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Volume Nr. 35, 25. September 1986

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1986, 10. Wahlperiode, Band II, 19.-35. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
35. Sitzung vom 25. September 1986 
Lohauß 
Ich war bei diesen Geheimverhandlungen nicht dabei, die in 
dieser Stadt gelaufen sind, habe aber in der Zeitung gelesen, 
daß die Neue Heimat ein Übergabeangebot im März von 
1 200 DM/qm gemacht hat, und jetzt werden die Wohnungen 
für eine symbolische Mark an einen Privaten verkauft. Da muß 
man sich doch wirklich fragen, kann man da wie die SPD sagen, 
nur die CDU habe in der ganzen Geschichte gemauert, oder hat 
die Neue Heimat überhaupt ein Interesse daran gehabt, dies an 
einen anderen gemeinnützigen Verein zu übergeben? 
[ Beifall bei der AL] 
Da können wir nur sagen: Es wird Zeit, daß die Neue Heimat zer 
schlagen wird, und - im Interesse der Mieter - in je kleinere 
Teile, desto so besser. 
[ Beifall bei der AL] 
Natürlich bleibt, daß abgerechnet und aufgedeckt werden 
muß, was in der Neuen Heimat passiert, auch an Korruption, bis 
hin zu kriminellen Handlungen - wie man liest -. Das alles muß 
vollständig aufgeklärt werden. Andererseits weiß ich nicht, wie 
Leute, die noch in Aufsichtsräten bei der Neuen Heimat oder in 
Gewerkschaftsspitzen sitzen, sich über Antes aufregen. Der hat 
fast noch mehr herausgeholt für die CDU-Kasse und den Lan 
desaushalt bei seinem Verkaufsversuch an Herrn Putsch. 
[Landowsky (CDU): Fast würde ich klatschen, 
das war ein Spitzenpreis, 4 000 DM/qm!] 
- Ja, Spitzenpreis, wie man heute weiß. Heute bekommt man es 
für eine Mark. Insofern geht die Aufregung am Thema vorbei. 
Wenn es richtig ist, wie der DGB versichert, wie der CDU- 
Wohnungsbauminister versichert, daß die Rechte der Mieter ge 
sichert seien, was ist dann eigentlich das Problem an der 
Sache? Wieso regen Sie sich eigentlich auf? 
Hier kommt doch raus, daß die Grundprobleme, die wir vorhin 
in der Haushaltsdebatte angesprochen haben, die in der Woh 
nungsbauförderung selber liegen, auf die Mieter durchschlagen 
können und werden. Die eine große Gefahr ist der mögliche Kon 
kurs, in den natürlich dieser Bäcker auch geraten kann, das ist 
ganz klar. Und dann gibt es natürlich sehr schwierige Bedingun 
gen für die Mieter. Wird das vermieden, dann sind - so die 
Rechtslage nach meiner Kenntnis - die Aussichten der Neue- 
Heimat-Mieter so schlecht wie für alle Mieter im sozialen Woh 
nungsbau, wie für alle Mieter in Berlin, die noch in preisgebunde 
nen Altbauwohnungen sitzen und die bald die Mietenexplosion 
vor sich haben. 
[Beifall bei der AL] 
Das ist das eigentliche Problem, das gelöst werden muß. Es 
haben von den Neue-Heimat-Mietern, soweit ich weiß, sechs 
oder sieben Häuser das Problem wirklich gelöst. Das sind die 
besetzten Häuser, denen es seit 1980 gelungen ist, die Neue- 
Heimat-Häuser, mit langfristigen Pachtverträgen versehen, in ihr 
Eigentum zu überführen. 
[Beifall bei der AL] 
Das war die richtige Lösung damals und ist es auch heute noch. 
Es kommt also darauf an, ob wir diese Lösung ausdehnen kön 
nen, so daß Berliner Mieter etwas davon haben. Wir haben dazu 
Vorschläge gemacht, die natürlich nicht so mühselig sein müß 
ten, daß man wieder Haus für Haus besetzt. Es gibt die Ange 
bote der Bewohnergenossenschaften, ganz konkret zwei in Ber 
lin, die ihre Häuser von der Neuen Heimat übernehmen würden. 
Wir haben schon seit langem vorgeschlagen, die Mieten im übri 
gen sozialen Wohnungsbau abzusichern durch Mietenpooling, 
d. h. durch Ausgleich der unterschiedlichen Förderungsbedin 
gungen. Da gibt es unseren auch im Bundestag eingebrachten 
Vorschlag, kommunale Sondervermögen zu bilden, Grundeigen 
tum, Wohnungseigentum und Wohnungsverwaltung zu trennen, 
um möglichst viele Rechte auf der einen Seite für die Mieter her 
auszuholen und auf der anderen Seite aus den ständigen Miet 
steigerungen und Zinsbelastungen herauszukommen. 
Statt dieser Schaukämpfe sollte das Zerbrechen der Neuen 
Heimat als Chance für eine grundlegende Veränderung im ge 
samten sozialen Wohnungsbau und im Altbaubestand in Berlin 
begriffen und beispielhafte Lösungen mit dem Wohnungs 
bestand der Neuen Heimat vorexerziert werden, die tatsächlich 
für alle Mieter eine Sicherheit darstellen würden. Das täte eigent 
lich Not in dieser Situation. Wir haben sehr viele Vorschläge 
dazu gemacht, die wären gemeinsam mit den Mietern zu verwirk 
lichen. Das ist eigentlich das, worauf es ankommt, und nicht auf 
das Wahlkampfspektakel. 
[ Beifall bei der AL] 
Stellv. Präsidentin Wlechatzek: Das Wort hat nun Herr 
Senator Wittwer. 
Wittwer, Senator für Bau- und Wohnungswesen; Frau Präsi 
dentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte 
Sie bitten, eine dpa-Meldung anzuhören, die ganz frisch ist: 
Der Aufsichtsrat der Neuen Heimat hat am Donnerstag 
nach mehrstündigen Beratungen dem Verkauf des Unter 
nehmens an den Berliner Brotfabrikanten Horst Schiesser 
zugestimmt. Wie der Vorsitzende des Aufsichtsrats, DGB- 
Chef Ernst Breit, nach der Sitzung sagte, sei der Beschluß 
nach sehr intensiven Diskussionen gefaßt worden. Kartell 
rechtliche Bedenken sind nach seinen Worten nicht zu er 
warten. Mit dem spektakulären Verkauf sind die Gewerk 
schaften als die bisherigen Eigentümer des Konzerns nach 
Darstellung der Gläubigerbanken jedoch nicht aus ihrer 
Haftung entlassen. 
Das liegt mir wirklich endlich mal gut in den Ohren. 
Wie die DG-Bank - Deutsche Genossenschaftsbank - als 
eine der acht Gläubigerbanken des mit rund 17 Milliar 
den DM verschuldeten Wohnungsbauunternehmens er 
klärte, werde die Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirt 
schaft-AG - BGAG - als Holding der Neuen Heimat nach 
den juristischen Grundsätzen der Haftung für Konzernlei 
tung und des Haftungsdurchgriffs jeweils den vor ihr abge 
gebenen Patronatserklärungen für die Neue Heimat testge 
halten. 
Das ist wirklich sehr erfreulich. Der Ärger wird dadurch nicht ge 
mildert, daß auch die Kollegen von anderen Bundesländern, 
übrigens auch die SPD-Kollegen, in gleichem oder in sehr viel 
stärkerem Maße betroffen sind als wir. Die Art und Weise des 
Ausverkaufs läßt den Schluß zu, daß sich der DGB nicht nur aus 
seiner wirtschaftlichen Verantwortung stehlen will, sondern auch 
- was meines Erachtens erheblich schwerer wiegt - aus seiner 
sozialen Verantwortung für die Mieter. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Herr Momper! Ich bin anderer Auffassung als Sie. Ich glaube, 
das ist der Abschied der Gewerkschaften, zumindest dieser 
Gewerkschaftsbosse, die zur Zeit regieren, alle siebzehn, aus 
der Sozialbindung des Eigentums. Es ist ein moralisches Ver 
sagen eben jener Leute, die nicht müde wurden, bei dem Ver 
such der Sanierung von Privatfirmen und von Kapitalgesellschaf 
ten in den letzten Jahren immer wiederauf die Verantwortung der 
Eigentümer hinzuweisen. Ich möchte nur an die Vorgänger 
Arbed Saarstahl, AEG oder Rotaprint hier in Berlin erinnern. 
Keiner kann allerdings über die Vorgänge Schadenfreude emp 
finden, denn dieser Staat ist auch von den Gewerkschaften der 
ersten Stunde geprägt worden. Um so schlimmer ist die heutige 
Handlungsweise. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Es ist eine bösartige Verdrehung, Herr Momper, und es wäre 
gut, Sie würden jetzt zuhören, 
[Momper (SPD): Ich höre ja zul] 
wenn wie gestern im Bundestag von Mitgliedern der Opposition 
behauptet, vor einigen Tagen schon mal und heute wieder durch 
Sie, kolportiert wird, die Bundesregieung und der Senat von Ber 
lin hätten keine Versuche unternommen, bundesweit bzw. regio-
	        
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