Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
23. Sitzung vom 27. Februar 1986
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Pieroth, Senator für Wirtschaft und Arbeit: Herr Kollege
Haase, eine Befragung der AMK hat ergeben, daß ca. 80% der
Teilnehmer die Qualität der Vorträge gut und zufriedenstellend
finden. Die überwiegende Mehrheit begrüßte auch die Themen
vielfalt der Seminare. So gut wie alle Aussteller und Berater - es
waren insgesamt 36 - halten die Gründertage Berlin für eine ge
eignete Veranstaltung, um mit Existenzgründern in persönlicher.
Kontakt zu treten.
[Gelächter bei der AL - Zurufe: Spontan!]
- Ich würde Ihnen wünschen, daß Sie spontan Unternehmen
gründen könnten, Herr Kollege, und damit Arbeitsplätze schaffen
und sich nicht hier über Unternehmensgründer lustig machen I -
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. -
Widerspruch des Abg. Wagner, Horst (SPD)]
Für den Senat heißt das ganz klar: Weilermachen und diese Ver
anstaltung im nächsten Jahr wiederholen und damit noch mehr
junge Menschen für die Idee des Selbständigseins gewinnen!
[Wagner, Horst (SPD): Woher kannten Sie denn die Frage,
Herr Senator?]
Wir wollen auch versuchen, den Anteil der Existenzgründerin
nen zu vergrößern, Zwar ist der Anteil der weiblichen Besucher
bei den Gründertagen angestiegen von 16 auf 17%, aber das
sollte noch viel mehr sein.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Kollege Dr. Haase!
Dr. Haase (CDU): Herr Senator, welche der Veranstaltungen
auf den Berliner Gründertagen fanden denn bei den Teilnehmern
besonderes Interesse?
[Gelächter bei der SPD und der AL -
Zurufe: Vorlesen! - Wagner, Horst (SPD): Blatt 5! -
Pätzold (SPD): Falsche Reihenfolge!]
Stellv. Präsident Longolius: Senator Pieroth!
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Arbeit: Ganz eindeutig
die Seminare zur Finanzierung und zur Erstberatung während der
Gründerphase - während der Vor-Gründerphase, genauer
gesagt! Finanzierung und Vor-Gründerphase!
Stellv. Präsident Longolius; Kollege Dr.Kremendahl!
Dr.Kremendahl (SPD); Herr Senator, die Antwort auf die
Frage, die ich Ihnen jetzt stelle, können Sie sicher nicht vom Blatt
lesen. - Ich möchte Sie fragen, ob während der Berliner Grün
dertage auch die Schwierigkeiten erörtert worden sind, in die Ihr
Renommierobjekt geraten ist, nämlich das Berliner Innovations
und Gründerzentrum, und wie haben Sie sich in diesem Zusam
menhang zu der äußerst pessimistischen Prognose des Kanzlers
der Technischen Universität über die Zukunft des BIG gestellt?
Stellv. Präsident Longolius: Senator Pieroth!
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Arbeit: Ich bin genau ge
nommen für die Frage dankbar,
[Heiterkeit bei den Abg. Wagner, Horst (SPD)
und Buwitt (CDU)]
kann ich doch bei dieser Gelegenheit einiges richtigstellen. Die
Unternehmer im Berliner Gründerzentrum waren vor zehn Tagen
mit mir zusammen: Sie waren auf tiefste darüber erschüttert, wie
der Kanzler der Technischen Universität salopp zum Ausdruck
bringen kann, sie wären auf dem absteigenden Ast. Einer dieser
Gründer erwägt, den Kanzler der Universität zu verklagen, weil er
Ruf- und Kredifschädigung seines Unternehmens darin sieht.
[Wagner, Horst (SPD): Sieh mal an!]
Es mögen einige dort ihre Probleme haben außerhalb des (C)
Gründerzentrums. Die Unternehmen im Gründerzentrum sind mit
ihrer Geschäftsentwicklung sehr zufrieden, haben in knapp zwei
Jahren 200 Arbeitsplätze direkt geschaffen, und was Herr Höbig
gesagt hat, war - um es in Neuhochdeutsch auszudrücken -
totaler Quatsch und nichts anderes!
[Pätzold (SPD): „Blackout“ heißt das! -
Simon (CDU): Wir zitieren nicht immer Geißler!]
Stellv. Präsident Longolius: Kollege Dr, Meisner!
Dr. Meisner (SPD): Herr Senator! Sie haben von dem auf
regenden Erlebnis der Unternehmensgründung gesprochen.
Darum frage ich Sie: Wie viele Gründer hatten denn im letzten
Jahr das aufregende Erlebnis einer Pleite? Und sind denn die
potentiellen Gründer bei den Gründertagen auch auf das hohe
Risiko des Scheiterns hingewiesen worden?
Stellv. Präsident Longolius: Senator Pieroth!
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Arbeit: Ich unterlasse bei
keiner Ansprache vor Gründungswilligen, auf das Risiko eines
Scheiterns hinzuweisen. Es ist ja gerade die Aufgabe, diesen
Menschen klarzumachen, daß das dann nicht, wenn man ein
Unternehmen gründet, alles so sicher geregelt ist wie im öffent
lichen Dienst. Ich habe das denen schon zu sagen. Mit Sicher
heit - auch mit Arbeitsplatzsicherheit für den eigenen Unterneh
mer-Arbeitsplatz - kann man nicht rechnen. Aber ich kann Ihnen
eine gute Mitteilung machen. Die Gesamtzahl der Insolvenzen
hat sich 1985 in Berlin gegenüber dem Vorjahr um 0,7% ver
bessert, das heißt: fünf weniger.
[Dr. Meisner (SPD); Prozentzahlen kennen wir
aus der UdSSR! Absolute Zahlen!]
Im Vergleich verzeichnet das Bundesgebiet einen Zuwachs an (D)
Konkursen von 12,6 %. - Ich weiß nicht, nach was Sie eben
gefragt haben. Wenn Sie die absolute Zahl haben wollen: 704
sind in Insolvenz gegangen. - Das ist auch im Vergleich mit
anderen Bundesländern in Berlin 1985 besser geworden. Berlin
ist 1985 das einzige Land gewesen, in dem die Insolvenzzahl
zurückgegangen ist. Und wir lägen noch viel besser, wenn das
Baugewerbe in Berlin nicht besondere Sorgen machte.
Aber ich möchte noch allgemein etwas sagen. Es kann nicht
Aufgabe der Wirtschaftspolitik sein, jeden Konkurs zu verhin
dern. Wir können und wollen nicht - wie in einer östlichen
Gesellschaft - auch völlig unrentable Betriebe künstlich am
Leben erhalten. Und deshalb kann ich Ihre Frage nach diesem
Gründerrisiko nicht ganz verstehen. Was wollen Sie eigentlich,
Kollege Meisner? Wollen Sie sagen: „Liebe Berlinerinnen und
Berliner, macht euch um Himmels Willen nicht selbständig,
schafft bitte nicht Arbeitsplätze, denn ihr könntet ja pleite gehen.
Geht lieben in den öffentlichen Dienst.“ Oder wollen Sie sagen:
„Es muß dafür gesorgt werden, daß grundsätzlich keiner Pleite
machen kann.“? - Das geht nicht, das wäre zum Schaden der
Verbraucher, weil dann jeder Betrieb weitergeführt wird, auch
unrentable Betriebe, und das letztendlich nur der Verbraucher
über überhöhte Preise zu bezahlen hätte.
Also, das Risiko muß schon jedem klar sein. Trotzdem möchte
ich ermuntern, in dieses erfrischende Risiko einzutreten und
damit seiner sozialen Verantwortung als potentieller Unterneh
mensgründer gerecht zu werden.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Frau Dr.Schramm!
Frau Dr. Schramm (AL): Das BIG ist als Starthilfe und Über
gang gedacht. Wie viele der dort ansässigen Firmen haben
bisher den Weg nach draußen, d. h. zur vollständigen Selbstän
digkeit und damit zum Beweis gefunden, da sie sich alleine ohne
die dort gewährten Hilfen als Firma tragen können?