Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
17. Sitzung vom 6. Dezember 1985
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Tiedt
(A) Das genau ist miese, polemische Politik - ohne jede Basis und in
Verkennung der eigenen Schwächen, Herr Momper!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU -
Zuruf von der CDU: Sehr gut!]
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist Senator
Franke.
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Ich freue mich eigentlich jedes
Jahr immer wieder auf die Etatberatung, weil dann der Kollege
Nagel mit seinen Klassenkampf-Parolen ein bißchen seinen Frust
abbaut, und hinterher können wir dann im Bauausschuß wieder
relativ vernünftig miteinander diskutieren.
Herr Nagel, ich verstehe ja, daß sie diese - wie Sie zu sagen
pflegen - Spekulanten nicht so mögen. Es ist Ihnen sicherlich
peinlich, daß Groth & Graalfs im letzten Jahr beinahe 1 000
Wohnungen mit der Neuen Heimat gebaut hat. Das ist Ihnen
unangenehm.
[Beifall des Abg. Landowsky (CDU)]
Das mag schon sein. Aber ich sage: Dafür sind in dieser Stadt
Arbeitsplätze erhalten worden, und wenn die DEGEWO mit der
Firma Klingbeil zusammen baut, werden Bauarbeiterplätze erhal
ten, und in der DEGEWO werden Arbeitsplätze erhalten. Das
wollen Sie natürlich nicht hören, das paßt Ihnen nicht in den
Kram,
[Nagel (SPD): Das können wir anders machen!]
Dann haben wir heute noch ein bißchen mehr Spaß gehabt mit
der Märchenstunde des Herrn Momper. Herr Momper, dies alles
ist in der Öffentlichkeit, insbesondere im Bauausschuß, mehr
fach diskutiert worden. Jeder wußte die Gründe, und ich sage
hier: Für den Senat ist es vorrangig und wichtig gewesen, diese
(B) miese Situation hinter dem KaDeWe in Ordnung zu bringen und
dort Wohnungen zu bauen.
[Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD]
Mir ist es egal, wer da baut. Und dann möchte ich Ihnen mal Vor
schlägen, zu Ihrem von mir sehr geschätzten Dr. Riebschläger zu
gehen; der gibt Ihnen sicherlich gern den WBK-Bericht. Und
dann schlagen Sie die Seite 39 auf - er streicht es Ihnen an,
oder Sie lassen jemand anders lesen -, um dann festzustellen,
daß die Baunebenkosten durchschnittlich zwischen 20 und
30 % liegen. Ich meine, von einem Fraktionsvorsitzenden sollte
man erwarten, daß er sich vorher ein bißchen besser informiert,
bevor er hier so viel Schaumschlägerei betreibt, wie er das eben
getan hat.
Nun, Herr Nagel hat vorhin gesagt, daß der Senator für Finan
zen und ich in dreifacher Weise für diese Stadt Verantwortung
tragen. Wir tragen sie gern, wir sind stolz darauf, daß wir sie tra
gen dürfen, und wir werden dieser Verantwortung auch gerecht.
Das zeigt die Politik der letzten Jahre, und das wird auch die Poli
tik der nächsten Jahre zeigen.
Wie sieht es denn aus? Die Baupreise sind seit 1981 gesun
ken. Das liegt unter anderem auch an der günstigen Zinssitua
tion, was ich nicht bestreiten will, aber es liegt auch daran, daß
wir insbesondere den privaten Unternehmern sukzessive nie
drige Preise abgefordert haben. Da ist das Ende noch nicht
erreicht, das gebe ich gerne zu. Aber Jahr für Jahr haben wir die
Baupreise - neben der Zinssenkung - tatsächlich gedrückt.
[Beifall bei der CDU]
Das soll uns erst einmal einer nachmachen!
Ich finde, es ist ganz klar - und ich gestehe das auch zu, der
Herr Simon hat das auch getan -, natürlich ist auch in den letzten
Jahren vor unserer Regierung im Wohnungsbau Großes gelei
stet worden. Da kam es darauf an, das Dach über den Kopf zu
bekommen. Aber es kam schon viel länger darauf an, das Wohn-
umfeld zu verbessern. Wir haben damit begonnen; Sie haben es
nicht getan! Ich habe - das sage ich uneingeschränkt - großen
Respekt vor einigen meiner Vorgänger, zum Beispiel Rolf (C)
Schwedler. Bei Ihnen ist er ja offensichtlich in Vergessenheit ge
raten, bedauerlicherweise. Auch Harry Ristock hat zweifellos in
der Baupolitik etwas umgestellt, ist wieder in die Innenstadt
gegangen. Dieses haben wir fortgesetzt, u.a. auch mit der
KaDeWe-Bebauung - das wollen wir dabei, bitte sehr, nicht ver
gessen.
Dann reden Sie, Herr Nagel, vom Kant-Dreieck und wissen gar
nicht, daß dort natürlich kein Hochhaus gebaut wird. Bevor Sie
reden, müssen Sie auch mal versuchen, sich ein bißchen sach
kundiger zu machen, dann können wir auch hier vernünftiger mit
einander reden.
Nun hat man mir gestern - es war wohl ein Vertreter der AL -
vorgeworfen, daß ich wieder in großem Umfang den Abriß pro
pagieren würde. Tatsache ist folgendes: Es gibt in den Bezirken
Anträge für den Abriß von 1 200 Wohneinheiten im Jahr 1985.
Davon sind durch die Bezirke bisher 500 Abrisse genehmigt, 75
sind abgelehnt worden. In den Widerspruch sind gegangen
Anträge für den Abriß von 129 Wohneinheiten; davon ist aus
meinem Hause - mit meiner Zustimmung - ein Objekt zum Abriß
freigegeben worden, und zwar mit zehn Wohneinheiten. Bei
zehn Objekten mit 119 Wohneinheiten habe ich den Abriß abge
lehnt. Wann auch immer jetzt in den Widerspruch gegangen
wird, sehe ich mir - oder einer meiner Senatsdirektoren - per
sönlich diese Häuser an, um persönlich darüber zu entscheiden,
ob abgerissen werden soll oder nicht.
[Frau Ahme (AL): Ja, sehen sie sich das mal
persönlich an!]
- Ja, ich tue es! Sie gehen da ja offensichtlich nicht hin, sonst
hätten sie sich ja schon eher darum gekümmert.
Wir wissen, neben einer aktiven Wirtschaftspolitik braucht
Berlin auch eine aktive Bau- und Wohnungspolitik, eine Baupoli
tik, die sich nicht nur in der Reaktion auf Veränderungen
erschöpft, sondern selber gestaltet. Der Aufschwung Berlins -
wirtschaftlich und kulturell, aber auch stadtgestalterisch - ist (B)
nicht zu verkennen; die Attraktivität unserer Stadt wächst. Man
kann schon sagen, daß das beinahe von Tag zu Tag der Fall ist.
Arbeitsplätze, Forschungspolitik, Wissenschaft und Wirtschaft
werden zueinandergeführt. Wir haben ein Zentrum der Zukunfts
technologie und kulturelle Angebote ohnegleichen. Das sind die
Fakten, die Berlin zunehmend zum Anziehungspunkt werden las
sen. Dazu gehört auch eine Wohnungspolitik, die dieses alles
unterstützt. Dazu gehört, daß wir das Wohnumfeld verbessern,
es mit noch mehr Qualität versehen, um damit auch die Bindun
gen der Berliner an ihre Stadt immer weiter zu verstärken.
Unsere Hauptdevise ist, daß das Wohnen bezahlbar bleiben
muß. Das Wohnumfeld muß menschlich gestaltet werden, und
dabei hat der Wohnungsneubau neben der Sicherung eines aus
reichenden Wohnungsangebots eine weitere wesentliche, un
verzichtbare Funktion. Damit werden wir unserer Verantwortung
für zukünftige Generationen gerecht; denn der Wohnungs
bestand muß sich auch an der Alltagsstruktur orientieren.
Die wohnungspolitische Bilanz dieses Senats kann sich sehen
lassen. Folgende Initiativen haben zur weiteren Verbesserung für
die Berliner Mieter geführt. Der Kreis der Berechtigten zum
Bezug einer Sozialwohnung wurde weiter ausgedehnt, der Miet
ausgleich wurde durch die Ausweitung des Kreises der An
spruchsberechtigten wesentlich verbessert, viele Berliner müs
sen ab 1. Januar 1986 keine Fehlbelegungsabgabe mehr zahlen,
viele zahlen weniger. Ab Januar 1988 wird es noch weitere Ver
besserungen geben. Die Zahlung von Wohngeld wurde deutlich
verbessert. Das sind Fakten, die zeigen, daß es mit der Stadt auf
wärtsgeht und daß wir die richtige Politik machen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Die Zahlen zur Mietenpolitik sind hier vorhin schon genannt
worden; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Aber ich möchte
doch die Gelegenheit benutzen, mich bei den Fraktionen der
CDU und der F.D.P. zu bedanken, aufgrund deren Initiativen und
aufgrund deren Engagements waren diese Maßnahmen mög
lich; sie haben mir damit die finanziellen Voraussetzungen ge-