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Volume Nr. 23, 27. Februar 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
23. Sitzung vom 27. Februar 1986 
Dr. Lange 
Zweiter Punkt: Natürlich kann niemand verhindern - und 
dagegen werden sich gerade Liberale bis zum Ende sträuben 
daß irgend jemandem verboten wird, über „den Tellerrand“, über 
clie Situation hinaus zu denken und Ideen, Modelle zu entwickeln. 
Nur deshalb ist ja die Debatte im Parlament von Berlin so gut, 
weil Positionen klargelegt werden! Natürlich, Herr Innensenator, 
können Sie denken, Vorstellungen entwickeln; aber wir haben 
als Koalitionspartner die Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, wo 
unsere Denkmöglichkeiten unvereinbar mit Ihren enden. Da gibt 
es Unterschiede, und jeder, der Denkmodelle entwickelt, muß 
die Gefahr sehen, daß bestimmte Erwartungen geweckt werden. 
Ich glaube, die F.D.P. hat in der Vergangenheit deutlich gemacht 
- und sie wird dies auch in der Zukunft tun -, wo für sie Denk 
modelle jedweder Schattierung und jedweder Facettierung 
enden. Ich glaube, diese Positionsabgrenzung zwischen Ihnen 
und uns ist deutlich geworden. 
[Frau Ahme (AL): Beachten Sie doch mal den 
Unterschied zwischen denken und hetzen!] 
Vorletzter Punkt: Diese Zahlenspiele können wir natürlich 
beliebig weiter fortführen. Sie selbst haben von 220 000 Flücht 
lingen de facto gesprochen; auch hier ist völlig unklar, welche 
Personengruppen sich dahinter verbergen. Natürlich sind Flücht 
linge aus der DDR darunter, sind Flüchtlinge aus Siebenbürgen, 
aus anderen Gebieten Osteuropas dabei; diese alle „in einen 
Topf“ zu packen und damit zu argumentieren, halte ich zumindest 
für unredlich. 
Letzte Bemerkung: 
[Zuruf der Frau Abg. Künast (AL)] 
Wir haben ja noch, Frau Künast, den von Ihnen unterschriebe 
nen, bemerkenswerten Dringlichkeitsantrag zur Annahme einer 
Entschließung. Auch das ist ein typischer AL-Antrag, denn er 
stimmt hinten und vorn nicht. Da heißt es im letzten Satz: „... daß 
deshalb auch politisch Verfolgte Asylrecht genießen“. Ja, wer 
kann denn sonst Asylrecht genießen, wenn nicht ein politisch 
Verfolgter? Auf wen kann unser Asylrecht denn sonst Anwen 
dung finden? - Da heißt es weiter: „Das Abgeordnetenhaus von 
Berlin bestätigt, daß in keinem Falle ein Grundrecht in seinem 
Wesensgehalt angetastet werden darf.“ Als wenn es darauf 
ankommt, was wir in diesem Zusammenhang hier bestätigen 
oder bekräftigen! 
[Frau Ahme (AL): Das ist nur notwendig, Herr Dr.Lange! 
So weit sind wir!] 
Und weiter, daß sich jeder Bürger „zu den unverletzlichen und 
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder 
menschlichen Gemeinschaft ... in der Welt“ bekennt. Das ist 
ebenfalls eine solche Selbstverständlichkeit, daß man sich 
eigentlich schämen sollte, dies überhaupt in einen solchen Ent 
schließungsantrag zu schreiben. 
[Widerspruch bei der AL] 
Wir überweisen diesen Antrag in den zuständigen Ausschuß, 
aber für uns ergibt sich wirklich die Frage, ob wir überhaupt 
einen Ersetzungsantrag stellen sollten. Dies ist eigentlich bar 
jeder Diskussion, es ist ein derartiger Unsinn, daß ich mich mög 
licherweise weigern werde, an den Beratungen darüber teil 
zunehmen. 
[Frau Heitmann (AL): Und wieso dulden Sie dann 
solche Aussprüche dieses Senators? - 
Klinski (AL): Lieber eine schlechte Formulierung 
als ein rechtsradikaler Innensenator!] 
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der Kol 
lege Schicks. 
Schicks (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 
und Herren! Zum Beginn dieser Aktuellen Stunde haben die 
Oppositionsparteien die Frage gestellt, welche Bedeutung die 
Rede von Herrn Lummer hatte. Nun kann ich das für Herrn Lum 
mer nicht sagen, ich kann nur feststellen, daß Sie diese Rede von 
Herrn Lummer hier - erstens - dramatisiert und - zweitens -, 
was den Inhalt betrifft, in einer Art und Weise verschärft haben, 
wie dies nicht richtig sein darf. Es gilt schließlich das gesproche 
ne Wort; und ich glaube, daß man dies nachlesen kann und fest 
stellen wird, daß einige Passagen, die Sie zitiert bzw. von denen 
Sie so getan haben, als ob sie tatsächlich gesagt worden seien, 
nicht stimmen. Und im Rahmen der zweiten Runde haben Frau 
Dr. Schramm und Herr Lorenz meines Erachtens die Sache noch 
auf die Spitze getrieben. Frau Dr. Schramm, wenn Sie von 
„heuchlerisch“ und „scheinheilig“ sprechen, dann ist das 
schlimm, aber wenn Sie dann noch sagen, daß wir hier arbeits 
teilig verfahren und mir womöglich unterstellen, daß ich den 
einen Teil dieser Arbeit mache und Herr Lummer einen zweiten 
Teil, dann sage ich Ihnen, daß ich mich dagegen verwahre. 
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Genauso ist es! - 
weitere Zurufe von der AL - 
Staffelt (SPD): Mit Ihnen zusammenzuarbeiten, davon würde 
ich mich auch distanzieren!] 
Ich will die ganze Sache einmal von einer anderen Seite be 
trachten: Für mich besteht der Eindruck, als ob Sie - das ist das 
Ziel, das Sie anstreben - Herrn Lummer einen Maulkorb umhän 
gen wollen. 
[Wagner, Horst (SPD): Ja! - 
Dr. Niklas (SPD): Wie würden Sie es denn nennen?] 
- Ich werde das auch gleich begründen. - Sie haben so getan, 
als hätte Herr Lummer - und das ist wörtlich von Ihnen gesagt 
worden - eine Hetzrede vor Rechtsradikalen gehalten oder - so 
haben Sie es auch dargestellt - als sei das eine regierungsamf- 
liche Bulle über die Einreichung einer Gesetzesinitiative im 
Deutschen Bundesrat. Tatsache ist, daß Herr Lummer eine Rede 
vor Verwaltungsjuristen gehalten hat; und nun muß ich dazu 
sagen: Ich hätte sicherlich diese Rede etwas anders gehalten, 
eine Passage anders interpretiert, das andere ausgelassen, 
woanders etwas zugesetzt. 
[Schenk (AL): Aber nicht so liberal! 
Das ist er doch gar nicht!] 
Es muß doch möglich sein, daß - wenn einer deutlich erkennbar 
macht, daß er nicht die Position der Regierung Berlins, sondern 
seine Position vertritt - er in einer Rede, die geschrieben über 30 
Seiten umfaßt, in großer Breite eine Gesamtsituation darstellt 
und auch Fragen aufwirft, die doch gestellt werden dürfen. Ich 
sage nur: Die Alternativen in Kreuzberg sind sicherlich nicht 
meine ganz speziellen Freunde, aber sie verhalten sich in einer 
solchen Situation etwas anderes. Sie haben nämlich bei einem 
Mißbilligungsantrag der SPD gegen Bezirksbürgermeister Krü 
ger nicht mitgestimmt, sie haben sich der Stimme enthalten bzw. 
mit der CDU gestimmt, als es darum ging, eine Äußerung von 
Krüger in Sachen Partnerschaft zur Gemeinde San Raphael del 
Sur in Nikaragua zu kritisieren, und zwar mit der Begründung, 
daß man einem Bürgermeister, wenn er sich zu einer Sache 
äußerst, nicht einen Maulkorb umhängen kann. 
[Widerspruch bei der AL] 
Meine Damen und Herren! Es muß Herrn Lummer möglich sein, 
und zwar nicht in einer öffentlichen Veranstaltung auf dem Rat 
hausplatz, wo wirklich die Frage auftauchen könnte, in welcher 
Eigenschaft er dort spricht, sondern in einer internen Veranstal 
tung mit einer ganz breit angelegten Rede ein Thema ausführ 
lich zu behandeln. Ich möchte - damit hier nicht ein falscher Ein 
druck entsteht - nur sagen; Den Grundsatz in Artikel 16 GG 
möchte ich nicht in Frage gestellt haben, aber dennoch müssen 
doch in der Diskussion darum Fragen gestellt werden dürfen, 
müssen doch Fragen möglich sein. 
[Staffelt (SPD): Aber bewerten Sie doch einmal die Fragen, 
die Herr Lummer aufgeworfen hat!] 
- Ich habe leider keine Zeit, darauf einzugehen. - Auch ich selbst 
muß doch die Möglichkeit haben, auch wenn ich hier ganz klar 
im Abgeordnetenhaus im letzten Jahr - und ich unterstreiche das 
für heute auch wieder - gesagt habe: Ich bin froh, daß es den 
Artikel 16 gibt und zwar in seiner ganzen Breite. Nicht bloß 
wegen des Asyls, sondern auch für mich als Deutschen! Er ent 
hält nämlich drei wichtige Punkte. Aber dennoch muß ich doch
	        
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