Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
10. Sitzung vom 26. September 1985
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Helms
(A) direkter dafür zu prügeln, wie Herr Lummer anbot auf der letzten
Innenausschußssitzung, habe ich dann noch einmal gefragt, und
wieder wurde diese Frage verneint. Wenn jetzt gesagt wird, Herr
Conen hätte auf dieser Innenausschußsitzung im Verlauf dieses
Besprechungspunktes seine Aussage später korrigiert, so ist
das schlichtweg unwahr, Herr Conen hat zum Schluß dieses Be
sprechungspunktes allenfalls gesagt, daß es Polizeibeamte in
Zivil gibt, daß es auch verdeckte Ermittlungen gibt und daß bei
verdeckten Ermittlungen keine kriminellen Handlungen getätigt
werden. An keiner Stelle jedoch hat er gesagt, daß es verdeckte
Ermittler gibt, die mit falschen Ausweispapieren ausgerüstet
sind, denen eine Legende - also ein falscher persönlicher
Lebenslauf - erarbeitet worden ist und die zum Teil in konspira
tiven Wohnungen wohnen. All dies wurde der Öffentlichkeit
beziehungsweise dem Zeitung lesenden Abgeordneten erst
durch eine Presseerklärung des Senators für Inneres vom 12.
dieses Monats offenbart. Genauso halsstarrig weigerte sich
Senatsdirektor Conen, zur Konzeption des Bundes Deutscher
Kriminalbeamter Stellung zu nehmen. Er gab nur an, daß inner
halb der Innenministerkonferenz darüber diskutiert würde, dies
allerdings Sache der Experten und Juristen sei und daß der
Senat nicht in der Lage sei, weitere Auskünfte über den Stand
der Diskussion zu geben. Er weigerte sich auch, Auskunft dar
über zu geben, mit welcher politischen Zielrichtung der Berliner
Senatsvertreter in dieser Innenministerkonferenz am Willens
bildungsprozeß teilnimmt. Auch dies war erst im nachhinein aus
der Presseerklärung von Senator Lummer herauszulesen, wo er
sagt, er befürworte die Ausweitung der Möglichkeiten des Ein
satzes verdeckter Ermittler.
Zu einer ähnlichen Falschaussage kam es bei dem Bespre
chungspunkt über die Gelbe-Karten-Aktion. Hier wurde der
Senatsdirektor gefragt, welche Schlüsse er beziehungsweise
der Senat aus dieser Aktion ziehen wolle und ob damit zu rech
nen sei, daß diese Aktion verlängert werde. Herr Conen sagte zu,
daß darüber ein abschließender Bericht vorgelegf wird und
womöglich zu einem späteren Zeitpunkt in ähnlicher Form
wiederholt würde - allerdings erst, wenn der jetzige Versuch
ausgewertef worden ist, und dann auch nicht mit einer gelben
Karle, weil die schon verteilten gelben Karten von einigen Auto
fahrern als Freiparkschein benutzt würden. Die Aussage, daß der
Versuch am 14. September abgeschlossen wird, erwies sich im
nachhinein auch als falsch. Der Straßenverkehrsdezernent
machte am 17. September gegenüber der Bild-Zeitung klar, daß
die Gelbe-Karte-Aktion noch mindestens einen Monat fort
gesetzt wird.
Zieht man all diese Tatbestände zusammen, so ist nur die
Interpretation möglich, daß Senatsdirektor Conen als Vertreter
des Berliner Senats den Ausschuß in mehrfacher Weise falsch
und unvollständig unterrichtet hat und daß er damit in eklatanter
Weise die Rechte des Abgeordnetenhauses mißachtet hat;
denn nach der Verfassung von Berlin hat das Abgeordnetenhaus
das Recht, über die Verwaltungspraxis vollständig und wahr
heitsgemäß informiert zu werden. Wenn sich nun der Senator für
Inneres, Herr Heinrich Lummer, hinter seinen Senatsdirektor
stellt und von einem Mißverständnis spricht und vielmehr den
Abgeordneten selbst, dem Ausschußvorsitzenden beziehungs
weise der Öffentlichkeit die Schuld dafür gibt, daß der Senats
direktor mißverstanden worden ist, so ist das allenfalls eine
Schutzbehauptung, es beweist in der Sache gar nichts. Es
macht vielmehr deutlich, daß auch der Innensenator bereit ist,
die skandalösen Vorgänge im Innenausschuß zu decken. Die AL-
Fraktion ist nicht bereit, diesen Vorgang so hinzunehmen und
etwa damit abzutun, daß der Senatsdirektor Conen nur einen
schlechten Tag hatte.
[Beifall bei der AL]
Vielmehr halten wir diesen Vorgang für symptomatisch. Noch vor
der Sommerpause haben wir hier im Plenum darüber debattiert,
ob es notwendig ist, beim Senator für Inneres einen zweiten
Senatsdirektor einzustellen. Bei der damaligen Aussprache
haben weder der Senat noch die CDU-Fraktion vermocht, eine
sachliche Begründung dafür abzugeben, warum ein weiterer
teurer Verwaltungsbeamter beim Senator für Inneres eingestellt
werden müsse. Herr Buwitt von der CDU-Fraktion lamentierte
damals allgemein, die Führungsebene beim Senator für Inneres
müsse gestärkt werden. Effektivere Arbeit der Verwaltung —
[Zuruf des Abg. Buwitt (CDU)]
- das war ein Lamento, das war keine einheitliche Begründung
für einen zweiten Senatsdirektor! -, effektivere Arbeit der Ver
waltung - so Herr Buwitt damals - kann auch dazu führen, unten
etwas besser, schneller und günstiger zu gestalten. Mit einer
solchen Begründung in dieser Allgemeinheit ist es durchaus
möglich, bei allen Senatsverwaltungen zwei Senatsdirektoren
einzustellen.
[Lummer (CDU): Laßt uns doch abstimmen!]
- Herr Lummer, dazu kommen wir gleich! Schlimm genug, daß
auch Sie darüber abstimmen dürfen, obgleich Sie selbst davon
betroffen sind. - Eine konkrete Beweisführung ist das nicht.
[Anhaltende Unruhe]
Deshalb kam bei den Oppositionsparteien damals ein anderer
Verdacht auf. Der Abgeordnete Pätzold von der SPD formulierte
das damals so: „Weit wahrscheinlicher ist, daß der jetzige Innen
senator sehr unzufrieden mit seinem Senatsdirektor ist. Dazu
muß ich sagen: Anders als in den Fällen, wo Senatoren Senats
direktoren vorfinden und vielleicht darüber nicht ganz glücklich
sind, hat sich der Innensenator diesen selber ausgesucht, und
für ihn trägt er die Verantwortung, Es ist sicher allzu billig, wie es
hier in der Sozialverwaltung geschieht, einen Senatsdirektor
nach eigener Entscheidung nach vier Jahren in den einstweiligen
Ruhestand mit allen Versorgungsansprüchen zu schicken, aber
im Grunde genommen ist es doch viel grotesker, schlicht eine
zweite Senatsdirektorenstelle zu fordern - mit all dem, was damit
zusammenhängt -, um dies zu vermeiden.“ Dieser Aussage des
Kollegen Pätzold können wir nach wie vor nur zustimmen. Auch
wir sind der Meinung, daß der zweite Senatsdirektor nur deshalb
eingestellt werden soll, weil er den Ausputzer für den jetzigen
Senatsdirektor spielen soll.
[Beifall bei der AL]
Natürlich sind wir uns darüber in klaren, daß wir hier einen
hochdotieren Beamten in die unverdiente Frührente schicken
wollen, jedoch beantragen wir gleichzeitig, daß der Senator für
Inneres auf den zweiten Senalsdirektor verzichten soll. Das ist
schlicht gerechtfertigt und kommt dem Steuerzahler immer noch
billiger, als wenn demnächst zwei Senatsdirektoren bei dieser
Senatsverwaltung finanziert werden müssen. - Danke!
[Beifall bei der AL]
Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete
Pätzold.
Pätzold (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Zugegebenermaßen handelt es sich bei dem Antrag, der uns hier
zur Behandlung vorliegt, um einen ungewöhnlichen Antrag. Aber
der Vorgang, der dem zugrunde liegt, lieber Herr Lummer, ist
noch viel ungewöhnlicher, und der rechtfertigt durchaus das
Ungewöhnliche eines solchen Antrages.
Wie war das denn eigentlich? - Vor zwei Wochen berieten
wir im Innenausschuß darüber, wie die Vorschläge des Bundes
Deutscher Kriminalbeamter zur verdeckten Ermitflertätigkeit zu
werten seien. Der Senatsdirektor Dr. Conen, der seinen Senator
vertrat, sagte einmal von allein und dreimal auf Nachfrage, also
insgesamt viermal, in Berlin gebe es keine verdeckten Ermittler.
Er wich auch aus, als wir ihn nach inhaltlichen Vorstellungen
fragten, mit dem Hinweis, da gebe es gemeinsame Überlegun
gen auf Bundesebene, die könnten lange dauern, und in Berlin
wolle sich niemand festlegen, bevor die Bemühungen auf Bun
desebene zu konkreten Ergebnissen gekommen seien. Er wollte
also weder etwas zum Ob eines verdeckten Ermittlers noch zum
Wie sagen, und am Schluß, etwas gedrängt, sagte er auch noch,
soweit die Polizei etwa in der Form der Kriminalpolizei ermittle,
könne man sich auf jeden Fall darauf verlassen, daß dabei nichts
Rechtswidriges geschehe; aber er hat in keiner Weise seine
viermal abgegebene Aussage korrigiert, daß es in Berlin keine