Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
24. Sitzung vom 13. März 1986
1346
Sen Or. Kewenig
(A) stimmige Zustimmung des Fachbereitsrats Charlottenburg
gefunden hat, daß wir diese Forderungen zur Grundlage
unserer Verlagerungspolitik machen werden. Sie haben sich
weiter darauf verständigt, und ich bin der F.D.P. dankbar, daß
sie das noch einmal ausdrücklich aufgeschrieben hat, daß wir
in sehr enger Kooperation mit der Universität den schwierigen
Prozeß des Umzuges vollziehen werden und uns bei allen
Schritten, die jetzt noch notwendig sind, und zwar sowohl bei
den gesetzlichen Schritten wie bei den verwaltungsmäßigen
Schritten, stetig und genau mit der Universität abstimmen
werden. Wenn das passiert und wenn außerdem die Koalition
- davon gehe ich aus - bereit ist, Zusagen hinsichtlich des
Endzustandes zu geben und diese Zusagen auch einzuhalten
und durchzusetzen, dann, glaube ich, sind wir auf einem guten
Weg. Wir sollten diesen Weg gehen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Denn eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen, und insofern
zumindest möchte ich mich an den Spekulationen über den
Wissenschaftsrat beteiligen: Das Hauptargument, das uns im
Wissenschaftsrat entgegengehalten wird, wird nicht sein: Was
habt ihr denn da für eine komische Idee? - sondern wird sein:
Warum seid ihr mit dieser vernünftigen Idee nicht schon zehn
bis fünfzehn Jahre früher gekommen? - Und man wird uns
ganz genau fragen, was denn eigentlich die Gründe dafür sind,
daß wir nicht früher gekommen sind.
[Schicks (CDU): So ist es! - Dr. Franz (CDU): Da
hatte Berlin noch die falsche Regierung!]
in fünf oder zehn Jahren niemand über das Provisorium
Westend, sondern alle davon sprechen werden, daß wir im
Wedding eine Klinik für das Jahr 2000 und eine Zukunftsvision
der Universitätsmedizin für Berlin realisiert haben. - Vielen
Dank!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - Vetter (CDU):
Gleich sagt Kremendahl: Das ist schon dauernd
meine Idee gewesen!]
Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete
Reichel-Koß.
Frau Reichel-Koß (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich muß schon sagen, ich bin sehr betroffen. Sehr
betroffen über die Art, wie der Herr Senator Kewenig lockig-
flocker - flockig-locker -
[Zurufe]
-Ja, mein Versprecherzeigt Ihnen, wie betroffen ich bin!-mit
diesem Schritt der Verlagerung eines Klinikums an eine
andere Stelle umgegangen ist,
[Beifall bei der SPD und der AL]
sich auch nur auf einen Brief berufen hat und auch heute schon
vorgeführt hat, daß wir wohl mit diesem Senat keine kritische
Begleitung des Umzugs zu erwarten haben, sondern nur die
bekannten Schulterschläge auf die eigenen Schultern.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Es mag ja sein, daß der Plan von Ihnen eine vernünftige
Lösung ist. Bedauerlicherweise aber haben Sie die Zwischen
stufen und das, was in den zehn Jahren, die so etwas dauert,
sowohl mit den kranken Menschen im Wedding als auch mit
Forschung und Lehre in der Universitätsklinik geschieht, nicht
mitbetrachtet.
[Dr. Franz (CDU): Voll berücksichtigt!]
Es ist gesagt worden, daß 38 Jahre alles erwogen worden ist.
Nur, wir haben doch wohl eins aus den Anhörungen gelernt,
daß Erwägen nicht das einzige ist. Nicht was einer sich in
seinem Kopf ausdenkt und mit einem anderen bespricht, ist
Planung, sonder Planung bedeutet - das ist uns gesagt
worden -, daß die Alternativen aufgelistet werden und in einer
Voruntersuchung, die mindestens drei bis vier Monate dauern
wird, diese Alternativen gegenübergestellt werden, damit
man weiß, welche Planungsrisiken man eingeht, und dann
erst in die Planungsphase eingetrelen wird.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Nur diese Verantwortlichkeit verlangen wir. Und ich meine,
daß Sie es zu verantworten haben, denjenigen, die wir viele
Stunden angehört haben, zu erklären, daß der Auswertung
des Wortprotokolls mit dem Studium am Wochenende schon
Genüge getan ist und daß es überhaupt keine ausreichende
Besprechung mehr gibt. Das Thema Klinikum ist doch auf
Wunsch der Koalitionsfraktionen im Ausschuß ausgeklam
mert worden, weil Sie noch nicht so weit waren. Und nun findet
die Debatte darüber überhaupt nicht mehr statt! Ich jedenfalls
habe ein schlechtes Gewissen gegenüber denjenigen, die wir
angehört haben. Wir werden uns dafür entschuldigen, daß wir
nicht in die Lage versetzt worden sind, die Auswertung der
Anhörung wirklich vernünftig zu machen.
Dann werden wir in den Akten blättern, und ich hoffe, daß Herr
Kollege Kremendahl uns bei der Geschichtsbewältigung dann
genauso helfen wird wie durch seine Beiträge zur aktuellen
Entwicklung des Krankenhauswesens in Berlin
Meine Damen und Herren! Zusammengefaßt glaube ich,
daß das, was der Kollege Fink und ich gemeinsam mit den
beiden Fraktionen der CDU und der F.D.P. in den letzten
Monaten in einem mühsamen Prozeß zu Ende gebracht
haben, vernünftig ist. Herr Kremendahl, Sie müßten doch
eigentlich als Politikwissenschaftler - Sie haben mich eben
als Kreisvorsifzender der CDU angesprochen, jetzt spreche
ich Sie einmal als Professor an, Herr Kremendahl -, Sie
müssen doch eigentlich den Unterschied kennen zwischen
einem wirklich harten Debattieren und einem Durchringen zu
einer Lösung, die zwar allen nicht perfekt schmeckt, insge
samt aber tolerabel ist, und einem faulen Kompromiß - oder
was haben Sie eben für furchtbare Worte gebraucht? - Sie
haben von einem Anschlag gesprochen, von einem Anschlag
auf die Gesundheitspolitik! So etwas Törichtes habe ich
wirklich noch selten von einem Professor hier in diesem
Hause gehört, wenn ich das auch einmal sagen darf.
[Starker Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen: Der Wis
senschaftsrat ist immer wieder zitiert worden. Gerade wegen
meiner alten Verbindung zum Wissenschaftsrat möchte ich
hier noch einmal folgendes feststellen: Kein Gremium, auch
Sie nicht, meine Damen und Herren, Herr Präsident, läßt sich
gerne durch das Gerede in anderen Gremien präjudizieren,
mit anderen Worten: Es ist unfair und auch ungeschickt - ich
will kein schärferes Wort gebrauchen -, so zu tun, als ob wir für
ein anderes Gremium entscheiden müßte, ob dieses Gremium
A oder B zu sagen hat. Ich halte alle diese Spekulationen für
absolut ungeschickt und sage noch einmal: Wir müssen uns
klar werden, und wir sind uns klar geworden. Nun gehen wir
mit diesen Plänen in den Wissenschaftsrat, Ich habe gute
Zuversicht, daß diese Pläne, die vernünftig sind, auch im
Wissenschaftsrat Zustimmung finden werden.
Ich bin davon überzeugt, daß wir eine sinnvolle Strukturent- [Dr. Franz (CDU): Wir haben eine Prüfung sehr
Scheidung getroffen haben, und ich bin davon überzeugt, daß wohl vorgenommen!]