Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
11. Sitzung vom 17. Oktober 1985
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Liepelt (CDU): Bitte!
(A)
Stellv. Präsident Longolius: Bitte schön!
Lohauß (AL): Herr Kollege, ist Ihnen noch im Ohr, daß der
Herr Finanzsenator heute mittag anläßlich der Einbringung des
Haushalts gesagt hat, kein einziger Betrieb dürfe in Berlin wegen
fehlender Fläche nicht angesiedelt werden, und wie stehen Sie
dazu, wenn Sie jetzt hier die Aussage treffen, der Naturschutz
habe Vorrang?
Liepelt (CDU): Sie wissen doch, daß diese Aussage - und
ich möchte Ihnen das erklären - kein Gegensatz ist zu unserer
Auffassung der Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie. Der
Umweltschutz und der Naturschutz haben sicherlich in der Frage
der Landschaftsprogramme und des Flächennutzungspro
gramms die Aufgabe, sich von anderen Nutzungen oder anderen
Bereichen etwas zu nehmen, keine Frage. Aber in diesem Fall,
daß wir Betrieben eine sichere Entscheidung ermöglichen über
Ansiedlungs- oder Erweiterungsabsichten, kann der Umwelt
schutz durch seine Maßnahmen zur Reinhaltung des Bodens
auch etwas für andere Bereiche tun. Beides schließt sich nicht
aus. Das ist unser generelles Konzept auch für den Umwelt
schutz, und wir werden Gelegenheit haben, das auch in Zukunft
hier an dieser Stelle eingehender zu erklären.
[Beifall bei der CDU]
Diese Sorge - Herr Behrendt hat das ausführlich dargetan -
haben wir gemeinsam vor dem Hintergrund, daß in den letzten
20 Jahren über 8 000 ha Natur verbraucht worden sind in
unserer Stadt, und deswegen müssen wir die Natur in unsere
Stadt zurückholen. Dies hat auch etwas mit der polyzentralen
Struktur Berlins zu tun, mit den Bezirken. Gott sei Dank ist die
Zeit vorbei - und das begrüßen wir ja -, daß statt dieser inte
grierten Planung nicht mehr nur einheitlich von einer einzelnen
Leitstelle, wie das ja mal zu Ihren Zeiten, Herr Behrendt, der Fall
(B) war, bis in die Bezirke hinein verplant wurde. Das ist Gott sei
Dank vorbei, das haben wir abgebaut und haben jetzt ein schwie
riges integriertes, mit Konflikten behaftetes Planungsgefüge.
Und das Bild von der Grünen Mitte - ich glaube, Herr Kollege
Lohauß, Sie haben das heute in der Haushaltsdebatte gebraucht
- ist nicht der Begriff der AL. Das ist der Begriff, mit dem das Pla
nungskonzept für den zentralen innerstädtischen Bereich, da
mals noch von Herrn Senator Hassemer, vorgestellt wurde, und
auf diesen Begriff der Grünen Mitte, den wir auch durchsetzen
wollen - da stehen wir im Wettbewerb miteinander -, sind wir
stolz, und auf diese Herkunft möchte ich doch auch an dieser
Stelle verweisen.
Es gibt sicherlich einige Ziele, die wir dabei beachten müssen.
Ich will sie nur stichwortartig aufzählen, und sie sind auch in den
vorangegangenen Beiträgen hier dargetan worden: die Entwick
lung des Artenschutzprogramms, die fehlende Kartierung der
Biotope im inneren Sladtbereich muß vorangetrieben werden,
die ökologische Vielfalt auch der Brachflächen muß gesichert
werden, und Flächen wie beispielsweise der Große Tiergarten
müssen von einer Übernutzung befreit werden. Hier passen
eben Erholung und Naturschutz nicht zusammen. Auch das ist
eine Aufgabe, die in den Landschaftsplänen - und es gibt ja
dafür einen - berücksichtigt wird. Und wir wollen - und das ist
auch eine Frage der Stellen in den Bezirken - die Gartenbau
ämter dazu bewegen, zu erkennen, daß man nicht überall den
englischen Rasen haben muß, sondern daß auch irgendwo in
den Parks etwas mehr wild wachsen kann, als es bisher der Fall
ist. Hier beziehen wir die standortgemäße Anpflanzung gebiefs-
typischer Arten ein, im übrigen auch die Spontanvegetation.
Ich will aus den vorliegenden parlamentarischen Initiativen
zwei Spannungsfelder herausarbeiten.
1. Die SPD kritisiert die zögerliche Entwicklung der ganzen
Planungsvorhaben. Ich finde, es ist dann etwas widersprüchlich,
wenn Sie beispielsweise in den Punkten 8 und 9 Ihrer Anfrage
zusätzliche Planungsaltemativen, die Entwicklung eines Normen-
kontrollverfahrens und eine größere Beteiligung der Bürger mit
mehr Planungsaltemativen fordern. Ich muß Ihnen sagen: Das
alles, für sich genommen, hört sich gut an. Nur, dies führt natür
lich nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens, sondern zu (C)
einer weiteren Verzögerung, und Sie müssen diese Wider
sprüche in Ihrer Argumentation zumindest abzudecken ver
suchen. Sie können nicht einerseits sagen, es dauert Ihnen zu
lange, und zum anderen Instrumente fordern, die die Entwicklung
der Landschaftspläne noch länger, als es ohnehin der Fall ist,
hinauszögem. Dies geht auf diese Weise nicht.
2. Ebenso löst die Neuschaffung einer Behörde - das ist vom
Senator schon gesagt worden - meiner Meinung nach keines
der Probleme. Wir müssen eine Verbesserung im Verfahrens
ablauf erreichen, und zwar denke ich hier nicht nur an die blanke
Zahl der neuen Stellen, sondern an eine Verbesserung des Ver
fahrensmanagements. Das ist wichtig, was wir jetzt machen
müssen! Eine neue Institution - das ist meine Befürchtung - ver
bürokratisiert die ganze Geschichte und nützt nach meiner Beur
teilung nichts. Die Tätigkeit privater Planungsbüros allerdings hat
sich hervorragend bewährt, denn der vorliegende Entwurf eines
neuen Flächennutzungsplanes ist ja zu erheblichen Teilen auch
von privaten Planungsgruppen erarbeitet worden, und ich finde,
das, was jetzt zur Diskussion vorliegt, ist eine ganz hervorra
gende Grundlage für die weitere Diskussion.
Die einzelnen Landschaftspläne sichern nicht allein den Natur
schutz in der Stadt. Die Verknüpfung der Brachflächen und die .
Schaffung neuer Grünanlagen - der Görlitzer Bahnhof ist ge- |
nannt worden - finden da ebenfalls ihren Platz. Und ich möchte
den Senat auffordern - weil dies eine Unterfrage war in Ihrer
Großen Anfrage -, auch die innerstädtische Lebensqualität zu
erweitern, und ich fordere ihn auf, alle Anstrengungen zu unter
nehmen, um - wie einmal angedacht - im Jahr 1991 eine neue
Form einer Landesgartenausstellung in die innerstädtischen
City-Bezirke zu holen. Das ist ja möglich, und ein erster Anlaß,
dies noch einmal zu tun mit erneutem Engagement, ergibt sich ja
bei der Tagung des Gartenbau-Kongresses jetzt am Wochen
ende aus Anlaß der zu Ende gehenden Buga.
Wenn wir das alles sehen, so gibt es einiges zu beklagen.
Aber es gibt auch aus der Verknüpfung der Planungselemente (^)
eine große Herausforderung und eine Chance, die wir einlösen
müssen. Denn nur wenn wir die Landschaftsplanung, wenn wir
das Landschaftsprogramm in der Parallelität mit dem Flächen
nutzungsplan qualitativ gut in der Diskussion bestreiten und ab
schließen können, dann sichern wir für lange Zeit die Lebens
grundlagen für diese Stadt. Was daran an Organisatorischem
und an der personellen Situation zu verbessern ist, um diese Be
dingungen zu erfüllen, das werden wir zu verbessern versuchen,
und ich bin sicher, daß wir mit der Diskussion dieser Planungs
vorhaben einen zum Schluß langfristig wirkenden Beitrag nicht
nur für den ausgewogenen Naturhaushalt, sondern auch für den
langfristigen Erhalt der Lebensressourcen in Berlin schaffen kön- |
nen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Das Wort hat jetzt die Kollegin
Preisler-Holl.
Frau Preisler-Holl (AL): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich beginne jetzt mal wieder mit der Frauenrunde, die
durch die Männerbeiträge unterbrochen wurde, und möchte auf
einige Aspekte eingehen, die Sie jetzt vorgebracht haben.
[Zuruf]
- Wir können ja auch mal umgekehrt diskriminieren.
[Beifall bei der AL]
Herr Liepelt, Sie haben den Flächennutzungsplan als zukünf
tige Aufgabe für die Weiterentwicklung der Stadt bezeichnet.
Heute morgen hatten wir im Ausschuß eine Beratung über Flä
chennutzungspläne, und ich war sehr erstaunt, daß ich als ein
zige im Ausschuß überhaupt etwas zu den Flächennutzungsplä
nen gesagt habe und keine andere Fraktion Beiträge dazu gelie
fert hat.
[Zuruf von der CDU: Dafür hatten wir sie ja mit!]