Path:
Volume Nr. 27, 17. April 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
27. Sitzung vom 17. April 1986 
1476 
Landowsky 
(A) rung und der Bevölkerung Im Westteil der Stadt leisten 
könnten, wenn sie den unkontrollierten Zugang über U- und S- 
Bahn besser kontrollierten und mit den Westmächten und dem 
Senat von Berlin sich absprächen. Das unkontrollierte Ein 
sickern kann nicht sein! 
[Beifall bei der CDU] 
Erregt hat mich allerdings die Reaktion hier in Berlin. Die 
Alternative Liste ruft zu einer Demonstration auf, es kommen 
rund 7000 Leute hin. 
[Frau Künast (AL): Mehr! Mehr!] 
- Lassen Sie es 10000 gewesen sein, nach Ihrer Schätzung, 
davon 200 bis 300 Vermummte, Radikale, Gewalttätige. 
[Helms (AL): Und Herr Krüger!) 
Der SFB verbreitet allgemeine Angstgefühle, und ein Kom 
mentar spricht von Staatsterrorismus der Amerikaner! 
[Beifall bei der AL] 
In welcher Perversion der Werte leben wir denn eigentlich? Da 
wird aus einem Verbrecher ein Freiheitskämpfer und aus 
demokratisch gesinnten Amerikanern werden Verbrecher 
gemacht! Dieser Perversion der Werte werden wir uns ent 
schieden entgegenstellen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Wir haben das schon einmal in der Diskussion zwischen 
Israelis und Palästinensern erlebt. 
(B) [Lohauß (AL): Niemand hat sich hinter Ghaddafi gestellt!] 
- Herr Lohauß, Sie müssen sich einmal in Ihrem Leben 
angewöhnen, zuzuhören. Das können Sie nicht! 
[erregte Zurufe von der AL] 
- Vor diesem Parlament rede ich, was ich will und nicht, was 
Sie wollen! Wo kämen wir denn hin, wenn Sie bestimmen 
würden, was ich reden darf, meine Damen und Herren! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Eine solche Pervertierung der Grundhaltung haben wir 
schon einmal im Streit zwischen Israelis und Palästinensern 
gehabt. An diese Diskussion kann ich mich übrigens sehr 
genau erinnern. Es bleibt dabei: Wir kritisieren die moralische 
Doppelbödigkeit, die zu Demonstrationen gegen Amerikaner 
aufruft, die Toten und Verletzten beim Anschlag auf die 
Diskothek „La Belle" mit einem Lippenbekenntnis, aber nicht 
mit den gleichen Engagement hinnimmt. Dies finde ich mora 
lisch doppelbödig. 
Noch ein Problem lassen Sie mich deutlich machen. Das ist 
heute in einer Zeitung beschrieben, auf die Berliner Situation 
projiziert. In der „taz“. In dem Kommentar heißt es: „Angst vor 
81.“ Dort steht zur Diskussion in der Stadt 
[erregter Zuruf von der AL] 
- Auch Sie werden es noch lernen, zuzuhören! -: 
Der Skandal wird außerhalb der Stadt erst dann zur Krise, 
wenn Steine fliegen, sorgte sich vor wenigen Tagen 
Berlins oberster Fremdenverkehrsmanager. Als wenige 
Wochen vor der Wahl 1981 Demonstranten mit einer 
Schubkarre voller Steine den Kurfürstendamm ungehin 
dert in Scherben legen konnten, weil die Polizei merkwür 
digerweise nicht eingriff, war für die CDU die Wahl 
gewonnen. Das Überleben des Diepgen-Senats ist des 
wegen davon abhängig, ob er auch heute dazu in der 
Lage ist. Kommen an diesem Vermögen Zweifel auf, sind 
die Tage gezählt. 
Das schreibt die „taz“ heute. Und was bedeutet das denn im 
Endeffekt? Das bedeutet, daß hier bewußt Vermummte einge 
setzt werden, um in dieser Stadt innenpolitisch Unruhe zu 
produzieren. 
[Zurufe von der CDU: Unerhört!] 
Distanzieren Sie sich doch zunächst einmal von der Gewalt in 
der Stadt! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - 
Zurufe von der AL] 
Es darf und es wird kein Zurück zum Jahre 1981 geben. Die 
Chaoten der Republik haben in Berlin nichts verloren. 
[Beifall bei der CDU] 
Es ist ein Irrglaube zu hoffen, daß mit der Neuwahl eines 
Innensenators das Feld denjenigen eröffnet wird, die Heinrich 
Lummer in den letzten fünf Jahren so erfolgreich zurückge 
drängt hat. Wer für den Frieden nach außen eintritl, der muß 
zunächst für den Frieden nach innen wirken. Wir sind sicher, 
daß der neue Innensenator konsequent in gleicher Weise 
Gewalttäter und Randalierer in Berlin bekämpft, auch wenn 
diese sich für die Demonstration am kommenden Sonnabend 
viel vorgenommen haben. Die Krawalle vom vorgestrigen 
Abend haben gezeigt, daß die Polizeiführung in ihrem takti 
schen Einsatz nicht optimal war. Einen umfassenden Schutz 
haben nicht nur die Geschäftsleute und die Bürger, sondern 
auch die Schutzleute verdient, die im Einsatz sind. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Wir hoffen also, daß es das nächste Mal gelingen wird, die 
vermummten Chaoten auszusondern und festzustellen. 
Mein letzter Satz: Wer gegen die Gewalt unter den Völkern 
ist, der muß als erstes gegen die Gewalt im eigenen Lande 
sein, wenn er politisch und moralisch glaubwürdig sein will. - 
Vielen Dank! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Als nächster hat der Abge 
ordnete Longolius das Wort. 
Longolius (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Die Vernunft hat es wirklich schwer in 
diesem Haus. Die beiden ersten Redebeiträge waren nur 
bescheidene Versuche, Konsequenzen aus dem zu ziehen, 
was wir Jetzt zweimal erlebt haben und was wir in diesem 
Hause auszuarbeiten versuchen. Auf der einen Seite vermisse 
ich bei der AL ein klares Wort zu dem, was auch eine 
Konsequenz aus der Konsequenz ist. Ich meine nicht nur eine 
friedliche Demonstration, die völlig legitim ist, und die, wie Sie 
gesagt haben, durch ein Mitglied unseres Hauses noch 
aufgewertet wurde, sondern auch die Ausschreitungen da 
nach, Wer gegen Gewalt protestiert, so wie Sie es tun und so 
wie wir es tun, der kann dies glaubwürdig nur friedlich tun. 
[Beifall bei der SPD] 
Und der kann dies glaubwürdig auch nur dann tun, wenn er 
sich eindeutig von denen distanziert, die protestierend zerstö 
ren. die das Bild dieser Stadt und des Protestes von Berlinern
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.