der
Mitte Berlins - stärker als das in der Vergangenheit der Fall war
- im Blick auf die Einheit zu gestalten. Das gilt für den Platz der
Republik, den Tiergarten, das Gelände am Potsdamer Bahnhof
bis hin zum Gelände an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße. (D)
Hier finden bewußt die wesentlichen Elemente der 750-Jahr-
Feier statt. Diese Feier soll trotz aller Trennung das Bewußtsein
der Einheit vertiefen und über die Mitte in Berlin die Mittellage
Berlins in Deutschland und Europa wieder ins Zentrum der Auf
merksamkeit rücken.
[Frau Ahme (AL): Die Schieflage Berlins!]
Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt und in diesem
Zusammenhang das Kulturabkommen an, dann wird insbeson
dere der Artikel 12 wichtig, in dem es heißt:
Die Förderung anderer Maßnahmen, die in den Kultur- >
arbeitsplänen nicht enthalten sind, ihrem Charakter nach
jedoch den Zielen des Abkommens entsprechen, wird nicht
ausgeschlossen.
Dabei geht es dann um mehr als „nur“ Gastspiele und Ausstel
lungen, so wichtig sie sind. Ich zitiere aus dem Abkommen,
worum es dabei noch wesentlich geht;
Die Abkommenspartner fördern den Austausch von Wis
senschaftlern zu Vorlesungs-, Forschungs- und Studien
aufenthalten, den Austausch von Fachliteratur, Lehr- und
Anschauungsmaterial sowie von Lehrmitteln, die Beteili
gung an bedeutenden Filmfestivals, die Teilnahme von Ver
lagen an Buchmessen.
Die Abkommenspartner prüfen die Möglichkeit für die Er
weiterung des internationalen Schriftenauslausches. Sie
fördern den Zugang zu offenen Archivmaterialien, den Aus
tausch von Fachliteratur und die Gewährung von Auskünf
ten über Archivmaterialien.
Ich sage, wenn es möglich wird, aus diesen Absichtserklärungen
in dem Rahmenabkommen wirklich einen Austausch von Infor
mationen und Meinungen zu machen, dann wäre das einer der
bedeutendsten Fortschritte zwischen den beiden deutschen
Staaten überhaupt.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]