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Volume Nr. 27, 17. April 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
27. Sitzung vom 17. April 1986 
1458 
(A) Präsident Rebsch; Das Wort zur Geschäftsordnung hat der 
Abgeordnete Buwitt. 
Buwitt (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die 
CDU-Fraktion bittet Sie darum, die Sitzung jetzt für zehn 
Minuten zu unterbrechen. 
[Zuruf: Warum denn? - Weiterer Zuruf von der 
SPD: Man darf doch wohl eine Begründung dafür 
erfahren, Herr Präsident!] 
Präsident Rebsch; Meine Damen und Herren! Sie haben den 
Antrag gehört. Ich lasse darüber abstimmen. 
[Zuruf: Gründe? - Unruhe - Momper (SPD): Ich 
höre, für die Konstituierung des Senats - das ist 
in Ordnung!] 
Wer der Unterbrechung der Sitzung seine Zustimmung zu 
geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke 
sehr! Die Gegenprobe! - Bei einigen Gegenstimmen so 
beschlossen. Ich unterbreche die Sitzung bis 16.20 Uhr. 
[Unterbrechung der Sitzung von 16.11 Uhr bis 16.25] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Meine Damen und Herren! 
Ich bistte, Platz zu nehmen, damit wir mit der Sitzung 
fortfahren können. Ich eröffne die unterbrochene Sitzung 
wieder und rufe auf 
lfd. Nr. 2, Drucksache 10/679: 
Antrag der Fraktion der SPD über Entzug des Vertrauens 
für den Regierenden Bürgermeister gemäß Artikel 42 
Absatz 2 VvB 
Der Ältestenrat empfiehlt, die Redezeit bis zu 20 Minuten je 
Fraktion und die Rednerreihenfolge SPD, CDU, AL und F.D.P. 
festzusetzen. 
Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Staffelt, 
Staffelt (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 
Der Regierungskoalition von CDU und F.D.P. ist es gelungen, 
mit dem Rücken an der Wand ihre Kandidaten für die durch 
öffentlichen Druck freigewordenen Senatsressorts nachzu 
wählen, wenn wir auch feststellen müssen, daß die Ergebnis 
se der Wahlgänge ihre eigene Sprache sprechen. 
Wir bezeichnen das, was hier heute geschehen ist, schlicht 
und einfach als eine politische Notoperation! 
[Beifall bei der SPD - Pätzold (SPD): 
Notschlachtung!] 
Der Jubel, mit dem dieser Vorgang von der Merheit dieses 
Hauses umrahmt wurde, soll - dies ist unsere feste Überzeu 
gung - die tiefe Krise, in der sich der Senat und an seiner 
Spitze der Regierende Bürgermeister befindet, übertünchen 
und überdecken helfen. Doch wird und kann Ihnen dies nicht 
gelingen. Zu stark ist der Regierende Bürgermeister in diese 
Krise selbst verstrickt, zu stark sind ihm die Hände gebunden, 
um den verbal formulierten politisch-moralischen Ansprü 
chen gerecht zu werden, in seiner eigenen Partei und im Senat 
für Ordnung zu sorgen, und vor allem, um diese Stadt politisch 
führen zu können. 
Sie meinen, Herr Regierender Bürgermeister, Sie wären 
über den Berg. Sie haben recht. Von nun an geht es nach 
unserer Auffassung nur noch bergab, 
[Beifall bei der SPD] 
Sie setzen auf die Flucht nach vorn, mit der Sie das 
Geschehen in den letzten Wochen und Monaten vergessen 
machen wollen. Sie handeln nach dem Motto: die Zeit heilt 
viele Wunden. Sie hoffen, daß die Bürger dieser Stadt den 
Skandal und Ihre Rolle in diesem Zusammenhang in einigen 
Monaten vergessen haben werden. Hierzu benutzen Sie 
aufgeblähte Vokabeln wie beispielsweise Ihr ominöses Kon 
zept der Zukunft und das Szenario des Berlin im Jahre 2000. 
Wir halten dem, Herr Regierender Bürgermeister, entgegen, 
daß wir gerne zum geistigen und politischen Wettstreit bereit 
sind. Sie haben aber an keiner Stelle politische Substanz 
formuliert, der wir auch nur irgend etwas entgegenzusetzen 
hätten. 
[Heiterkeit und Beifall bei der CDU] 
Dies war Null, was Sie gebracht haben. - Ich kenne das schon, 
daß Sie sehr gerne bei bewußten Mißverständnissen klat 
schen. Ich baue in meine Reden in aller Regel Erfolgserlebnis 
se auch für Sie ein, denn Sie haben es ja im Moment sehr 
nötig. 
[Heiterkeit und Beifall bei der SPD] 
Selbst bei Ihnen nahestehenden Kreisen der Bevölkerung - 
so zum Beispiel bei Unternehmern, mit denen wir erst kürzlich 
Gelegenheit hatten, über die Probleme des Senats zu diskutie 
ren - löst diese Art des Sich-Herausmogelns aus der Krise 
eher Mitleid als Optimmismus aus. Sie haben in weiten Teilen 
der Bevölkerung Ihren Kredit verspielt. Sie sind inzwischen 
eine echte Belastung für diese Stadt geworden. 
[Sen Wronski: Icke?] 
- Herr Senator Wronski, lassen Sie mich noch eines sagen. Mit 
der Nervosität, mit der Sie den heutigen Tag erwartet haben - 
nein, nicht Sie, sondern die Fraktion der CDU und die Fraktion 
der F.D.P. 
[Gelächter bei der CDU] 
Sie haben andere Gründe, um nervös zu sein, Herr Wronski. 
Ich habe bei Ihnen den Eindruck, als seien Sie in der Tat ein 
zutiefst moralischer Mensch. Ich denke, es muß Sie erschüt 
tern, was in Ihrer Partei und in diesem Senat los ist. 
[Beifall bei der SPD und der AL] 
Ich wollte Ihnen nur sagen, eine stinknormale Senatswahl war 
das mit Sicherheit nicht. Wer wie Herr Diepgen in entscheiden 
den personalpolitischen Fragen wie zu den Herren Antes, 
Lummer und Franke wie das Kaninchen auf die Schlange 
starrt, der setzt sich nicht nur dem Vorwurf aus, eine Krise 
aussitzen zu wollen, sondern provoziert die Frage nach den 
Motiven für diese Art der Kameraderie. Diepgen, der Herr 
Regierende Bürgermeister, siehtsich als Opfer; das haben wir 
nun mehrfach gehört. Er markiert die verfolgte Unschuld in 
Person. Um diesen Eindruck öffentlich wirken zu lassen, war 
er sich nicht zu schade, vor acht Tagen einen Vergleich 
zwischen sich und bedeutenden Staatsmännern und wehrhaf 
ten Demokraten der Weimarer Republik herzustellen und sie 
für seine durchsichtigen Zwecke zu mißbrauchen. Ihm ist
	        
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