Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
24. Sitzung vom 13. März 1986
1393
Landowsky
Deshalb möchte ich nur auf das eingehen, was der Kollege
Wagner gesagt hat.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - Zurufe von
der SPD]
Sein Engagement war aus meiner Einschätzung echt. Nur,
Herr Kollege Wagner, manchmal bezweifle ich, wenn Sie -
zwar sehr engagiert in Ihrer Rolle als führender Gewerkschaf
ter dieser Stadt - hier reden, daß es Ihnen eigentlich um eine
Einigung gegangen ist.
Die Haltung der CDU Berlin haben Sie mit Recht vorhin
beschrieben. Aber gerade von Ihnen hätte ich auch erwartet,
daß Sie im Zuge der gesamten Auseinandersetzung eine
etwas fairere Haltung eingenommen hätten. Es ist in der Tat
so, wenn es nach uns - der Berliner CDU - gegangen wäre,
dann bliebe es bei dem, was wir im November gemeinsam
gesagt haben - der Landesvorsitzende der Berliner CDU und
auch ich -, daß wir eine gesetzliche Änderung für den
damaligen Zeitpunkt für entbehrlich gehalten hätten. Zumin
dest wäre es zweckmäßig gewesen, die Entscheidung des
Bundessozialgerichts abzuwarten.
Es ist aber in gleicher Weise richtig, was der Kollege Pieroth
gesagt hat. Die Geschichte der Verhandlungen von Anfang an
zeigte, daß zunächst auch die Bereitschaft der Gewerkschaf
ten signalisiert war, mit der anderen Tarifpartei darüber
ernsthaft zu verhandeln, ob sie selbst, ohne den Gesetzgeber
eine inhaltliche Auslegung-darum hätte es nur gehen können
-des § 116 finden könnten. Wir sind damals davon ausgegan
gen, daß der Wille bei den Gewerkschaften echt war. Wir
haben das auch bei der anderen Seite, den Arbeitgebern,
unterstellt. Ergebnis der Angelegenheit, Herr Wagner, war
objektiv: Diese Gespräche sind erfolglos geblieben. Für den
Fall hat sich die Frage gestellt, ob es eigentlich sinnvoll sei,
nunmehr eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen. Die
Mehrheit im Deutschen Bundestag war offensichtlich dieser
Meinung. Die Möglichkeiten, die das Land Berlin über seinen
Senat und über die Parteien hat, sind durchaus vorhanden,
aber sie sind begrenzt. Das ist völlig klar, und wir bekennen
uns dazu auch, wobei ich davon ausgehe, daß der Einfluß, den
die CDU Berlin auf die Bundespartei hat, immer noch erheb
lich größer ist als der der SPD Berlin auf ihre Bundespartei.
Das zeigen die Vergangenheit und die Gespräche bis in die
jüngste Zeit sehr deutlich.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Es hat sich in der Folgezeit eine Diskussion innerhalb der
Union und auch der Koalitionsparteien in Bonn abgespielt
über den besten Weg zur Klarstellung; und es gab in der Union
-die gibt es sicherlich noch heute-zwei Grundrichtungen; die
eine symbolisiert durch die Sozialausschüsse unter der
Führung von Norbert Blüm und die andere unter Führung
sicherlich eines mittelständischen Teils innerhalb der Union.
[Zuruf des Abg. Dr. Meisner (SPD)]
- Was ich erkläre, das ist meine Sache, Herr Dr. Meisner! -
Unsere Aufgabe als CDU Berlin - und dazu bekenne ich mich
nachhaltig - bis in die jüngsten Tage war, deutlich zu machen,
wo diese CDU Berlin steht. Wir stehen in dieser Auseinander
setzung auf der Seite der Arbeitnehmer innerhalb der Union,
unmißverständlich!
[Beifall bei der CDU]
Dieses - wenn Sie fair wären, würden Sie das anerkennen -
hat es doch erst ermöglicht, wie auch immer Sie den Kompro
miß bewerten, von der ursprünglichen Gesetzesvorlage be
achtliche Abstriche zu machen. Herr Senator Pieroth hat das
hier ausgeführt.
Ich habe mich im Vorlauf zu diesen Verhandlungen sehr (C)
lange mit Professor Ernst Benda hier in Berlin unterhalten; ich
nehme seine Einwände auch sehr ernst; aber da liegt doch
genau das, was ich für den riesigen Fortschritt an diesem
Kompromiß ansehe; ich bitte Sie, das auch wirklich zu
würdigen. Wenn Sie nämlich der Meinung sind - und das kann
man in einem demokratischen Staat -, daß eine gesetzliche
Regelung nicht der Verfassung entspricht, dann gibt es die
Möglichkeit der rechtlichen Nachprüfung. Erstmalig in diesem
Gesetz - und das ist eine essentielle Verbesserung für die
Gewerkschaftsseite - ist die Möglichkeit der Anrufung eines
Neutralifätsausschusses geschaffen worden, den ich von der
Institution —
[Momper (SPD): Was ist denn neutral an diesem
Ausschuß? Sie betreiben doch Wählerverwirrung
mit diesem Begriff!]
- Sie haben vorhin schon gepöbelt, lassen Sie mich doch
mpine Gedanken jetzt einmal allein vortragen, dazu brauche
ich Ihre Zwischenrufe nicht, Herr Kollege Momper!
[Beifall bei der CDU]
Sie fördern die Diskussion hier nicht, das ist Ihr Problem. - Es
ist ein erheblicher Vorteil für die Seite der - ich sage es jetzt
einmal so - Arbeitnehmer, die Möglichkeit zu haben, gegen
Feststellungen des Neutralitätsausschusses, der ja auch pari
tätisch besetzt ist, mit dem Präsidenten, wie immer er heißt,
[Momper (SPD): Franke heißt er 1 '
vermutlich in der Spitze, in erster Instanz und, wie es im
Gesetz heißt, „vorrangig“ sofort das Bundessozialgericht
anzurufen, das natürlich auch inzident die Frage der Verfas- (qj
sungsmäßigkeit einer Entscheidung prüft. Das ist doch der
große Vorteil in dieser ganzen Auseinandersetzung, daß
erstmalig auch für die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer
seite der unmittelbare Zugang zum höchsten deutschen
Sozialgericht eröffnet worden ist, vorrangig und schnell auch
gegen eine Entscheidung dieses Neutralitätsausschusses.
Wie Sie dann sagen können, das sei eine Situation, mit der
Ihre Position noch verschlechtert werde, das ist mir schlicht
schleierhaft. Das ist ein Weg, an dem wir als Union bis zum
letzten Sonnabend mitgewirkt haben, auch bei unseren So
zialausschüssen. Sie haben das ja mit Recht vorgelesen, weil
diese Entscheidung dann am Sonntag gefallen ist. Nun können
Sie sagen, das sei nicht genug. Der Senat von Berlin hat mit
viel Engagement im Vorfeld versucht, sich auf eine Lösung zu
konzentrieren, die in der Tat die geringstmögliche Abwei
chung vom gegenwärtigen Rechtszustand herbeigebracht
hätte. Aber mit Bayern stand Berlin im Bundesrat allein mit
seiner Initiative da. Daran will ich nur einmal erinnern.
Kurzum: Wir werden sehen, wie das im Endeffekt, also in
der letzten Fassung dann aussiehf. Die ersten Reaktionen der
Gewerkschaften in jener Nacht, das habe ich sehr genau
beobachtet, Herr Kollege Wagner, waren unterschiedlich; da
war die Sprachregelung noch nicht gleichgeschaltet worden;
[Widerspruch bei der SPD]
da hat ein Mitarbeiter aus Düsseldorf gesagt, darüber könne
man sich unterhalten, und Herr Fehrenbach, den ich für ein
Mitglied halte, das auch in der Union bleibt, - -Herr Kollege
Momper, vertun Sie sich da mal bloß nicht, denn der bleibt bei
uns, aber Ihr Herr Kriele mußte gehen, der hatte nämlich
keinen Platz mehr bei Ihnen; das ist doch der Unterschied! Bei
uns haben die Arbeitnehmer Platz. -
[Beifall bei der CDU]