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Volume Nr. 27, 17. April 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
27. Sitzung vom 17. April 1986 
Staffelt 
(A) offenbar jedes Mittel der Demagogie recht, um jede Schuld 
und Verantwortung von sich zu weisen. Friedrich Ebert, 
Matthias Erzberger und Walther Rathenau 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Und Walter Momperl] 
sind in der Tat von Rechtsradikalen, von faschistischen und 
reaktionären Presseorganen, Gruppen und Militärs in den Tod 
getrieben oder ermordet worden. Eben von jenen, mit deren 
geistigen und politischen Nachfolgern Ihr Herr Lummer seine 
Geschäfte gemacht hat 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
und mit denen er einen regen politischen Gedankenaustausch 
pflegte, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Diese in sich 
unhistorische Darstellung ist eine Beleidigung für diese 
großen Deutschen, doch typisch für die Art des Regierenden 
Bürgermeisters, sich zu einer schon jetzt-im übrigen, das sei 
angemerkt - historischen Gestalt dieser Stadt aufplustern zu 
wollen. Er allein, nicht etwa Dritte, hat sich durch sein 
politisches Verhalten demontiert und seiner Autorität beraubt. 
Dies ist die Wahrheit, und es gibt keine Hilfskonstruktion in der 
Geschichte. 
[Beifall bei der SPD und der AL - 
Momper (SPD): Der wird in die Geschichte eingehen, 
aber anders! - Beifall bei der SPD und der AL] 
Die demokratische Presse ist eines der wichtigsten Elemen 
te der Demokratie; das wissen wir alle. Es ist hochgradig 
bedenklich, wenn jeder, dem das in das parteipolitische 
Konzept paßt, Medien und ihre Vertreter schilt. Ich sage dies 
durchaus selbstkritisch. Wir danken der Presse in Berlin und 
im übrigen Bundesgebiet für die vielfältigen Recherchen, die 
I) die Aufklärung der Verstrickung von Teilen der CDU und des 
Senats in Korruption und Skandal ermöglicht hat. Die Presse, 
die Medien sind ihrer Richterfunktion in der Demokratie 
nachgekommen, und dies sollten auch Sie in Ihrem eigenen 
Interesse endlich einmal anerkennen, Herr Regierender Bür 
germeister! 
[Beifall bei der SPD - vereinzelter Beifall bei der AL] 
Selten waren sich die verschiedenen Presseorgane so einig 
wie bei der Beurteilung der Senatskrise und des Verhaltens 
des Regierenden Bürgermeisters und in der Notwendigkeit, 
Skandal und Korruption rückhaltlos aufzuklären. Dies gilt für 
die „Bild-Zeitung“ genauso wie für die „Frankfurter Allgemei 
ne Zeitung“, also eher Ihnen nahestehende Presseorgane. 
Herr Diepgen sollte sich darüber klar werden, daß es nicht nur 
um seine Person und seine politische Zukunft geht, sondern 
daß es vielmehr um die guten Sitten und die politische Moral 
unserer Demokratie geht und darum, daß unsere Stadt endlich 
wieder ein vernünftiges inneres und äußeres Erscheinungs 
bild erhält. Die Folge des Verhaltens des Regierenden Bürger 
meisters im Zusammenhang - - Also, Herr Senator für 
Inneres, ich möchte Ihre Gespräche nicht stören, aber viel 
leicht wäre es ganz gut, wenn Sie diese draußen zu Ende 
führten. 
[Kliem (CDU): Das ist doch alles nicht neu, 
Sie wiederholen sich doch nur!] 
- Nun hören Sie doch einmal, Herr Kollege, Ihnen kann man 
das doch nicht oft genug sagen. Sie sind doch bis heute noch 
nicht in der Lage, das geistig zu verarbeiten, was in dieser 
Stadt passiert! 
[Beifall bei der SPD] 
Die Folge Ihres Verhaltens in Zusammenhang mit der 
Korruptionsaffäre und Ihre Weigerung, nicht für sich die 
politischen Konsequenzen in Anspruch zu nehmen, hat in der (C) 
Tat zunehmende Staats- und Parteienverdrossenheit in der 
Bevölkerung, bei jungen und bei älteren Menschen produ 
ziert, wie dies bei vielen von uns geführten Gesprächen zum 
Ausdruck gekommen ist. Viele Menschen sind empört über 
das, was sich in den letzten Wochen bewahrheitet hat. Und 
viele sehen in der Tat die Glaubwürdigkeit der Politik nur dann 
gewährleistet, wenn ein echter Neuanfang einschließlich des 
Rücktritts des Regierenden Bürgermeisters von Berlin erfolgt. 
Herr Diepgen, Sie müssen sich an unseren sozialdemokrati 
schen Vorgängen messen lassen. 
[Gelächter bei der CDU - Rasch (F.D.P.): 
Um Gottes willen! - Wagner, Horst (SPD): 
Diese Arroganz auf der anderen Seite, nein!] 
Sie müssen sich messen lassen. Dies alles, meine Damen und 
Herren von den Mehrheitsfraktionen, spricht nicht für Sie. 
Mehr möchte ich dazu nicht sagen. 
[Beifall bei der SPD] 
Sie müssen sich an Ihren sozialdemokratischen Vorgängern 
messen lassen: Klaus Schütz, Dietrich Stobbe, Heinrich Al- 
bertz, die ohne jede zurechenbare persönliche Schuld bereit 
waren, politische Konsequenzen aus einer Krisensituation zu 
ziehen, und zurücktraten. 
(m übrigen haben wir mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis 
genommen, und deshalb ist es gut, daß Herr Dr. Rexrodt 
gerade hereinkommt, daß nicht nur die SPD und die AL eine 
radikale Lösung der Senatskrise befürworten. Eine außeror 
dentlich hilfreiche Handlungsanleitung hierfür hat der Finanz 
senator Dr. Rexrodt in seiner Rede vom 13, März 1986 
geliefert. Er führte vor wenigen Wochen aus, und ich darf mit 
Erlaubnis der Frau Präsidentin zitieren: (D) 
Wohin käme man, wenn man eine politische Krise einfach 
dadurch lösen wollte, indem man Personen, auch Mitglie 
der des Senats, einfach auswechselte, die in den Ver 
dacht geraten sind, gegen die Verdacht laut geworden ist. 
Dies ist eine nervöse und von außen aufgezwungene 
Reaktion und nichts anderes. 
[Der Redner zögert.] 
- Halt! - Ja: „nichts anderes“. 
[Gelächter bei der CDU] 
- Im Gegensatz zu einigen von Ihnen gehöre ich eigentlich zu 
den Rednern, die ungern vom Blatt ablesen, und mir fällt es 
manchmal schwer, Zitate dann vom Blatt abzulesen. Vielleicht 
haben Sie dafür ein gewisses Verständnis, 
[Beifall bei der SPD - Krebs (CDU): 
Das ist doch das mindeste, was man können muß!] 
- Regen Sie sich doch einmal da auf, wo es sich lohnt, und 
nicht bei einem Versprecher, der doch menschlich ist. Wir sind 
als Sozialdemokraten nicht so allumfassend und so perfekt, 
wie Sie das sind. Das haben wir schon lange gemerkt. 
[Beifall bei der SPD - Dr. Neuling (CDU): Wo geht 
es denn nun weiter? - Zuruf des Abg. Krebs 
(CDU)] 
- Sie sind nicht zu übertreffen, insbesondere Sie nicht, Herr 
Abgeordneter in der ersten Reihe. 
Ich möchte Sie einmal hören, wenn wir nichts anderes 
gemacht hätten als einen sogenannten Befreiungsschlag, 
indem man einfach Personen, auf die man sich eingeschos 
sen hat, ausgewechselt hätte. Sie hätten dann mit Fug und 
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