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Volume Nr. 17, 6. Dezember 1985

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1985, 10. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
17. Sitzung vom 6. Dezember 1985 
966 
Hoffmann 
(A) Wir fordern deshalb aber auch von den Arbeitnehmern, daß 
sie die angebotenen Programme annehmen und daß ein Wille 
zur Qualifikation entwickelt wird; es geht nicht ohne diesen. Oft 
stellen wir fest, daß sich viele zurücklehnen und auf das warten, 
was ihnen gegeben wird, ohne eigene Mitarbeit, ohne eigenes 
Engagement, und dies geht natürlich nicht. 
[Frau Birkelbach (AL): 80000 Faulenzer, 
das ist das Problem!] 
Nun zu den Frauen. 
[Zurufe aus der AL und der SPD] 
Unter den Frauen haben wir einen besonders hohen Anteil an Ar 
beitslosen. Und wir erwarten, daß gerade dieser Zustand in der 
Qualifikationsoffensive massiv angegangen wird. Im Punkt 2 der 
Offensive ist dies bereis festgeschrieben, und wir haben dabei 
volles Vertrauen in den Senat, und wir werden ihm dabei helfen, 
daß dieses Problem gelöst wird und die arbeitslosen Frauen 
wieder schnell und richtig qualifiziert in Arbeitsverhältnisse über 
gehen können. 
[Frau Birkelbach (AL): Disqualifiziert!] 
Die SPD hat gestern ein Wort geprägt: Arbeit für alle schaffen 
durch mehr Solidarität. - Sie müßten mir das einmal erklären - 
Herr Momper ist leider nicht im Raum, er hat es geprägt -, wie 
das geht. Wir als Liberale meinen: Arbeit für alle können wir 
schaffen, wenn jeder einzelne durch persönlichen Einsatz und 
Kreativität und durch neue Ideen daran arbeitet, hier voranzu 
kommen. 
[Wagner, Horst (SPD): Das ist doch alles Geschwätz!] 
- Das ist kein Geschwätz, Herr Wagner, sondern hier ist wieder 
unternehmerisches Handeln gefragt und nicht nur Zurücklehnen 
und auf Solidarität Setzen. Ich halte dieses Wort „Solidarität“ 
sehr hoch, aber an der richtigen Stelle, am richtigen Ort - an an 
derer Stelle ist mehr gefragt, nämlich persönlicher Einsatz. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Alterspräsident Poritz: Das Wort hat nunmehr Herr Sena 
tor Pieroth. 
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Arbeit: Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Ich habe nach dieser Rede des Kolle 
gen Hoffmann eine Zeitlang geschwankt, ob ich überhaupt 
reden solle, aber ich bin Herrn Dr. Riebschläger so dankbar, daß 
er die Aufgaben der Opposition dargelegt hat. Da sind wir uns 
wohl einig: Aufgabe der Opposition ist nicht, der verlängerte 
Arm des Senats zu sein, Aufgabe der Opposition ist - erstens 
Kontrolle der Regierung auszuüben. 
[Helms (AL): Bitte kein Gemeinschaftskundeunterricht!] 
Auch wenn ich mit der Arbeit meiner Mitarbeiter sehr zufrieden 
bin - es war einfach zuwenig, wenn Wirtschaft die große Auf 
gabe in Berlin ist, daß der Vorsitzende der großen Oppositions 
partei gestern ganze drei Sätze zur Wirtschaftspolitik vorgetra 
gen hat, 
[Schmidt (CDU): Von Wirtschaft versteht der Momper 
nichts! - Zuruf von der SPD: Aber Siel] 
- Nein, nein, das muß schon andere Gründe haben. - Ich habe ja 
gar nichts gegen eine wohlwollende Kontrolle, gegen eine ko 
operative Kontrolle, wie sie vielfach betrieben wird, aber ich 
mache mir um einen anderen Punkt große Sorge; denn die 
Opposition hat ja noch eine Aufgabe; Alternativen zu entwickeln. 
Ich habe Ihrer Rede eben exakt zugehört; es war eine intelligente 
Rede, vielleicht war die Redezeit ein bißchen knapp, aber Sie 
haben keinen einzigen Vorschlag zum Abbau der Arbeitslosigkeit 
in Berlin gemacht. Das ist das Ergebnis. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - 
Widerspruch von der SPD und der AL] 
Deshalb dürfen wir aber nicht etwa nachlassen - das ist eine 
große Gefahr wir dürfen nicht nachlässig werden. Wir müssen 
uns immer wieder sagen, daß wir vor großen Aufgaben stehen. (C) 
Die besondere Aufgabe ist, unseren Anfangserfolg zu konsoli 
dieren, den erreichten Freiheitsspielraum zu sichern, neuen 
Chancenreichtum in Berlin auf Dauer zu stellen. 
[Klinski (AL): Man muß nur den Mut haben!] 
Das heißt: nicht nachlassen, immer wieder wissen, worauf die Er 
folge der Berliner Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren zurück 
zuführen sind. Das war kein Zufall, das war kein Zusammenspiel 
glücklicher Umstände. Das war auch nicht nur eine Gegenreak 
tion auf den Verdruß über eine skandalumwitterte SPD-Regie- 
rung. Nein - Sie haben den entlarvenden Satz eben gesprochen, 
Herr Dr. Riebschläger, wenn Sie meinten, dieser Senat betreibe 
Klimapflege, und alles andere würde er der Wirtschaft überlas 
sen. Klimapflege ist bestimmt wichtig für den Berlin-Besucher, 
für den Berlin-Investor, ist unverzichtbar, um mehr Arbeitsplätze 
nach Berlin zu bekommen - und das trauen Sie mir ja offensicht 
lich zu, das ist ja zum Ausdruck gebracht worden. Es ist aber das 
glatte Gegenteil von dem notwendig, was Sie sagen. Ich erin 
nere daran, was Sie betrieben haben: Sie hatten statt Klima 
pflege in Berlin ein miserables Wirtschaftsklima zustande kom 
men lassen - das ist doch Tatsache -, 
[Beifall bei der CDU] 
und statt Freiräume für die Wirtschaft zu schaffen, haben Sie 
sich immer mehr in wirtschaftliche Aktivitäten eingemischt, und 
dadurch ist ja Ihr Senat gestürzt. Das allein war ja nicht so 
schlimm, schlimmer war, daß damit zusätzliche Arbeitsplätze in 
hohem Maß gefährdet wurden. Der Erfolg der Berliner Wirtschaft 
- soweit er überhaupt durch die Politik bedingt werden kann -, 
beruht auf der Verwirklichung einer ganz einfachen Erkenntnis: 
Nicht der Senat darf alles für die Berliner tun, aber der Senat 
muß alles unternehmen, daß jeder Berliner möglichst viel für sich 
tun kann. Wir vertrauen den Menschen und nicht den Bürokra 
tien, und dadurch haben die Menschen in Berlin wieder mehrZu- 
trauen zu sich selbst. Dieses Zutrauen der Menschen schafft ein 
Klima für Leistung, schöpferische Kraft und mehr Arbeitsplätze 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P,] 
- und das wollen wir bewahren. 
Man muß immer wissen, was man kann, und sich nicht zuviel 
trauen. Wir können anschieben - wie es der Kollege Hoffmann 
eben dargestellt hat -, wir können Anreize geben, Hilfestellun 
gen hier und dort organisieren, wo sie notwendig sind, aber Poli 
tik kann dem einzelnen nicht die Arbeit abnehmen, diese Anreize 
aufzugreifen und selbständig in das eigene Leben zu integrieren. 
Nicht nachlassen heißt ferner, sich immer wieder sagen: Es darf 
kein Wachstum in Berlin um jeden Preis geben! Die Menschen 
wollen qualitatives Wachstum. Ich nehme Ihren Gedanken der 
Kombination von Geist und Geld noch einmal auf, Kollege Hoff 
mann, das heißt: eine technologische Entwicklung, die in Ein 
klang steht mit anderen Erfordernissen des menschwürdigen Le 
bens. Dazu gehört vor allen Dingen eine saubere Umwelt, und 
hier haben wir noch viel verständlich zu machen. Auch die Um 
weltschutzprobleme können wir nur mit moderner Technik in den 
Griff bekommen. Das gilt nicht nur für die Vorsorge, sondern erst 
recht für die Umweltreparatur; und das gilt auch für die 
Beseitigung der Altlasten. Die Maschienbauindustrie, die Mi 
kroelektronik in Berlin, viele wissenschaftliche Institute, das Um 
weltbundesamt - das alles sind Chancen in Berlin, die wir noch 
viel mehr nutzen können, um über Umwelttechniken zu einer bes 
seren Umwelt zu kommen. 
[Klinski (AL): Wie im verseuchten Silicon Valley!] 
Und mehr zu beachten, nicht nachlässig zu werden, nicht einzu 
schlafen heißt vor allen Dingen, zunächst zu erkennen, daß die 
Arbeitslosigkeit größer ist als vor vier Jahren - wie Sie auch vor 
getragen haben. Aber das wollen Sie doch nicht so isoliert sehen 
als intelligenter Mann, Sie wollen doch nicht den Berlinern ein- 
reden, das wäre in Berlin so und anderwärts vielleicht nicht. Ber 
lin hat jetzt 9,7% Arbeitslosigkeit, ich will gar nicht von Ham 
burg und Bremen reden, Lübeck: 14%, Dortmund: 16%, Duis 
burg: über 15%, Essen: 15%, Köln: 14%, Saarbrücken - La 
fontaine -: 16%. Es stimmt: Die Arbeitslosigkeit hat sich in
	        
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