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Volume Nr. 15, 4. Dezember 1985

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1985, 10. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
15. Sitzung vom 4. Dezember 1985 
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Buwitt 
(A) Lebensfähigkeit des Senders Freies Berlin, sind die öffentlich- 
rechtlichen Rundfunkanstalten, also ARD und ZDF, unver 
zichtbar. Wir unterstützen jedenfalls vorbehaltlos die Bemü 
hungen des Senats, daß es doch noch zu einem Staatsvertrag 
der Länder kommen kann, dessen Abschluß bislang am Land 
Hessen gescheitert ist. Mehr noch; Das von uns eingebrachte 
Änderungsgesetz enthält die Positionen, auf die sich die 
Länder bereits geeinigt haben. Wir tun also so, als ob es 
bereits zu einem Staatsvertrag gekommen sei. Wir gleichen 
also die Rechtslage Berlins im Medienbereich an schon 
bestehende oder künftige Möglichkeiten in den anderen 
Bundesländern an. 
Nun einige Bemerkungen zu einzelnen Änderungen. Der 
§ 18 des KPPG sah die Finanzierung der Anstalt für Kabelkom 
munikation allein durch die Anbieter vor. Die von uns 
eingebrachte Änderung des § 18 sieht in Absatz 5 vor, daß 
vorübergehend das Land Berlin einen Zuschuß zur Dek- 
kung des Haushalts der Anstalt gewähren kann. Die kosten 
deckende Beitragspflicht der Anbieter wurde in eine Kann- 
Bestimmung gemildert. Was bedeutet das? Das bedeutet 
erstens; Nicht die privaten Anbieter werden vom Staat finan 
ziert, sondern - wenn überhaupt - die Anstalt. Und zweitens 
bedeutet das: Die Aufgabe der Anstalt ist es, privaten Anbie 
tern Produktion und Sendung zu ermöglichen und dabei die 
Vielfalt zu gewährleisten. Die Sicherung der Medienvielfalt 
gehört aber zu den klassischen Aufgaben des Staates. Das 
und nichts anderes soll mitfinanziert werden, und auch das 
nur vorübergehend. 
Zweitens: § 51 Abs. 3 des Gesetzes beschränkte die zulässi 
ge Werbezeit in der Vergangenheit auf neun Minuten pro 
Sendestunde. Das Änderungsgesetz sieht einen Anteil von 
höchstens 20% der täglichen Sendezeit für Werbung vor, die - 
wie bisher - nur in Blöcken gesendet werden darf. Die 
Neuregelung ist notwendig, um eine Angleichung an eine 
(B) nicht strittige Regelung in den anderen Bundesländern zu 
bewirken. Alle Länder, ausgenommen wiederum Hessen, also 
auch die SPD-regierten Bundesländer, haben sich auf diese 
Regelung geeinigt. Es wäre absurd, wenn Berlin hier eine 
restriktive Ausnahme machen wollte. Programme anderer 
Länder könnten in Berlin nicht gezeigt oder müßten eben für 
drei Minuten entwertet werden; andererseits hätten Berliner 
Produktionen im Bundesgebiet keine Chance, da sie wirt 
schaftlich nicht konkurrieren könnten. 
Da der Änderungsentwurf vorsieht, daß eine Sendung nur 
durch Werbung unterbrochen werden darf, wenn sie länger 
als eine Stunde dauert, und dann auch nur einmal, ist es völlig 
überzogen, in diesem Zusammenhang von „amerikanischen 
Verhältnissen“ zu sprechen. Diejenigen, die das behaupten, 
haben offenbar noch nie amerikanisches Fernsehen gesehen. 
[Staffelt (SPD): Wehret den Anfängen!] 
Ernster zu nehmen sind dagegen schon die Bedenken 
mancher Berliner Zeitungen, sie könnten durch ausfallende 
Werbeeinnahmen in Bedrängnis geraten. Es wäre in der Tat 
fatal, wenn die Vielfalt der Presse in Berlin in Gefahr geriete. 
Die von uns angestrebte Änderung betrifft aber - wie gesagt - 
nicht so sehr die regionalen Programme, sondern soll Berlin 
für überregionale Programme die gesetzlichen Möglichkeiten 
schaffen. Überregionale Werbesendungen bedeuten aber 
keine Konkurrenz für die Berliner Zeitungen, da diese im 
wesentlichen vom regionalen Werbemarkt profitieren. 
Drittens: Die neu eingefügten §§60 und 61 schließlich sollen 
das Vergabeverfahren und die Nutzung für drahtlosen Rund 
funk bzw. die Sicherung der Meinungsvielfalt regeln. In 
diesem Zusammenhang kommt dem Kabelrat eine besondere 
und auch neue Bedeutung zu. Er soll die Frequenzen verge 
ben und die privaten Anbieter auswählen können. Kein 
anderes Gremium wäre auch geeigneter dafür, denn er hat 
seine Legitimation unmittelbar vom Parlament, er verfügt über 
eine Unabhängigkeit, die wir sonst nur beim Richteramt (C) 
kennen, und er ist aufgrund seiner geringen Größe auch ein 
äußerst effektiv handelndes Gremium. Seine bisherige Tätig 
keit, an der meines Wissens bisher keine Kritik laut geworden 
ist, bietet Gewähr, daß er auch seiner neuen, erweiterten 
Aufgabenstellung gerecht werden wird. Zudem werden dem 
Kabelral in §61 Abs. 3 Kriterien an die Hand gegeben, nach 
denen er die Auswahl der Anbieter vorzunehmen hat. Diese 
Kriterien garantieren die von uns allen geforderte Meinungs 
vielfalt und verhindern, daß die Medienangebote allein in 
seichte Massenunterhaltung verkommen. Sie entsprechen 
auch den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts. 
Mit dem Gesetzentwurf soll ein Orientierungsrahmen ge 
schaffen werden, der es dem Kabelrat ermöglicht, auf künftige 
Entwicklungen flexibel und sachgerecht zu reagieren. In 
keiner Weise wird dadurch „der gesetzlich verankerte Kultur 
auftrag des Kabelpilotprojektes ad absurdum geführt“, wie 
der DGB-Vorsitzende Pagels meinte. Er wird im Gegenteil 
nochmals betont, wenn in den Kriterien unter anderem 
gefordert wird, daß „das Programm auch das öffentliche 
Geschehen, die politischen Ereignisse und das kulturelle 
Leben im Land wiedergeben und der Information, Bildung, 
Beratung und Unterhaltung dienen soll“. 
Die von uns eingebrachte Gesetzesänderung ist für Berlin 
notwendig. Sie eröffnet uns eine geringe Chance, im Wettlauf 
um die Medienstandorte von morgen nicht überrannt zu 
werden. Dieses Gesetz allein sichert uns diesen Standort 
nicht. Es müssen weitere Maßnahmen hinzukommen. Aber es 
schafft die Voraussetzungen dafür, daß wir überhaupt „im 
Rennen bleiben“. - Recht herzlichen Dank! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. (D) 
Meisner. 
Dr. Meisner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich habe mir, während Herr Buwitt diesen Gesetzes 
entwurf der CDU mit hehren Worten begründet hat, den Herrn 
Hassemer angesehen, den Senator. Und ich habe mir ge 
dacht: Was muß der Mann jetzt eigentlich denken? Was muß 
der Mann dabei denken, wenn seine Fraktion nun zum 
wiederholten Mal gegen das, was er eigentlich in der Medien 
politik verkörpern wollte, antritt und ihn nun wieder von seinen 
Plänen, von dem, was er wollte, wegbringt auf einen Kurs der 
platten Kommerzialität? - Herr Hassemer hat am 28. Juni 
1984, da war die Schlußberatung des Kabelpilotprojektgeset 
zes, hier im Abgeordnetenhaus erklärt, es sei für ihn einer der 
wichtigsten Punkte, daß dieses Kabelpilotprojekt kein Spon 
sorprojekt für einige Große sein darf, sondern eine Möglich 
keit für wirklich vielfältige, breite Angebote aus Berlin geben 
muß. Übrigens verzeichnet das Protokoll an dieser Stelle den 
Beifall des Abgeordneten Landowsky. 
[Gelächter bei der SPD] 
Das war bei der Verabschiedung dieses Gesetzes, und nach 
nur drei Monaten Laufzeit wird dieses Ziel des Gesetzes, das 
Ihnen damals ein ganz wichtiges Anliegen war, durch Ihre 
Fraktion, Herr Hassemer, aufgegeben. Jetzt geht es wirklich 
nur noch um die ganz Großen! Die CDU zieht Sie, Herr 
Hassemer, von allen Ihren medienpolitischen Positionen 
herunter; sie zwingt Sie, gegen Ihre Überzeugung Medienpoli 
tik in Berlin zu machen. Besser gesagt: Sie werden gezwun 
gen, diese Medienpolitik zu verantworten, die aus Ihrer 
Fraktion heraus gemacht wird. Damals haben Sie am gleichen 
Tag hier im Abgeordnetenhaus erklärt, ich zitieren: 
Nach meiner tiefen Überzeugung gibt uns das Kabelpilot 
projekt die Möglichkeit, in die neuen Medien mit Vielfalt 
und auch mit kleinen Anbietern einzutreten.
	        
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